| # taz.de -- Historiker über Waffenexporte: „Kriege werden verschärft“ | |
| > Der Rüstungskonzern Rheinmetall produziert Waffen in Unterlüß in der | |
| > Südheide. Der Historiker Reinhard Rohde wirft dem Unternehmen | |
| > Waffenexporte vor. | |
| Bild: Zwei „Puma“ auf dem Waffentestgelände von Rheinmetall in Unterlüß … | |
| taz: Herr Rohde, was stört Sie an den Panzern auf dem Rheinmetall-Gelände | |
| in Unterlüß? | |
| Reinhard Rohde: Uns stört, dass dort Kriegswaffen hergestellt werden. Und | |
| dass sie in Länder exportiert werden, die sich, wie zum Beispiel | |
| Saudi-Arabien, im Krieg mit Jemen befinden, oder in die Türkei, die im | |
| letzten Jahr einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Afrin in | |
| Nordsyrien geführt hat. Konflikte und Kriege werden durch Waffenexporte | |
| nicht verhindert, sondern verschärft. | |
| Wie kommt es, dass so wenige dagegen protestieren? | |
| Eigentlich ist es so, dass Proteste gegen deutsche Rüstungskonzerne | |
| zunehmen und immer mehr öffentliche Beachtung finden. Initiativen aus | |
| unterschiedlichen Regionen Deutschlands sind schon dabei. Kassel, | |
| Düsseldorf, Stuttgart, Berlin, aber es fokussiert sich eben. Hier hat | |
| Rheinmetall einen seiner größeren Produktionsstandorte. | |
| Was genau ist Ihre Rolle – Sie klären nur auf oder protestieren auch mit? | |
| Ich bin Teil des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“, das sich vor einem | |
| Jahr schon zusammengefunden hatte, um in Unterlüß das Friedenscamp und die | |
| Demonstration zu machen, und nachdem das vergleichsweise erfolgreich war, | |
| hat das Bündnis beschlossen, es dieses Jahr zu wiederholen. | |
| Inwiefern war es letztes Jahr erfolgreich? Gab es eine Reaktion von | |
| Rheinmetall? | |
| Der Erfolg misst sich in sozialen Bewegungen ja daran, dass Initiativen und | |
| Gruppierungen mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichem | |
| Hintergrund sich bündnisfähig zeigen, um einen Protest herzustellen. Das | |
| ist uns eigentlich gut gelungen. Rheinmetall selbst fährt aktuell eine | |
| Strategie des Nicht-zur-Kenntnis-Nehmens. Sie beschweigen unsere Aktion. | |
| Wenn es letztes Jahr keine Reaktion von Rheinmetall gab, denken Sie nicht, | |
| dass es dieses Jahr wieder so sein wird? | |
| Ja, aber wir wollen ja sowieso nicht, dass sich der Rheinmetall-Chef ins | |
| Camp begibt und anfängt, mit uns zu diskutieren. Das ist nicht Ziel der | |
| Sache. Ziel ist, mit den Leuten, die dabei sind, und den Aktionen, die man | |
| macht, Diskussion anzustoßen. Dass Rheinmetall weiterhin Waffen produzieren | |
| will, das werden wir nicht ändern können. Das ist keine Frage von unseren | |
| Überredungskünsten, sondern die Künste müssten darin bestehen, in der | |
| Gesellschaft die Kräfte, die gegen Krieg sind, so zu stärken, dass etwa die | |
| nächste Bundesregierung Rüstungsexportrichtlinien dahingehend verschärft, | |
| dass bestimmte Geschäfte, die Rheinmetall macht, nicht mehr möglich sind. | |
| Rheinmetall soll auf lange Sicht gesehen entwaffnet werden. | |
| Was genau läuft denn auf diesem Gelände ab? | |
| Der Standort Unterlüß besteht dort, mit Unterbrechungen der kurzen | |
| Nachkriegszeiten, seit über 100 Jahren. Die Schießanlage dort ist das | |
| größte private Test- und Versuchsgelände in Deutschland. Zum anderen ist es | |
| eine Produktionsstätte, wo zum Beispiel Kettenfahrzeuge wie der „Marder“ | |
| oder das Kanonenrohr des Leopard-Panzers hergestellt werden. | |
| Wie bekommt man das Geschehen auf dem Gelände als Anwohner mit? | |
| In der Region verursacht es Lärm. Aber es ist ja so, dass Rheinmetall der | |
| größte Arbeitgeber vor Ort ist, der auch dafür sorgt, dass Gewerbesteuer | |
| fließt. Im Unterschied zum Rest der deutschen Bevölkerung wird man hier | |
| keine Zweidrittel-Quote haben von Menschen, die dagegen sind, Rüstung zu | |
| exportieren. | |
| Was ist mit all den Leuten, die ihren Job verlieren würden, wenn es | |
| schärfere Richtlinien gäbe? | |
| Unser Interesse ist ja nicht, dass Leute arbeitslos werden, sondern die | |
| Politik zu ändern. Rheinmetall hat ja auch eine große Automobilsparte und | |
| könnte sich auf eine Umstellung der Produktion vergleichsweise problemlos | |
| einlassen. | |
| Also, dass die Arbeitnehmer einfach umgeschult werden? | |
| Ja, das ist in Unterlüß ja schon zwei Mal passiert, dass sie nach den | |
| Kriegen keine Rüstung mehr produzieren durften. Was haben sie gemacht? Sie | |
| haben Schreibmaschinen oder Fotoapparate hergestellt. Ich will nicht sagen, | |
| dass das jetzt neue Renner werden könnten. Aber das sind natürlich | |
| Hightech-Arbeitsplätze in Unterlüß. Das sind gut ausgebildete Leute, die | |
| von heute auf morgen im Bereich regenerative Energien oder Elektromobilität | |
| arbeiten könnten. Das ist nicht deren Problem. | |
| Wer kommt da zusammen, um zu protestieren? | |
| Es ist ein im Kern norddeutsches Bündnis mit Ausläufern nach Berlin, | |
| Kassel, Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart. Es ist also keine lokale | |
| Veranstaltung, sondern überregional. | |
| Wie läuft das Camp ab? | |
| Der Startschuss ist Sonntag. Dann wird aufgebaut: Zelte, Toiletten, Küche. | |
| Danach gibt es für die nächsten sieben bis acht Tage unterschiedliche | |
| Workshops, Vorträge und Kulturveranstaltungen. Freitag soll es eine | |
| Blockade geben, Samstag findet dann die Demonstration statt. Wir hoffen, | |
| dass die Menschen zusammenkommen, die Infoangebote wahrnehmen und es zu | |
| Aktionen kommt. | |
| 13 Aug 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Carlotta Kurth | |
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