# taz.de -- NPD-Mann wird Ortsvorsteher: Neonazi mit Computerkenntnissen | |
> In Hessen ist ein aktiver Neonazi zum Ortsvorsteher gewählt worden – mit | |
> Stimmen von CDU, SPD und FDP. Die Begründung ist bemerkenswert. | |
Bild: Stefan Jagsch im November 2018 bei einem NPD-Parteitag | |
Frankfurt/Main taz | Der Ortsbeirat der beschaulichen Waldsiedlung im | |
hessischen Wetteraukreis beschäftigt sich normalerweise mit | |
Müllsammelaktionen, alkoholisierten Jugendlichen auf Kinderspielplätzen, | |
Hundetoiletten oder nächtlicher Ruhestörung. Das direkt gewählte Gremium | |
des 2.500 Einwohner*innen zählenden Ortsteils der Gemeinde Altenstadt soll | |
Interessen von Bürger*innen sammeln und an höhere Verwaltungsebenen | |
weitergeben. All dies erreicht selten überregionale Aufmerksamkeit. | |
Das hat sich nun geändert: Am 5. September wurde der [1][Neonazi Stefan | |
Jagsch] zum Ortsvorsteher gewählt, was bundesweit Empörung auslöste. Denn | |
nicht nur ist Jagsch Mitglied der NPD – mehr noch, ermöglicht wurde seine | |
Wahl durch die Stimmen der Vertreter*innen von CDU, SPD und FDP. | |
Kurz nach Bekanntwerden distanzierten sich viele aus den Nachbargemeinden. | |
„Mit Entsetzen und absolutem Unverständnis“ reagierten etwa der | |
Kreisvorstand der Wetterauer CDU, der Altenstadter Ortsvorsitzende sowie | |
die Landtagsabgeordnete Lucia Puttrich (CDU) auf die Wahl von Jagsch. Diese | |
sei „unfassbar und untragbar“, man erwarte ein Umdenken der CDU-Vertreter | |
im Gremium. „Wir werden alle Konsequenzen prüfen müssen“, betonte die | |
Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl (SPD) und erinnerte an die | |
nationalsozialistische Verfolgung von Sozialdemokrat*innen. Die FDP | |
kündigte an, dass die betreffenden Ortsbeiräte künftig nicht mehr für die | |
Partei auftreten sollen. | |
Vor Ort indes versteht man die Aufregung nicht. „Da musste sich einer mit | |
Computern und modernem Kram auskennen“, sagte Norbert Szielasko der taz, | |
„deswegen wurde Herr Jagsch gewählt.“ Szielasko sitzt für die CDU im | |
Ortsbeirat Waldsiedlung und hat, wie sämtliche anwesenden Mitglieder des | |
Gremiums, seine Stimme für Stefan Jagsch abgegeben. Schließlich habe sich | |
Jagsch im Beirat immer „einwandfrei“ verhalten und sei nicht durch | |
rechtsextreme Parolen aufgefallen. „Bei uns ist er kein NPD-Mann, sondern | |
ein Bürger des Ortes, eine Privatperson“, so Szielasko. Ein „böser Bub“… | |
Jagsch schon gar nicht. | |
Stefan Jagsch kandidierte erstmals bei den hessischen Landtagswahlen 2008 | |
für die NPD. Der Neonazi ist bundesweit aktiv, beteiligte sich im Frühjahr | |
etwa an der NPD-Aktion „Schutzzonen“, bei der die Neonazis Streife gegen | |
angebliche Gewalt von Migranten laufen, oder demonstrierte an der Seite | |
militanter Kameraden beim „Trauermarsch“ in Dresden. Dennoch sucht er immer | |
wieder Kontakt auch in bürgerlichere Kreise, etwa bei der | |
antifeministischen „Demo für Alle“ in Wiesbaden im Oktober 2016. | |
Dem Ortsbeirat gehört er seit der Kommunalwahl im März 2016 an. Die 865 | |
Stimmen von 2016 für die NPD entsprechen 14,4 Prozent. Der Wetteraukreis | |
gehört zu den Schwerpunkten der hessischen Neonaziszene, regelmäßig finden | |
im nahegelegenen Büdingen große Parteiveranstaltungen der NPD statt. | |
Am Ortsbeirat nahm Jagsch bislang als stellvertretender Schriftführer teil. | |
Außer um Müllsammelaktionen oder Maßnahmen gegen Falschparker geht es | |
dabei eben auch um Standorte von Flüchtlingsunterkünften in dem kleinen | |
Ort. | |
2014 wurde bekannt, das Jagsch am Empfangsschalter des Jobcenters in | |
Frankfurt arbeitete, eine Kündigung wurde später vom Arbeitsgericht für | |
nichtig erklärt. Bundesweite Aufmerksamkeit erregte es, als Jagsch im März | |
2016 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt und [2][durch einen Syrer | |
erstversorgt wurde]. | |
8 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Kevin Culina | |
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