# taz.de -- Nachruf auf Choreograph Johann Kresnik: Der Mann mit dem Beil | |
> Der österreichische Choreograph, Tänzer und Regisseur Johann Kresnik ist | |
> gestorben. Er galt als Pionier des modernen Tanztheaters. | |
Bild: Johann Kresnik, hier 2004, verstarb im Alter von 79 Jahren in Klagenfurt | |
„Wenn ich Regie mache, habe ich immer etwas in der Hand, und komischerweise | |
ist es oft ein Beil. (…) Ich glaube, dass es mir bei der Arbeit hilft, | |
indem ich so ein Gefühl von Macht habe, etwas abhauen zu können.“ Der Mann | |
mit dem Beil hatte viel abzuschlagen. Den [1][Tänzern] die Lust, klassisch | |
tanzen zu wollen. Dem Ballett den Ruf, unpolitisch zu sein. Den Theatern | |
das Primat der Sprache, bei ihm reden die Körper. | |
Auf dem [2][Impulstanzfestival] in Wien wurde ihm kürzlich das Goldene | |
Verdienstzeichen des Landes Wien verliehen: Er sei „ein Berserker mit | |
Aggressionslust und blutendem Herzen zugleich“, hieß es in der Laudatio. Am | |
Samstag ist Johann Kresnik im Alter von 80 Jahren gestorben. | |
Kresnik wuchs als Bauernsohn in Kärnten auf, „wie im Mittelalter“, wie er | |
schrieb. Seine Kindheit fiel in den Zweiten Weltkrieg. „Wenn ein Bauer zu | |
den Soldaten von Hitler ging, kamen die Partisanen und haben ihn | |
umgebracht. Ging einer zu den Partisanen, kamen die Nazi und haben alle ins | |
KZ gebracht.“ Er erlebte, wie sein Vater von Partisanen erschossen wurde. | |
Etwas von diesem Krieg schien gegenwärtig in seinen Inszenierungen. | |
In Bremen wurde mit ihm das deutsche Tanztheater geboren, das sich | |
politisch sogleich positionierte, über das Attentat auf Rudi Dutschke | |
erzählte. In den zehn Jahren (1968–1978), in denen er das dortige | |
Tanztheater leitete, war „Ballett kann kämpfen“ seine Parole. Stoffe und | |
Formen waren ein Agitprop-Angriff aufs Ballett, sozialkritisch motiviert, | |
genährt von psychoanalytischen Kategorien. | |
## Er wollte wissen, wie Kranke in der Irrenanstalt gehalten werden | |
Kresnik besuchte oft Irrenanstalten, er wollte wissen, wie die Kranken | |
gehalten werden, ihre Qual findet sich in seinen Bildern. Er griff | |
Hierarchien an, wo er nur konnte, der Führerverdacht kam immer um die | |
nächste Ecke marschiert. Er legte sich in seinen Bildern mit der Kirche an | |
und nutzte zugleich ihre Zeichen und Rituale. | |
Als Matthias Lilienthal ihn kurz nach 1989 an die Volksbühne holte, war | |
eine der ersten Ideen: „Was würde passieren, wenn der letzte bekennende | |
Kommunist auf die zerschlagene Ideologie der DDR trifft?“ Zielsicher | |
äußerte Kresnik Sympathien mit arbeitslosen Jugendlichen, die im Prenzlauer | |
Berg Häuser anzünden und sah: „Wenn Politiker jetzt nicht handeln und die | |
rechtsradikalen Parteien verbieten, haben wir im Jahr 2000 den Faschismus.“ | |
1985 widmete er Sylvia Plath ein Stück und griff seitdem viele Biografien | |
als Vorlage seiner Inszenierungen auf, es ging um Ulrike Meinhof, Frida | |
Kahlo, Rosa Luxemburg, Friedrich Nietzsche, Goya, Pasolini. Immer um das | |
Grenzüberschreitende gegen die Konvention zu verteidigen. Das war manchmal | |
auch plakativ, Kresnik arbeitete auch am eigenen Mythos als Widerständler. | |
Dennoch hat sein Tanztheater auch die Sprache des Theaters verändert, dem | |
Körper, dem Blut und dem Schweiß zu größerer Sichtbarkeit verholfen. | |
28 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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