# taz.de -- Umfrage von Allensbach: Schräg gestimmt | |
> Der „Generation Mitte“ geht es gut wie nie, aber die Leute klagen über | |
> schlechte Stimmung. Die Seele funktioniert nun mal paradox. | |
Bild: Mehr Wohlstand ist gut, kann aber auch für Unruhe sorgen | |
Berlin taz Alle Jahre wieder kommen News von Allensbach. In Form von | |
Umfragen unter MitbürgerInnen: Hey, wie geht es euch so? Wie ist das | |
Befinden, zufrieden mit dem Einkommen, mit der Welt? Das Interessante | |
daran: Die Stimmung ist oft schlechter als die Lage. Es könnte auch | |
umgekehrt sein, man kennt das aus Glücksstudien, wo plötzlich irgendein | |
armes Land erstaunlich weit vorne liegt im Happiness-Ranking. | |
Aber die Deutschen sind eisern: Die Wirtschaft lief zwar gut in den | |
vergangenen Jahren, die Arbeitslosigkeit ist eher niedrig, trotzdem | |
herrscht vielerorts Unbehagen. „Die Menschen haben immer weniger Respekt | |
voreinander“, „Regeln werden immer weniger beachtet“, „Der Egoismus nim… | |
zu“, „Die Aggressivität nimmt zu“, das sagten zwischen 68 und 81 Prozent | |
der rund 1.100 Befragten im Alter zwischen 30 und 59 Jahren in einer am | |
Donnerstag vorgestellten [1][Umfrage] des Instituts für Demoskopie | |
Allensbach. Wobei 68 Prozent auch eine Zunahme der Fremdenfeindlichkeit | |
konstatierten. | |
In dieser „Generation Mitte“ (was in diesem Fall etwas mit der | |
Altersstruktur und nichts mit „Mittelschicht“ zu tun hat) waren 59 Prozent | |
aber mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden, 44 Prozent der | |
„Generation Mitte“ geht es heute nach eigenen Angaben wirtschaftlich besser | |
als vor fünf Jahren, im Vergleich zu 2018 sind das zwei Prozentpunkte mehr. | |
In Ostdeutschland stimmten sogar 46 Prozent der Befragten der Aussage zu, | |
dass es ihnen besser geht als vor fünf Jahren. | |
## Verlustangst steigt | |
Mit den objektiven wirtschaftlichen Daten und der Einkommenssituation hat | |
es also gar nicht so viel zu tun, ob man die Welt am Abgrund wähnt oder | |
nicht. Im Gegenteil, die Seele funktioniert nach einem Paradox. Wenn es | |
wirtschaftlich aufwärtsgeht, hat man auch mehr zu verlieren. Verlustangst! | |
Außerdem gibt es dann immer ein paar Leute, die noch mehr Geld machen als | |
man selbst. Ungerechtigkeit! | |
Gleichzeitig sieht man auch immer mehr arme Leute in den Straßen, die | |
weniger haben als man selbst. Schuldgefühl! Es liegt an der EU-Erweiterung | |
Richtung Osteuropa und der Zuwanderung von Geflüchteten, dass die globale | |
Armut nun auch hier, in Deutschlands Metropolen viel sichtbarer geworden | |
ist. | |
## Der Nachteil von Villenvierteln | |
Diverse Verhaltensforscher von Daniel Kahneman („Schnelles Denken, | |
langsames Denken“) über Dan Ariely („Denken hilft zwar, nützt aber nichts… | |
bis zu Nassim Nicholas Taleb („Der schwarze Schwan“) und andere haben in | |
den vergangenen Jahren die verrückten Sprünge und Wendungen der Seele | |
analysiert. Wohlhabende Menschen in teuren Villenvierteln zum Beispiel: Da | |
herrscht oft lähmende Depression, das Leben scheint verschwunden, nur das | |
Geld ist noch da und die eingemauerte Angst. | |
Die Lösung besteht nicht unbedingt darin, als Wohlhabender einfach in ein | |
ärmeres Viertel zu ziehen, wo es viele Menschen auf der Straße gibt und | |
Dönerbuden und Pfandflaschensammler. In armer Umgebung spürt man als | |
Reicher genau, dass Geldbesitz und Nichtbesitz eher Schicksal sind und | |
nicht „Verdienst“ (ha, Doppelsinn!). Tief drinnen ist da die Angst, die | |
Armen oder in Vertretung der Staat könnten einem alles wieder wegnehmen. | |
Kein Wunder, dass man mit steigendem eigenen Wohlstand der Meinung ist, die | |
„Aggressivität“ und der „Egoismus“ in der Gesellschaft nehmen zu und | |
überhaupt sei der gesellschaftliche Zusammenhalt „schwach“. | |
## Angst ist ein Geschäft | |
Ostdeutsche glauben laut der Umfrage zu 55 Prozent, dass es in Deutschland | |
eine große Rolle spielt, ob man aus Ost- oder Westdeutschland stammt. Von | |
den westdeutschen Befragten sagen dies nur 35 Prozent. Klar, dass die | |
Westdeutschen die Unterschiede lieber ein wenig klein reden, schließlich | |
wähnen sie sich in der Rolle der Überlegenen, obwohl der Geburtsort ja nun | |
Schicksal ist und sonst nix. | |
Die Zukunft liefert vielen Befragten Anlass zur Sorge: 44 Prozent | |
befürchten, dass die finanzielle Absicherung im Alter unzureichend ist. Das | |
dürfte dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft in den Kram | |
passen. Der gibt die Allensbach-Umfrage ja alljährlich in Auftrag. Ein | |
gelungener PR-Coup. Schließlich ist die mittlere Generation auch die | |
Kundschaft für Allianz und Co., um private Altersvorsorge zu verkaufen. Die | |
Angst, sie ist es, die auch die Wirtschaft am Laufen hält. | |
12 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/-generationmitte-beklagt-wachsende-agg… | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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viel zu kurz. |