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# taz.de -- Sprachbarrieren an Schulen: Sprechen und zuhören lernen
> Über mangelnde Deutschkenntnisse von Schüler*innen wird wieder
> debattiert. Dabei ist die Dimension des Problems vielen nicht bewusst.
Bild: Zum Schulbeginn werden mangelnde Deutschkenntnisse wieder schmerzlich sic…
Ein großes Problem, das wir an Schulen haben, sind die unzureichenden
Deutschkenntnisse der Schüler*innen. Es ist ein Problem für Lehrer*innen,
die den Unterrichtsstoff nicht durchbringen, weil es am grundlegenden
Deutschverständnis scheitert, und die darauf in der Ausbildung nicht
ausreichend vorbereitet werden.
Vor allem aber ist es ein Problem für diese Kinder und Jugendlichen, die
sich schwertun, die richtigen Worte zu finden, sich minderwertig fühlen,
schlechte Noten bekommen, nach Bewerbungsgesprächen nicht zurückgerufen
werden und selbst merken, dass ihr Deutsch nicht den gesellschaftlichen
Anforderungen entspricht.
Der [1][CDU-Politiker Carsten Linnemann sorgte mit seiner Forderung, Kinder
ohne ausreichende Deutschkenntnisse] erst einmal nicht in die Grundschule
zu lassen, für Aufregung. Rassistisch sei der Vorschlag, er würde
Parallelgesellschaften fördern und Kinder von Migrant*innen ausschließen.
Ich wäre wohl derselben Ansicht, hätte ich im letzten Schuljahr nicht
selbst unterrichtet und davor ein Projekt an Wiener Brennpunktschulen
geleitet.
Unzählige Male wurde ich von Kindern und Jugendlichen gefragt, wieso ich im
Gegensatz zu ihnen so gut Deutsch spreche, obwohl ich, oft auch im
Gegensatz zu ihnen, nicht in Österreich geboren bin. Lange dachte ich, dass
es daran liegt, dass ich selbst ein Gymnasium und keine Hauptschule besucht
habe, bis ich vergangenes Jahr Deutsch an einem Gymnasium unterrichtet habe
und beinahe verzweifelt bin.
## Defizit als Konfliktpotential
Schülerinnen, die „der“ Mädchen sagen, nicht deklinieren können, die Zei…
falsch verwenden und, am verheerendsten, keinen dem Alter angemessenen
Wortschatz besitzen, waren in der Mehrheit. Doch es geht gar nicht um die
Deutschkenntnisse allein. Der Mangel an Ausdrucksmöglichkeiten ist oft
mitverantwortlich für Konflikte, Missverständnisse und Gewalt, denn wer
sich mit Worten nicht ausdrücken kann, weiß manchmal nicht anders zu
reagieren, vor allem in der Pubertät. Zudem ist es fast unmöglich, dem
Schulstoff zu folgen, wenn man am Deutschverständnis scheitert.
Schuld dran sind aber weder Kinder noch Eltern, das habe ich auch gelernt.
Viele sind lernwillig und geben Unsummen für Nachhilfe aus. Nur, wie sollen
sie das ausgleichen, was Wohn- und Bildungspolitik in Sachen sozialer
Durchmischung jahrzehntelang versäumt haben? Wenn Kinder schon voneinander
nur gebrochenes Deutsch lernen, bevor sie überhaupt in die Schule kommen,
die wiederum nicht genug Ressourcen hat, dagegenzuhalten?
Dabei ist diese Herausforderung nicht neu, Gastarbeiter*innen sind seit
den 60er Jahren im Land, ihre Kinder sind hier in die Schule gegangen,
jetzt sind es ihre Enkel und neue Generationen von Migrant*innen. Ganz
gleich wo man politisch steht, den Kindern ist nicht geholfen, wenn wir
ihre Deutschdefizite ignorieren. Aktuell wächst eine Generation ohne
Sprache heran, und wir hören ihr einfach nicht zu.
2 Sep 2019
## LINKS
[1] /Linnemanns-Grundschulaussage/!5616456
## AUTOREN
Melisa Erkurt
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Einschulung
Carsten Linnemann
Bildungspolitik
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