# taz.de -- Start in die Klassiksaison: Die Neunte und auch Neues | |
> Die Berliner Philharmoniker und ihr neuer Chefdirigent laden am Samstag | |
> mit Beethoven ans Brandenburger Tor, das Musikfest gibt sich wieder bunt. | |
Bild: Bereit, nicht nur für die Neunte: die Berliner Philharmoniker ganz bei s… | |
An Beethoven kommt man im klassischen Betrieb sowieso nicht vorbei, da kann | |
man den doch gleich mal an den Anfang stellen. Wobei es Kirill Petrenko | |
kaum um ein Abhaken geht und wohl auch nicht um die sichere Bank, die mit | |
Beethoven halt gleichfalls aufgestellt werden kann fürs Publikum, wenn der | |
neue Chefdirigent der Berliner Philharmoniker zu seinem Amtsantritt | |
Beethoven aufs Programm setzt. Die Neunte. Am Brandenburger Tor ist sie | |
heute am Samstag bei einem Open-Air-Konzert zu hören. | |
Und das ist für Petrenko schon ein Bekenntnis und kein Pflichtprogramm, | |
schließlich gilt ihm die 9. Sinfonie Beethovens allemal als eine in Musik | |
gepackte Gesamtschau. „Sie enthält all das“, sagt er, „was uns Menschen | |
auszeichnet, im Positiven wie im Negativen.“ | |
Diese Zusammenfassung des Menschlichen können sich dann auch ziemlich viele | |
zu Gemüte führen bei dem Kennlernprogramm mit dem neuen Dirigenten der | |
Philharmoniker. 32.000 Besucher dürfen ihr Plätzchen finden am Samstag vor | |
dem Tor. | |
## Kombinationen, Konfrontationen | |
Mit einer ähnlichen Zahl an Besuchern rechnet man auch beim nächsten | |
Freitag startenden Musikfest Berlin. Oder noch mit ein paar Menschen mehr. | |
Jedenfalls fanden sich bei der letztjährigen Ausgabe des immer am Anfang | |
der Klassiksaison stehenden Festivals rund 34.000 Besucher ein. Und | |
Beethoven gibt es gleichfalls zu hören beim Musikfest. Die | |
Hammerklaviersonate etwa, gespielt vom französischen Pianisten | |
Pierre-Laurent Aimard, der bei seinem Gastspiel am 6. September dazu ein | |
Stück von Helmut Lachenmann spielt. Ein bedeutender Unterschied zwischen | |
diesen beiden Komponisten, Beethoven und Lachenmann, ist ja der, dass | |
letzterer schlicht noch ganz lebendig ist. | |
Diese Kombinationen – oder auch Konfrontationen – vom, wenn man so will, | |
gut abgehangenen Backprogramm des klassischen Repertoires mit mindestens | |
modernen oder gleich richtig gegenwärtigen Einlassungen sind eine der | |
Besonderheiten des Musikfests. Vor allem will es aber die Gelegenheiten | |
bieten, Orchester, Ensembles und Solisten zu erleben, die in der Champions | |
League des Klassikbetriebs spielen. | |
Ein Schwerpunkt gilt in diesem Jahr dem Schaffen von Hector Berlioz, dem | |
1869 und damit vor erinnerungswürdigen 150 Jahren verstorbenen und der | |
Romantik zugeschlagenen französischen Komponisten. Schwerpunktmäßig gibt es | |
dazu aber eben auch die Musik von Louis Andriessen zu hören, dem | |
niederländischen Komponisten, der sich von Jazz, Strawinski, Minimal Music | |
und besonders von den politischen Umständen anregen lässt bei seiner | |
Arbeit. Andriessen konnte gerade seinen 80. Geburtstag feiern. | |
## Ein Wiedersehen mit Simon Rattle | |
Ansonsten kann man sich beim Blick in das Musikfest-Programm mit seinen 26 | |
Veranstaltungen vom 30. August bis 19. September in den Sälen der | |
Philharmonie und dem Konzerthaus am Gendarmenmarkt wieder mal hübsch | |
verzetteln. Da findet sich Barockes und die Science-Fiction-taugliche Musik | |
von Iannis Xenakis, es gibt klassisches japanisches No-Theater zu erleben | |
und mit Wu Wei die Sheng, die chinesische Mundorgel, zu hören (aber | |
natürlich bleibt die Geige weiterhin das Leitinstrument beim Musikfest). | |
Auch die Langstrecke wird bespielt mit einem 9-Stunden-Programm, bei dem | |
Abel Gances monumentaler Stummfilm „La Roue“ als Welturaufführung der | |
rekonstruierten und restaurierten Film- und Musikfassung (mit der Musik von | |
Arthur Honegger und Paul Fosse) zu hören und zu sehen ist. | |
Außerdem gibt es beim Musikfest noch ein Wiedersehen mit Sir Simon Rattle. | |
Der Vorgänger von Kirill Petrenko tritt am 11. September zum ersten Mal mit | |
dem London Symphony Orchestra an seiner alten Arbeitsstätte in der | |
Philharmonie an. | |
Einen neuen Chefdirigenten gilt es auch beim Konzerthausorchester zu | |
begrüßen, Christoph Eschenbach, der am 30. August mit Mahler in die neue | |
Konzerthaussaison startet. Zwei Tage später darf man den neuen Dirigenten | |
bei einem Willkommenstag noch etwas näher kennenlernen, gespielt wird unter | |
anderem Brahms und Dvořák. In der Beethoven-Wertung muss man im | |
Konzerthaus dann allerdings immerhin bis zum 3. September warten, bis er | |
dort mal (mit seinem sogenannten Geistertrio) auf dem Programm steht. | |
Und wenn dann der große Bonner im nächsten Jahr seinen 250. Geburtstag | |
feiert, gibt es eh kein Entkommen von Beethoven mehr. | |
23 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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