| # taz.de -- Dorf wehrt sich gegen Kohlebagger: Pödelwitz will nicht weichen | |
| > 700 Jahre alt ist das Dorf, nun ist der Braunkohle-Tagebau ganz nah | |
| > herangerückt. Die letzten Bewohner*innen laden erneut das Klimacamp zu | |
| > sich ein. | |
| Bild: Klimacamp in Pödelwitz: Die Protestler*innen haben neben ihren Zelten mi… | |
| Pödelwitz taz | Ein Banner begrüßt alle Neuankommenden. „Klimacamp | |
| Leipziger Land“ steht dort braunrot auf weiß. In dem sonst beinahe | |
| verlassenen sächsischen Dorf Pödelwitz herrscht in dieser Woche Leben. Ein | |
| buntes Leben: blaue, grüne, weiße Zelte zwischen leerstehenden Häusern, | |
| selbstgezimmerte Komposttoiletten, solarbetriebene Duschen mit recycelten | |
| Vorhängen aus alten Werbebannern, Holz- und Pappschilder mit Sprüchen wie | |
| „Bagger mich nicht an“ oder „Zukunft statt Braunkohle“: | |
| Die meisten Bewohner*innen haben ihre Häuser an den Mitteldeutschen | |
| Braunkohlekonzern Mibrag verkauft. Obwohl die Kohle unter Pödelwitz wohl im | |
| Boden bleiben muss, soll das 700 Jahre alte Dorf am Rande des Tagebaus | |
| Vereinigte Schleenhain abgebaggert werden. Nur knapp 30 Menschen wohnen | |
| hier noch. Aber die wollen auch hier bleiben. | |
| Deshalb haben sie zum zweiten Mal das Klimacamp Leipziger Land zu sich | |
| eingeladen. Die Pödelwitzer*innen stellen ihre Gärten zum Campen zur | |
| Verfügung, auf dem kleinen Marktplatz werden Crêpes verkauft und auf einer | |
| an das Dorf angrenzenden Wiese sind große Zelte für Workshops und Vorträge | |
| aufgebaut. Hunderte Klimaaktivist*innen sind gekommen, im Lauf der Woche | |
| sollen es um die 1.000 werden. | |
| Jens Hausner ist einer der wenigen Menschen, die noch ständig in Pödelwitz | |
| wohnen. Er ist auf dem Klimacamp unterwegs, besucht Plena, hält Vorträge. | |
| „Der Kohlekonzern Mibrag hat 2008/2009 im Dorf Angst vor Lärm und Staub | |
| verbreitet und damit erreicht, dass sich viele Pödelwitzer*innen mit guten | |
| Angeboten haben rauskaufen lassen“, sagt er. | |
| ## Nicht länger im stillen Kämmerlein sitzen | |
| Für Hausner selbst war von Anfang an klar, dass er seine Heimat nicht | |
| aufgeben will. Gemeinsam mit anderen Dorfbewohner*innen hat er sich im | |
| Bündnis „Pro Pödelwitz“ organisiert. Sie haben sich an die Politik | |
| gewendet, mit anderen Bündnissen und Initiativen solidarisiert, Klagen | |
| eingereicht. Besonders viel Kraft stecken sie in die Öffentlichkeitsarbeit: | |
| Sie gehen in Schulen und berichten dort über den Braunkohleabbau und die | |
| Auseinandersetzung, „Pro Pödelwitz“ bietet Informationsveranstaltungen zum | |
| Ort an. | |
| Das sei ziemlich viel Arbeit, aber notwendig meint Hausner. Es stimme | |
| schon: „Wir haben diesen Planeten nur von den nachfolgenden Generationen | |
| geborgt.“ Ihm selbst war die Natur und ihr Schutz schon früh wichtig, | |
| deshalb sei er auch Landwirt geworden. | |
| Stark politisiert hätten sich die meisten Pödelwitzer*innen aber erst mit | |
| der Drohung des Braunkohlekonzerns, dass das Dorf weichen müsse. „Man kann | |
| sich nicht ins stille Kämmerlein setzten und schimpfen. Jeder hat die | |
| Möglichkeit, aktiv mitzugestalten – und das mache ich“, sagt Hausner. Seit | |
| 2014 ist er parteipolitisch aktiv und sitzt für die Grünen im Stadtrat. | |
| ## „Wir sind ein Camp und kein Festival“ | |
| In dem deutschlandweiten Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ organisieren sich | |
| Betroffene aus Braunkohlerevieren. Auch viele von ihnen treffen sich hier, | |
| um Strategien zu diskutieren. In Nordrhein-Westfalen etwa ist der Tagebau | |
| Garzweiler II nah an Holzweiler herangerückt, deshalb ist auch Antje Pistel | |
| von der Interessengemeinschaft „Perspektive für Holzweiler“ dabei. Sie ist | |
| optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass alle Dörfer bleiben.“ Es gehe nun | |
| um Planungssicherheit und darum, die Dörfer lebenswert zu gestalten. | |
| Bei weitem nicht alle Besucher*innen des Klimacamps sind feste Mitglieder | |
| bei Umweltbündnissen oder Teil von Initiativen. Vera kommt aus Berlin. Auf | |
| ihrem T-Shirt steht „Erdenbewohner*in“, sie ist zum ersten Mal bei einem | |
| Klimacamp. „Ich hoffe, bei coolen Workshops etwas dazulernen zu können“, | |
| sagt sie. | |
| Man hört Englisch, Spanisch, Französisch, Kleinkinder krabbeln über die | |
| Wiese und zwei junge Männer spielen Boccia. „Wir sind ein Camp und kein | |
| Festival – das ist wichtig“, sagt Julian aus dem Orga-Team. Zwar gibt es | |
| abends Musik, aber der Fokus liege auf umweltpolitischem Konsens. | |
| 5 Aug 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Linda Peikert | |
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