# taz.de -- Kampf gegen Plastikmüll: Gegen die Verschwendung | |
> In Japan werden jährlich 130 Millionen Schirme verkauft. Ein Start-up | |
> will das Land nun dazu erziehen, den Regenschutz mehr als einmal zu | |
> benutzen. | |
Bild: Bei Regen in Japan allgegenwärtig: Billige Regenschirme, die schnell im … | |
Tokia taz | Wenn es in Japan unerwartet regnet, laufen viele Passanten in | |
einen der allgegenwärtigen Mini-Supermärkte und kaufen sich für umgerechnet | |
4 Euro einen Schirm. Scarlett Johansson machte diese Billigware aus | |
durchsichtigem Plastik und mit weißem Haltegriff mit ihrem Auftritt im | |
Hollywood-Film „Lost in Translation“ weltweit bekannt. | |
Was der Film nicht zeigt: Die meisten Schirme halten nur ein paar Stunden | |
und enden nach dem Regenguss im Mülleimer. Die [1][Verschwendung] ist | |
dramatisch: 130 Millionen Schirme kaufen die Japaner jährlich, 80 Millionen | |
davon sind billige Plastikschirme. Sie zu recyceln ist schwierig, da ein | |
Regenschirm aus vielen verschiedenen Materialien besteht. Japan ist nach | |
den USA der weltweit zweitgrößte Plastikverbraucher. | |
Dagegen geht das [2][Start-up-Unternehmen] Nature Innovation Group nun mit | |
dem Sharingdienst iKasa vor – Kasa bedeutet Schirm auf Japanisch. Nach dem | |
Muster von Fahrrädern und E-Scootern lassen sich nun auch Regenschirme | |
teilen. Die bisher 44.000 Nutzer können auf 5.000 Schirme an 350 Standorten | |
wie U‑Bahnhöfen und Kinos in Tokio und Fukuoka zugreifen. Über den | |
japanischen Instant-Messenger-Dienst Line erhalten sie die Kombination für | |
ein Zahlenschloss, dann lässt sich der Schirm öffnen. Die Leihgebühr | |
beträgt 60 Cent am Tag, für eine Monatspauschale von 3,60 Euro darf man so | |
viele Schirme mieten, wie man will. Das Angebot wird als praktisch und | |
preisgünstig beworben. | |
Der Auftakt verlief vielversprechend: Im Juni sammelte das Start-up 250.000 | |
Euro frisches Kapital ein. Zu den Investoren gehört Japans größte | |
Eisenbahngesellschaft JR East – täglich landen zahllose in Zügen vergessene | |
Schirme in ihren Fundbüros, aber nur ein Prozent davon werden abgeholt. | |
Auch die Minisupermarktkette Lawson unterstützt iKasa und stellt den | |
eigenen Verkauf von Wegwerfschirmen infrage. | |
## Profitabel ist das Start-up noch nicht | |
„Einzelhändler entdecken nachhaltiges Wachstum und die Sharing Economy“, | |
sagte Start-up-Chef Ken Kurosu der Zeitung Nikkei. Für die meisten Japaner | |
ist der Schirm aber noch ein Einwegprodukt. Daher setzt der Service auf | |
Erziehung. Beim Anmieten muss man angeben, in welchem Zustand sich der | |
Schirm befindet und den vorigen User dafür bewerten. Mehrere negative | |
Kommentare lösen eine Mietsperre aus. | |
Dennoch weckt das Geschäftsmodell auch Zweifel. Vor zwei Jahren erlebte | |
China einen Boom für das Teilen von Alltagswaren wie Regenschirmen, aber | |
die meisten Unternehmen gingen inzwischen pleite. Auch iKasa arbeitet noch | |
nicht profitabel. Die Schirme sollen zwei bis drei Jahre lang halten und | |
kosten daher in der Herstellung angeblich über 50-mal so viel wie ein | |
Wegwerfschirm. Die Leihgebühr deckt nur die laufenden Kosten. Daher | |
vermietet iKasa die Schirme neuerdings als Werbefläche. | |
Und da gibt es noch eine andere, eine soziale Hürde für dieses Geschäft. | |
Die meisten Japaner betrachten Regenschirme nämlich als sozialisiertes | |
Allgemeingut. Man findet daher wenig dabei, sich bei einem Regenguss aus | |
einem Ständer vor Läden oder Restaurants den nächstbesten Schirm zu | |
greifen. Die Nutzer von iKasa sollten also auf ihre Leihware gut aufpassen. | |
4 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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