# taz.de -- AktivistInnen blockieren Rheinmetall: „Heute keine Waffen“ | |
> In Unterlüß haben hunderte Menschen die Zufahrten eines Kriegswaffenwerks | |
> von Rheinmetall blockiert. Die Firma steht wegen Exporten in der Kritik. | |
Bild: „Puma“-Schützenpanzer auf dem Gelände von Rheinmetall in Unterlüß… | |
UNTERLÜß taz | Mehrere hundert Menschen haben sich am Donnerstag und | |
Freitag an Blockaden eines Kriegswaffenwerks beteiligt, das vom | |
Rüstungsunternehmen und Autozulieferer Rheinmetall betrieben wird. Am | |
Freitag blockierten zwischen 200 und 300 Aktivist*innen ab etwa fünf Uhr | |
morgens Straßen und Wege rund um das Werk in Niedersachsen. | |
„Das Ziel ist, Rheinmetall zu blockieren, indem wir den Schichtwechsel | |
verhindern: Heute sollen keine Waffen produziert werden“, sagte eine | |
Aktivistin, die sich Jaque nennt. Sie ist Teil der Gruppe, die die | |
Hauptzufahrt zum Werk blockiert hat. „Wir fordern eine Umstellung auf | |
zivile Produktion.“ | |
Die Blockaden gingen aus vom Camp „Rheinmetall entwaffnen“. Es findet eine | |
Woche lang im niedersächsischen Unterlüß statt, dem Sitz von Rheinmetall | |
Waffe und Munition (RWM). Rheinmetall ist das größte Rüstungsunternehmen | |
Deutschlands: [1][2018 hat es 6,15 Milliarden Euro Umsatz gemacht], davon | |
mehr als die Hälfte in der Militärsparte. In Unterlüß betreibt es unter | |
anderem den größten privaten Schießplatz Europas. | |
Das Unternehmen nutze die Strukturschwäche des Ortes aus, sagt Jaque. „Wir | |
sehen die Hauptschuld nicht bei den Menschen, die hier arbeiten. Wir sehen | |
die Schuld bei Rheinmetall: Sie profitieren davon, dass die Leute kaum | |
einen anderen Arbeitsplatz finden. Das gleiche machen sie auf Sardinien und | |
in Südafrika.“ | |
## Tricks mit Tochterfirmen | |
In Deutschland ist es eigentlich politischer wie rechtlicher Grundsatz, | |
Rüstungsunternehmen den Verkauf von Kriegswaffen an Länder nicht zu | |
genehmigen, die sich in bewaffneten Auseinandersetzungen befinden oder | |
darauf zu bewegen. Aus internen Dokumenten ist bekannt, dass | |
Rheinmetall-Vorstand Armin Papperger das Unternehmen möglichst unabhängig | |
von solchen Vorgaben machen will. | |
Auf Sardinien beispielsweise betreibt eine hundertprozentige Tochter der | |
RWM – die RWM Italia – eine Bombenfabrik bei Domus Novas, einem Gebiet mit | |
hoher Arbeitslosigkeit. Über die RWM Italia sind laut Berichten der ARD | |
unter anderem 1.000 bis 1.500 Bomben pro Monat an Saudi-Arabien geliefert | |
worden. Saudi-Arabien ist Kriegspartei im Jemen-Krieg und setzte dort | |
Bomben aus Sardinien ein. | |
In Südafrika ist Rheinmetall ein Joint Venture mit dem Staatskonzern Denel | |
eingegangen. Die Rheinmetall Denel Munition (RDM) produziert in Sommerset | |
West, einem Ort mit hoher Arbeitslosigkeit. An Schulen vor Ort verschenkt | |
das Unternehmen Chemiebaukästen. RDM exportiert „schlüsselfertige | |
Anlagenlösungen“: ganze Munitions- und Bombenfabriken. Die Käuferländer | |
hält das Unternehmen geheim, doch inzwischen sind Saudi-Arabien, die | |
Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten bekannt. Alle drei beteiligen | |
sich am Jemenkrieg. | |
