# taz.de -- Sinti-und-Roma-Vertreter über Auschwitz: „Geschichte wird verleu… | |
> Vor 75 Jahren ermordeten die Nazis die letzten Sinti und Roma in | |
> Auschwitz. Emran Elmazi ist mit 500 Jugendlichen zur Gedenkfeier | |
> angereist. | |
Bild: Viele von den Nazis ermordete Sinti und Roma in Berlin starben in Auschwi… | |
taz: Herr Elmazi, Sie gedenken an diesem Freitag in der Gedenkstätte des KZ | |
Auschwitz-Birkenau des Völkermords an den Sinti und Roma durch die | |
[1][Nationalsozialisten]. Welche Bedeutung hat dieser Tag im Jahr 2019? | |
Emran Elmazi: Es ist nicht nur für uns Sinti und Roma wichtig, an diesen | |
Tag zu erinnern, sondern für die ganze Gesellschaft. Wie stark eine | |
Demokratie ist, hängt auch davon ab, wie sie mit ihrer Erinnerung umgeht. | |
Wenn wir über den 2. August sprechen, sprechen wir auch über die Zeit | |
davor. Darüber, wie es überhaupt dazu kam. | |
Inwiefern? | |
Am 2. August 1944 lösten die Nazis das sogenannte Zigeunerlager auf. In der | |
folgenden Nacht ermordeten sie die letzten Sinti und Roma im Lager, rund | |
4.300 Menschen, darunter viele Jugendliche. Wir sind dieses Jahr mit 500 | |
Jugendlichen nach Auschwitz gereist, junge Sinti und Roma werden die Namen | |
derjenigen vorlesen, die damals ermordet wurden. Wir wollen an das | |
Geschehene erinnern, aber auch auf die Herausforderungen aufmerksam machen, | |
die sich unserer Gesellschaft heute stellen. | |
Welche sind das? | |
Geschichte wird verleugnet. Nationalismus wird stärker und Aussagen, die | |
vorher unmöglich waren, werden zur gesellschaftlichen Realität. Damit ist | |
Deutschland nicht alleine: Auch in anderen europäischen Ländern werden | |
nationalistische Ideen wieder stärker und Minderheiten an den Rand | |
gedrängt. Bei der Gedenkveranstaltung ist Nadir Dedić anwesend, der das KZ | |
Jasenovac in Kroatien überlebt hat. Er ist seit Jahren obdachlos. Zuflucht | |
hat er in einer Unterkunft des Roten Kreuzes in Zagreb gefunden. Wie kann | |
das sein? | |
Was muss passieren? | |
Unsere Demokratie muss wehrhaft bleiben. Ich will nicht einzelne | |
Verantwortliche benennen. Wir müssen alle den Finger in die Wunde legen und | |
Dinge benennen, die weh tun: den Rechtsruck etwa. Da reden wir in | |
Deutschland natürlich über die AfD, aber eben nicht nur. Das gesamte | |
politische Spektrum rückt momentan nach rechts. | |
[2][Antiziganistische Straftaten] haben der Statistik zufolge stark | |
zugenommen … | |
Wir kennen nur einen Bruchteil der Fälle. Antiziganistische Straftaten | |
werden erst seit 2017 gesondert erfasst. Viele schwere Vorfälle finden nie | |
ihren Weg in die Öffentlichkeit. | |
Warum ist das so? | |
Die Frage ist: Was geht überhaupt als „antiziganistisch“ in die Statistik | |
ein, und was allgemeiner als „fremdenfeindlich“? Die Kenntnisse in den | |
Behörden sind da noch nicht ausreichend. Zu oft bedingt noch der Zufall, | |
wie ein Fall eingestuft wird. | |
Sehen Sie auch positive Entwicklungen? | |
Ich sehe Bestrebungen, die in die richtige Richtung weisen. Das | |
Bundesprogramm „Demokratie leben!“ etwa erwähnt Antiziganismus explizit als | |
einen seiner Schwerpunkte. Das gibt dem Kampf dagegen Gewicht. Genauso | |
begrüßenswert ist die Expertenkommission Antiziganismus, die der Bundestag | |
eingesetzt hat. Wichtig ist aber, dass das fortgeführt wird, um Stillstand | |
zu vermeiden. Ich sehe auch viel zivilgesellschaftliches Engagement, sich | |
Antiziganismus entgegenzustellen. | |
Es tut sich also auch etwas. | |
Ja, aber diese Stimmen bekommen zu wenig Gewicht. Eine Demonstration für | |
gesellschaftliches Miteinander bekommt weniger Widerhall als eine | |
Demonstration der AfD oder der NPD. Und auch negative Berichterstattung | |
über Sinti und Roma bekommt mehr Raum als positive. | |
Wie sieht das aus? | |
Meist geht es um Diebstahl, Migration und Armut. Das wird den Sinti und | |
Roma in Deutschland und Europa aber nicht gerecht. Natürlich gibt es Armut, | |
aber es gibt auch die, die nicht arm sind. Es gibt Menschen, die arbeitslos | |
sind und die, die Arbeit haben. Es gibt unter uns Ungebildete und | |
Akademiker. Diese Diversität schafft es aber nicht in die öffentliche | |
Wahrnehmung. | |
2 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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