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# taz.de -- Kommunalverfassungsgesetz vor Gericht: Bürgermeister will mehr Mac…
> Darf ein hauptamtlicher Bürgermeister zugleich Abgeordneter des Kreistags
> sein, zu dem seine Gemeinde gehört? Goslars OB will's wissen.
Bild: Redet und macht öfter von sich reden: Goslars Bürgermeister Oliver Junk…
Göttingen taz | Wie viel Einfluss darf ein Oberbürgermeister haben? Der
Goslarer Verwaltungschef Oliver Junk (CDU) hätte gern mehr. 2016 gewann er
bei der Kommunalwahl einen Sitz im Kreistag von Goslar, darf diesen jedoch
nicht antreten. Das niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz verbietet
es, dass hauptamtliche Bürgermeister Abgeordnete des Kreistags sind, zu
denen ihre Gemeinden gehören. Doch Jung wollte die Entscheidung der
zuständigen Wahlleitung nicht akzeptieren und zog vor Gericht.
Am morgigen Dienstag muss nun das niedersächsische Oberverwaltungsgericht
in Lüneburg entscheiden, ob Junk im Kreistag mitentscheiden darf. Der
Oberbürgermeister sieht in der Regelung einen Verstoß gegen die Verfassung.
In erster Instanz wies das Verwaltungsgericht Braunschweig im März 2018
Junks Klage ab. Es sah keinen Grund, die Entscheidung des Landkreises zu
revidieren. Der fragliche Passus im Kommunalrecht greife zwar in das
sogenannte passive Wahlrecht des Klägers ein, also in sein Recht, gewählt
zu werden, das sei aber mit dem Grundgesetz und der niedersächsischen
Verfassung vereinbar.
Das Kommunalverfassungsgesetz verfolgt nach Ansicht der Verwaltungsrichter
den legitimen Zweck, bei der Arbeit im Kreistag Interessenkonflikte
zwischen dem Bürgermeisteramt und dem Kreistagsmandat zu verhindern. Solche
Interessenkonflikte entstünden etwa bei der Aufgabenverteilung zwischen
Gemeinden und Kreisen, auf die der Kreistag nach dem Kommunalrecht
maßgeblich Einfluss nehmen könne.
Die Wahl Junks, so das Fazit des Gerichts, sei somit zu Recht vom Landkreis
Goslar abgelehnt worden. Der Sitz im Kreistag gehe auf eine Ersatzperson
über. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage ließ das Gericht aber
eine Berufung zu.
„Erste Instanz, also schön langsam“, kommentierte Junk auf Twitter einen
Zeitungsbericht zum Prozess. „ An den entscheidenden Stellen war der
Vorsitzende Richter schwammig genug. Werde in jedem Fall in Berufung
gehen.“
Dass Junk in zweiter Instanz gewinnt, ist unwahrscheinlich. Die Rechtslage
scheint eindeutig, auch wenn in anderen politischen Kontexten
Mehrfachmandate möglich sind. Zum Beispiel kann in den meisten
Bundesländern ein Mitglied des Landtags gleichzeitig Bundestagsabgeordneter
sein. Ex-AfD-Chefin Frauke Petry etwa sitzt im Bundestag und im sächsischen
Landtag. Und nicht nur in Niedersachsen haben Landtagsabgeordnete auch in
Kommunalparlamenten Mandate.
Junk selbst hat mehrfach sein politisches Anliegen in der Sache betont. Im
Kreistag könnten Bürgermeister „die Interessen ihrer Kommune optimal
vertreten“. Dort werde schließlich über das Geld, das die Kommunen an ihren
Landkreis abführen, über weiterführende Schulen oder die Theater- und
Museumslandschaft entschieden. „Bei diesen Themen müsste ein Bürgermeister
auch im Kreistag sitzen, wenn er für seine Stadt eine gute
Interessenvertretung machen will“, sagt Junk. Andere Parteien kritisierten
hingegen, Junk habe bei der Kreiswahl nur eine „Scheinkandidatur“
betrieben, um für die CDU Stimmen zu sammeln.
Der 43-Jährige steht nicht zum ersten Mal im Rampenlicht. Junk gilt schon
länger als schillernde Persönlichkeit im oft grauen kommunalpolitischen
Betrieb. Ursprünglich Mitglied von CDU und Junger Union in Hessen,
wechselte er 1997 seinem Wohnsitz und zur CSU nach Bayern. In Bayreuth
brachte er es bis zum Kreisvorsitzenden der Partei, zum
Fraktionsvorsitzenden im Stadtparlament und zum Stadtrat.
## Vorstöße zur Flüchtlingspolitik
2011 wurde Junk Bürgermeister in Goslar – und blieb in dieser Funktion,
einmalig in Niedersachsen, zunächst CSU-Mitglied. Mit 93,7 Prozent der
Stimmen bestätigten die Goslarer ihn 2013 für weitere acht Jahre im Amt.
Sein einziger Gegenkandidat kam allerdings aus der NPD. Alle anderen
Parteien hatten sich hinter Junk gestellt. Erst im Juni 2014 wurde er
wieder Mitglied der CDU und trat aus der CSU aus.
2014 und 2015 sorgte der Oberbürgermeister mit Vorstößen zur
Flüchtlingspolitik für Aufsehen. Weil Goslar wie viele andere Städte im
Harz besonders unter dem demografischen Wandel und dem Wegzug junger Leute
leide, sollten Asylsuchende in die leer stehenden Häuser einziehen – und
zwar viel mehr, als der Kommune nach dem Verteilschlüssel zugewiesen
würden. „Da sind Menschen in Not und wir müssen und können helfen“,
argumentierte Junk. Von der Landesregierung kam keine Unterstützung, die
Initiative verlief im Sande, doch Medien aus ganz Deutschland berichteten.
Vergangene Woche forderte Junk die Abwahl oder den Rücktritt des
ehrenamtlichen Behindertenbeaufragten Goslars. Der hatte in einem Tweet
empfohlen, kriminellen Migranten „die Hände abzuschlagen oder sie
„auspeitschen“ zu lassen, „wie in der Heimat üblich“. Diese „Bastard…
wollten schließlich nach der Scharia leben, dann könnten sie auch so
bestraft werden. Der Behindertenbeauftragte trat am Donnerstag zurück.
2 Sep 2019
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Kommunalpolitik
Goslar
Niedersachsen
Verwaltungsgericht
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
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