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# taz.de -- NPD-Ortsvorsteher in Hessen: Es gibt auch nette Nazis
> Er sei „ruhig und kollegial“ und kenne sich mit Computern aus. Deshalb
> wählte ein hessischer Ortsbeirat nun einen NPDler an seine Spitze –
> einstimmig.
Bild: So ein ganz normaler Kollege halt
Es gibt wenige Gewissheiten, auf die man sich in diesem Land verlassen
kann. Eine von ihnen: In Deutschland wird Innovation großgeschrieben. Wer
es am Technologiestandort Deutschland zu etwas bringen will, muss die Kunst
beherrschen, die An-Taste eines Computers zu bedienen, ein Browser-Tab zu
öffnen, eine Mail zu verschicken.
Das dachten sich wohl auch alle anwesenden Mitglieder des Ortsbeirats
Waldsiedlung im hessischen Altenstadt letzte Woche. Denn dort [1][wählten
Vertreter*innen von SPD, CDU und FDP einstimmig einen neuen
Ortsvorsteher]: Stefan Jagsch von der NPD. Richtig, die NPD, jene
rechtsextreme, völkisch-nationalistische Partei, der eine ideologische Nähe
zu NSDAP nachgesagt wird. Und warum wählt man so jemanden?
„Da wir keinen anderen haben – vor allem keinen Jüngeren, der sich mit
Computern auskennt, der Mails verschicken kann“, so Norbert Szielaska von
der CDU. Macht Sinn, oder? Weiter heißt es: „Was er in der Partei macht
oder privat, das ist nicht mein Ding, nicht unser Ding.“ Im Ortsbeirat
verhalte sich Jagsch „absolut kollegial und ruhig“.
Wer nett und unauffällig ist, kann kein Nazi sein? Das kommt einem doch
irgendwie bekannt vor. Zum Beispiel aus dem NSU-Prozess, wo Zeug*innen
immer wieder darauf hingewiesen hatten, dass „die Beate“ doch total
tierlieb und hilfsbereit war und wie sehr sie außerdem Kinder mochte. Hat
sie trotzdem nicht daran gehindert, ein Jahrzehnt lang durchs Land zu
ziehen und mindestens zehn Menschen kaltblütig zu ermorden.
## Warnungen vor „Volkstod“
Wer hat überhaupt jemals behauptet, Nazis könnten nicht „nett“ sein? Warum
überrascht es, dass sich ein NPD-Funktionär weißen Menschen gegenüber
kollegial verhält? Dass derselbe Stefan Jagsch bei Wahlkämpfen gerne mal
vor dem sogenannten „Volkstod“ warnt, den die etablierten Parteien
angeblich fördern und propagieren – geschenkt. Dass er Integration als
„Völkermord“ bezeichnete? Pillepalle. Schließlich ist Jagsch ein IT-Crack,
von dessen E-Mail-Versende-Fähigkeiten der Ortsteil Waldsiedlung in den
kommenden Jahren mächtig profitieren wird. Angesichts dieses großen Talents
drücken sozialdemokratische bis liberale Kolleg*innen wohl gern mal ein
Auge zu.
Gerade erst wurde gemeldet, dass laut Bundesregierung im ersten Halbjahr
2019 bereits 609 Angriffe auf Geflüchtete angezeigt wurden. Wer vor diesem
Hintergrund keine Skrupel hat, einem NPDler seine Stimme zu geben, ist kein
bisschen besser als der brandstiftende, volksverhetzende, gewalttätige
Angreifer selbst.
Wie gesagt, es gibt wenige Gewissheiten, auf die man sich in diesem Land
verlassen kann. Zum Beispiel die, dass der Zusammenhalt in der weißen
Mehrheitsgesellschaft stärker ist als die Solidarisierung mit Minderheiten.
Und dass der sogenannte rechte Rand so randständig gar nicht ist.
Hauptsache, er verhält sich „kollegial“ und kann einen Computer bedienen.
8 Sep 2019
## LINKS
[1] /NPD-Vizechef-zu-Ortsvorsteher-gewaehlt/!5624037
## AUTOREN
Fatma Aydemir
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