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# taz.de -- Bilanz Jamaika-Koalition in Kiel: Allianz der Gönner
> Die Jamaika-Koalition in Kiel regiert seit über zwei Jahren in
> erstaunlicher Harmonie. Das hat auch damit zu tun, dass die Akteure sich
> gut verstehen.
Bild: Gute Stimmung: Schleswig-Holsteins fast komplettes Kabinett (einer fehlt)…
Neumünster taz | Es gibt einige Themen, bei denen sich die drei Parteien,
die in Schleswig-Holstein als Jamaika-Koalition regieren, nicht einig sind:
Tempolimit, Abschiebehaft, Grunderwerbsteuer zum Beispiel. Und die
Verantwortlichen finden gar nichts dabei. Seit mehr als zwei Jahren regiert
das Dreierbündnis in Kiel überraschend reibungslos.
Zwei Grundsätze helfen den Jamaikaner*innen: Nach innen ist es das Motto
„Gönnen können“, nach außen das gemeinsame Schulterzucken, wenn politisc…
Gegner*innen Streitpunkte aufdecken.
Die Grünen klatschten mit, als Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) im
Landtag Spitzentempo 120 auf der A 7 verlangte. Die Forderung sei „in
unseren Grundfesten verankert“, sagte Andreas Tietze, verkehrspolitischer
Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, bei der Sitzung im Mai. Aber „es ist
kein Thema, das sich eignet, einen Keil in die Koalition zu treiben“.
Hans-Jörn Arp (CDU) hält gar nichts von Geschwindigkeitsbeschränkung. Aber
auch er meint: „Für die Klimaziele kämpfen wir mit den Grünen Seite an
Seite. Hier einen Konflikt zu schaffen wird nicht gelingen.“
Ähnliche Debatten gehören in Schleswig-Holsteins Parlament seit zwei Jahren
fast schon zum Ritual: Bei Streitfragen erklären Mitglieder der miteinander
regierenden Parteien ihre voneinander abweichenden Standpunkte, stimmen am
Ende aber gemeinsam gegen die Anträge der Opposition. Eigentlich ganz
normal, so Kay Richert (FDP) in der Debatte: „Parteien mit
unterschiedlichen Positionen sind ein elementarer Grundstein der
parlamentarischen Demokratie. Wo wir Unterschiede haben, verstecken wir sie
nicht, sondern diskutieren sie offen. Ich denke, dass wir hier einen guten
Stil pflegen.“ Dafür erhielt er Beifall aus allen Regierungsfraktionen.
Die erste Jamaika-Regierung entstand im Saarland, hielt aber nur drei Jahre
durch, dann ließ die damalige CDU-Ministerpräsidentin, Annegret
Kramp-Karrenbauer, sie 2012 platzen. Was damals noch ein Experiment war,
galt im Sommer 2017 als wichtiges Signal für Berlin, weil sich angesichts
der Konflikte in der damaligen schwarz-roten Koalition und der stärker
werdenden AfD auf Bundesebene eine Mehrheit für Schwarz-Grün-Gelb
abzeichnete. So standen die Verhandlungen in Kiel im Sommer 2017 unter
besonderer Beobachtung. Vor allem für die Grünen stellte sich die Frage, ob
sie jenseits des vertrauten Rot-Grün-Schemas zu weiteren Farben- und
Machtspielen in der Lage waren.
In Kiel hat es geklappt, in Berlin bekanntlich nicht. Wer damals dabei war
– eine Reihe von Politiker*innen aus Schleswig-Holstein verhandelte an der
Spree mit –, berichtete vor allem von Zoff und Zerwürfnissen auf der
zwischenmenschlichen Schiene.
Die gab es an der Kieler Förde nicht: Mit CDU-Parteichef und
Spitzenkandidat Daniel Günther, dem Grünen-Führungsduo Monika Heinold und
Robert Habeck, FDP-Chef Heiner Garg und Fraktionschef Wolfgang Kubicki
trafen sich Personen, die einander lange kannten und die ein positives
Ergebnis wollten. Zudem fehlten einige Knackpunkte, an denen sich die
Verhandlungsteams in Berlin aufrieben. Etwa Energiepolitik: Kohle spielt im
Land keine Rolle, stattdessen sind alle für Windenergie und gegen
Fracking.
Den Parteien scheint die Reise nach Jamaika nicht zu schaden. Zwar hatte
die FDP laut einer Umfrage im Jahr 2018 zum Einjährigen der Regierung an
Zustimmung verloren. Doch das mag auch daran liegen, dass FDP-Lautsprecher
Wolfgang Kubicki inzwischen in Berlin sitzt und weniger Aufmerksamkeit auf
die Liberalen in Kiel zieht.
Den Grünen scheint das Mitregieren dagegen zu bekommen, jedenfalls wurden
sie bei den Europawahlen im Mai stärkste Kraft im Land – und das im
traditionell schwarzen Schleswig-Holstein. Allerdings werden auch bei
diesem Ergebnis Stimmungen außerhalb der Landespolitik eine Rolle gespielt
haben. Zudem profitieren die Landesgrünen vom Habeck-Faktor: Anders als bei
Kubicki, der durch den Wechsel nach Berlin eher in den Hintergrund gerückt
ist, hat Habecks öffentliche Präsenz zugenommen.
## Präsenter Ministerpräsident
Bundesweit präsent ist auch Daniel Günther. Der Ministerpräsident hat die
Landes-CDU auf dem liberalen Flügel der Partei positioniert und wird
neuerdings gern als Stimme dieses Flügels zitiert. Bei diesem Kurs helfen
ihm Mitglieder seines Kabinetts wie Bildungsministerin Karin Prien.
„Gute Öffentlichkeitsarbeit, aber wenig Inhalt“, kommentiert
Oppositionsführer Stegner zur Halbzeitbilanz der Legislaturperiode. Die
Regierungsfraktionen würden „mit ihren unterschiedlichen Positionen
kokettieren“, aber die Uneinigkeit in wichtigen Punkten führe zum
Stillstand im Land.
Ministerpräsident Daniel Günther sieht das naturgemäß anders: „Seit CDU,
Grüne und FDP Schleswig-Holstein regieren, hat niemand mehr Zweifel, dass
Jamaika funktionieren kann“, sagte er im Sommerinterview mit den Kieler
Nachrichten. Das Modell sei „ immer noch ein Vorbild für den Bund“.
9 Sep 2019
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schleswig-Holstein
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