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# taz.de -- Hamburger Ausstellung „In Zukunft“: Ein Übungsraum für Kritik
> Die Soziologin Dana Giesecke und der Sozialpsychologe Harald Welzer haben
> sich mit jungen Erwachsenen unterhalten und daraus eine Ausstellung
> gemacht.
Bild: Wer oben sein will, braucht gute Argumente: Ausstellungsbesucherinnen auf…
Hamburg taz | Laut hallen Sätze über Utopien und Dystopien durch den
Ausstellungsraum in der Hamburger Fabrik der Künste. Neben dem
„Lautsprecher der Dystopie“ ein Schild: „Kritik muss Probleme benennen und
malt dabei auch mal schwarz“.
Nur schwarzzumalen, fällt leicht. Wie aber könnten positive, buntere Bilder
der Zukunft aussehen? Die Soziologin Dana Giesecke und der Sozialpsychologe
Harald Welzer, Kurator*innen der Ausstellung „In Zukunft.
Möglichkeitsräume“, haben sich dazu mit Menschen im Alter zwischen 16 und
27 Jahren aus ganz Deutschland unterhalten.
Übersetzen ließen sie die Ergebnisse der Gespräche anschließend von
Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Studierenden in
„künstlerisch-ästhetische Möglichkeitsräume“. Zum großen Teil ist die
Ausstellung dabei so etwas wie ein großer „Übungsraum für Kritik“ geword…
Lauter Geräte stehen da, entwickelt von Friedrich von Borrie, Jakob Schrenk
und Studierenden der HfbK Hamburg.
Auf einer „Streitschaukel“ etwa wippt man mit eine*r Partner*in und
diskutiert dabei – und wer das stärkere Argument hat, ist jeweils unten.
Auf der „Matte für Beweglichkeit“ kann man seine eigene Kritikhaltung
erproben, um sie anschließend auf der „harten Bank der Theorie“ zu
hinterfragen. Die „Kritikkanzel“ ist schließlich der Ort, für den man den
meisten Mut aufbringen muss: Laut artikuliert man seine Kritik vor den
anderen.
Aber nicht nur Gesellschaftskritik soll bei diesem Projekt der Stiftung
Futurzwei eingeübt werden. Auch sich selbst gilt es zu hinterfragen. Tief
blickt man sich im „Spiegel der Selbsterkenntnis“ in die Augen, bis sie
vorwurfsvoll zurückblicken. Wie viel Verantwortung trägt man selbst, dass
die Welt so ist, wie sie ist?
In einem zweiten Teil der Ausstellung laden Künstler*innen ein, sich
selbst auf die Suche nach Utopien zu machen. Peter Piller etwa zeigt auf
Fotografien aus seinem Archiv mit Aufnahmen aus der Lokalpresse Bauherren
und Politiker, die an noch leeren Orten stehen und offenbar diskutieren,
wie der Platz verwendet werden könnte. Was hier entstehen wird, bleibt der
Vorstellungskraft der Betrachter*in überlassen.
Auch die Arbeiten nebenan eröffnen Möglichkeitsräume ohne konkreter zu
werden, wie diese aussehen. Fotos von großen deutschen Thermalkraftwerken
hängen da etwa, das Kollektiv „realities:united“ schlägt in seiner Arbeit
„Fazit“ vor, die Kraftwerke künstlerisch zu nutzen: Sie sollen weit
sichtbare Zeichen in die Luft entlassen – um die gesellschaftliche und
kulturelle Transformation, die mit ihrer bevorstehenden Abschaltung
einhergeht, zu „inspirieren“. Und Regina Schmekens zeigt in ihrer
Fotoarbeit „Fukushima“ Bilder aus der Stadt Tomioka in der Sperrzone rund
um das havarierte Atomkraftwerk: Bloß Säcke voller kontaminierter
Gegenstände sind darauf zu sehen.
Rätselhaft bleiben auch die Fundstücke in Sabina Brassicaes „Fundbüro der
Zukunft“: Es sind unauffällige Dinge aus der Gegenwart. Wie würden sie wohl
im Jahr 3050, nach der erfolgreich vollzogenen Energiewende, beschrieben
werden? Zu sehen ist zum Beispiel ein kleines Metallstück einer Dose, für
das keine Erklärung gefunden wird. Vielleicht ein Schmuckstück?
## Material anders nutzen
Ein dritter Teil der Ausstellung widmet sich Möglichkeitsräumen in der
Gegenwart. Im Hof erwartet die Besucher*in ein knallgelbes Ding, das an
ein Ufo erinnert – und sich bei näherer Betrachtung als kleines Futtersilo
entpuppt. Liebevoll nennt der Architekt Jan Körbes, der andernorts schon
drei Jahre lang in einem großen Getreidesilo lebte, das gelbe Silo „Lemon
Loft“. In der Ausstellung wird es zum Teehaus, soll ein Ort der Begegnung
und des Austauschs sein. Körbes’ Botschaft ist klar: Wir sollten uns
überlegen, wie wir Material anders nutzen können.
Und schließlich macht Pablo Wendel noch ganz konkrete Vorschläge für den
Umgang mit Energie und Mobilität: Seine Photovoltaikanlage „PV Guerilla“
etwa kann man sich als mobile Solaranlage auf den Balkon stellen. Nebenan:
eine aus einer alten Mülltonne und einem E-Bike gebastelte Rikscha als
mobiler Energiespeicher.
Nachdenken und Umdenken scheint also der Schlüssel zu den
Möglichkeitsräumen der Zukunft zu sein. Der Weg in eine bessere Zukunft:
Sie beginnt im eigenen Kopf.
3 Sep 2019
## AUTOREN
Carlotta Kurth
## TAGS
taz FUTURZWEI
Ausstellung
Zukunft
Hamburg
Sozial-Ökologie
Schwerpunkt Utopie nach Corona
taz FUTURZWEI
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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