| # taz.de -- Roman über Queere in TV-Serien: Der Himmel ist für Verräter | |
| > Die Hauptfigur in Stephan Phin Spielhoffs Debütroman schreibt an einer | |
| > Serie mit queeren Protagonisten. Und scheitert daran, diese zu verkaufen. | |
| Bild: Noch immer kämpft die LGBTQ-Szene für ihre Rechte. Hier auf den Straße… | |
| Man müsse da nur noch ein paar „Kleinigkeiten“ ändern im Drehbuch von Fit… | |
| dann sei alles im Kasten, meinen Thorsten und Yvonne vom Fernsehsender. | |
| „Eine schwule Hauptfigur ist ganz einfach auf dem deutschen Markt nicht zu | |
| machen.“ Es könnte der Chefetage nämlich Kopfschmerzen bereiten, dass … ja | |
| was? Fitz fällt ihnen ins Wort: „… ihr eine Serie mit einer schwulen Sau in | |
| einer der drei Hauptrollen produzieren wollt“. Fitz kämpft mit den Tränen. | |
| „Er wundert sich über den Schmerz. Er ist so einen Scheiß nicht mehr | |
| gewöhnt.“ Die Serie, die Fitz geschrieben hat, beruht auf seinem Leben. | |
| Seinem Landleben als Teenager. Vor allem kreist sie um eine traumatische | |
| Trennung: Theo, sein Schulfreund und Geliebter, verschwand einst über | |
| Nacht. | |
| Jetzt ist Fitz Anfang 30, wohnt in Berlin mit seinem Freund Marek. Er hat | |
| seinen Job gekündigt, um die Serie zu schreiben. Eine Fantasyserie | |
| übrigens, die man sich als eine leicht grottige deutsche Version der | |
| Dämonenserie „Buffy“ denken kann, jedoch am Kotti in Kreuzberg, Berlin. | |
| Schließlich lässt sich dieser Fitz in Stephan Phin Spielhoffs Roman „Der | |
| Himmel ist für Verräter“ über den Tisch ziehen. Aus dem schwulen Daniel im | |
| Drehbuch wird eine hetero Lara. Die Serie wird ein Hit – und Fitz ein | |
| B-Promi, überfordert von Presse, Social Media und seinem Verrat an der | |
| eigenen Geschichte. Denn ihm ist natürlich klar, wie wichtig das für junge | |
| Queers eigentlich wäre: auch mal, ganz ab und zu, die selbst erlebte | |
| Gefühlswelt auf dem Bildschirm zu sehen, neben all dem heteronormativen | |
| Kram. Liebe ist Liebe? Ja, aber warum fällt es dann den Heteros so schwer, | |
| sich mit queerem Lieben zu identifizieren? Im Roman entgleitet Fitz die | |
| Kontrolle seiner Selbstdefinition, an der nun andere schreiben, auch in der | |
| Gegenwart. | |
| Stephan Phin Spielhoff, Jahrgang 1983, hat Philosophie studiert und in | |
| einem Pornoladen gearbeitet, heißt es in der Vita seines Verlags. Das passt | |
| zu seinem Debütroman: Geistesblitz trifft geilen Fick. Spielhoffs Sprache | |
| ist unprätentiös schlicht, mit ein paar Anglizismen zu viel vielleicht; ab | |
| und an (für einen Drogentrip etwa) sabotiert er verspielt die Grenzen der | |
| Grammatik mit Gedankenströmen. Besonders spannungsvoll ist die | |
| Konstruktion, wie der Roman selbst das Unsichtbarmachen und das | |
| Unsichtbargemachte sehr sichtbar macht, aber ohne zu idealisieren: Denn | |
| anders als die Zuschauer*innen seiner Serie bekommen wir als Leser*innen | |
| die schwulen Episoden seiner Vergangenheit und Gegenwart geschildert. | |
| Dabei ist Fitz ein Typ, den man nicht besonders mögen muss: Er kann | |
| narzisstisch, egozentrisch, egoistisch sein. Er ist kein charmanter, | |
| glatter Posterprinz, sondern ein lebensechter Mensch. | |
| Spielhoffs Roman kommt zu einer Zeit, da man sich tatsächlich endlich | |
| fragen muss: Wo sind sie, die jungen queeren Figuren in deutschen Serien? | |
| In England gibt es sie in [1][„Sex Education“], in Spanien in „Élite“,… | |
| den USA in „Stranger Things“ (wenn auch erst in Staffel 3). Es muss wohl | |
| wirklich an den Gatekeeper*innen, den kulturkonservativen | |
| TV-Redakteur*innen liegen, die wie am Fließband aus schwulen Daniels lieber | |
| hetero Laras machen. | |
| Die Romanszenen, in denen Spielhoff neckisch schildert, wie sehr deutsche | |
| TV-Redaktionen auf Nummer supersicher gehen, sind gerade deshalb so gut, | |
| weil sie vieles entlarvend auf die Spitze treiben, ohne plump zu | |
| karikieren: Zu Sandra, der Showrunnerin, die die Drehbücher von Fitz | |
| mainstreamtauglich transformiert, entwickelt sich eine aufrichtige enge | |
| Freundschaft. Insgesamt ist dieses Debüt ein erfrischender Pageturner, der | |
| mit seinen 232 Seiten, auf denen Tränen und flaschenweise Wein fließen, | |
| amüsiert, berührt und auch zur überfälligen Debatte verführt. | |
| 15 Aug 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Hochgesand | |
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