## Rundum blockiert | |
Während in Unterlüß am Freitag Jaque und etwa 100 andere Aktivist*innen | |
quer auf der Hauptzufahrt des RWM-Werks saßen, blockierten andere Gruppen | |
Parallelstraßen, Felder, Kleingärten: Wo auch immer | |
Rheinmetall-Mitarbeiter*innen versuchten, zu Fuß oder mit dem Rad doch | |
irgendwie zur Arbeit zu kommen. | |
Ein Aktivist, der sich Otto nennt, beteiligte sich an einer kleinen | |
Blockade auf einem Waldweg, direkt am Werkszaun. „Ich denke, als Bürger der | |
Bundesrepublik Deutschland habe ich eine politische Verantwortung dafür, | |
was passiert und was gemacht wird“, sagte er. „Wenn hier Kugeln gegossen | |
werden, die dann in den Köpfen von Zivilisten landen, frage ich mich, was | |
ich tun kann, um einen Gegenpol zu setzen.“ | |
Die Polizei war bei „Rheinmetall entwaffnen“ mit wenigen Kräften vor Ort. | |
Am Freitag räumte sie lediglich eine der Blockaden, um einer Autokolonne | |
von Rheinmetall-Mitarbeiter*innen zu ermöglichen, das Werksgelände zu | |
verlassen. Augenzeug*innen schildern, ein Mitarbeiter habe dabei einen | |
Polizisten und einen Aktivisten angefahren. | |
## Mitarbeiter im Home Office | |
Geheim war die Aktion von „Rheinmetall Entwaffnen“ nicht: Sie war online | |
angekündigt worden. „Wir haben uns entsprechend auf die Störungen | |
eingestellt, indem wir mit Lieferanten zum Beispiel andere Termine | |
vereinbart oder wichtige Auslieferungen vorgezogen haben“, sagte | |
Rheinmetall-Sprecher Hoffmann. „Manche Mitarbeiter arbeiten heute im Home | |
Office, andere haben sich einen Tag frei genommen.“ Auswirkungen habe die | |
Blockade gehabt – aber Produktionsausfälle habe es nicht gegeben. | |
„Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein und im Prinzip bringt es nichts“, | |
sagte Aktivist Otto. „Aber es ist wichtig, gemeinsam kleinere Ziele zu | |
erreichen. Den Produktionsablauf ein bisschen zu behindern. Menschen, die | |
von uns in der Zeitung lesen, wissen, dass uns gibt und dass wir das nicht | |
möchten.“ Die Blockade des Werks hielten die Aktivist*innen bis etwa 16 Uhr | |
aufrecht – wie zuvor angekündigt. Dann zogen sie als Demo zurück in ihr | |
Camp. | |
7 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Proteste-gegen-Waffenexporte/!5598687 | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
## TAGS | |
Rheinmetall | |
Blockade | |
Friedensbewegung | |
Rüstungsexporte | |
Aktivismus | |
Waffenexporte | |
Rüstungskonzern | |
Rheinmetall | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Historiker über Waffenexporte: „Kriege werden verschärft“ | |
Der Rüstungskonzern Rheinmetall produziert Waffen in Unterlüß in der | |
Südheide. Der Historiker Reinhard Rohde wirft dem Unternehmen Waffenexporte | |
vor. | |
Proteste gegen Waffenexporte: Aktionäre stören Rheinmetall | |
AktivistInnen kaufen Aktien als Türöffner und protestieren auf der | |
Hauptversammlung des Rüstungskonzerns. Dann stürmen sie das Podium. | |
Gericht erlaubt Übernachtung: Pyjama-Party im Aktionscamp | |
Das Verwaltungsgericht erlaubt Schlafzelte im Aktionscamp gegen | |
Waffenhersteller „Rheinmetall“. Der Landkreis Celle wollte Übernachtungen | |
verbieten. |