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# taz.de -- Letzter Baggerbesetzer frei: Lecker veganes Essen in der U-Haft
> Nach 16-tägiger U-Haft ist „Merle“ wieder auf freiem Fuß. Er hatte mit
> neun anderen AktivistInnen in Schleenhain einen Tagebaubagger besetzt.
Bild: Klare Botschaft
Berlin taz | Am Morgen des 6. Augusts [1][besetzten Klima-AktivistInnen
einen Bagger] der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) im
Tagebau „Vereinigtes Schleenhain“ in Sachsen. Nun ist der letzte Aktivist
nach 16 Tagen wieder frei. „Merle“ hatte als „Unbekannte Person 09“ in
U-Haft gesessen, da er sich weigerte, seine Identität anzugeben – und
erfuhr viel Solidarität. Auch von den TeilnehmerInnen des [2][Klimacamps in
Pödelwitz] nahe des Tagebaus.
Nach 700 Jahren Existenz musste Heuersdorf 2009 dem Tagebau „Vereinigtes
Schleenhain“ weichen. Im gleichen Jahr begann ein paar Kilometer weiter
Jens Hausner aus Pödelwitz seinen Kampf gegen den Tagebau. Dem Dorf droht
ebenfalls das Ende. Heute leben nur noch 27 von ehemals 120 Menschen dort.
Hausner von der Bürgerinitiative [3][„ProPödelwitz“] weist darauf hin, da…
die MIBRAG „ohne eine bergrechtliche Genehmigung zur Inanspruchnahme von
Pödelwitz die Sozialstruktur des Ortes zerstört hat“.
Dagegen und für einen sofortigen Klimapolitikwechsel kämpfen die
Baggerbesetzer von [4][„Vereinigt gegen Schleenhain“].„Polizei und Gerich…
stellen sich vor Unternehmen, die den Klimaschutz aktiv blockieren“, sagt
Baggerbesetzer „Liam“ der taz. „Aktivisten hingegen, die mittels zivilem
Ungehorsam auf die Problematik hinweisen, werden mit übertriebener Härte
behandelt.“
Der Tatbestand, der „Merle“ zur Last gelegt wird, laute Hausfriedensbruch,
berichtet er. Weil er seinen Namen aber nicht angab, saß er in U-Haft –
wegen Fluchtgefahr. Es sei sehr ungewöhnlich, dass Menschen wegen solch
eines Tatbestandes bis zum Prozess in U-Haft verbringen, so „Liam“. Er hält
das das für Unsinn: „Unter Auflagen kann Fluchtgefahr eindeutig abgewendet
werden. Gerichte, vor allem im Rheinland und in radikalen Klimakontexten,
führen bereits regelmäßig Prozesse gegen unbekannte Personen“.
„Merles“ Alltag in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen: „Die
Einzelzelle war rund zehn Quadratmeter groß. Ich verbrachte über 22 Stunden
täglich darin. Dazu kam eine Stunde Hofgang und eine halbe Stunde
„Umschließen“, bei dem die Zellen geöffnet werden und sich die Insassen
gegenseitig besuchen können“, sagt er der taz. Erstaunlich gut sei zudem
das vegane Essen gewesen. Die zugeteilte Kleidung absolut ausreichend „und
der mintgrüne Pyjama sogar besonders cool“.
Das Personal beschreibt er als freundlich, ein Schließer habe ihm sogar
Zigaretten gegeben. Allerdings dachten die, „ich sei zum Spaß hier, die
haben den Kontext nicht verstanden“. Eine Psychologin habe versuchte
„Merle“ ein „schlechtes Gewissen zu machen, in dem sie meine Weigerung als
‚amoralisch weil freiwillig‘ bewertete. Es blieb bei diesem einen längeren
Gespräch, währenddem sie gesagt habe: „Eure Strategie ist schwachsinnig,
die solltet ihr euch lieber von der AfD abgucken, weil die erfolgreich
sind“, erzählt „Merle“.
Nach 16 Tagen wurde den Behörden über „Merles“ Anwältin seine Identität
bekannt gegeben, weil „es nicht mehr gut für mich war und ich mich nicht
selbst beschädigen wollte“, sagt er. Dann war er frei. Das Fazit von „Liam…
und „Merle“: „Jetzt erst Recht! Wir hören nicht auf und machen weiter.“
Wann und wo sei noch nicht klar.
Die Leipziger Polizei beschreibt Baggerbesetzung und Folgen in einer
Pressemitteilung vom 8. August so: „Mancher sieht darin eine Art
Märtyrertum, anderen fehlt wiederum schlicht das bekennende B, nachdem A
gesagt wurde. Dies hat die Polizei aber ebenso nicht zu bewerten, wie die
klimapolitische Debatte dahinter“, meldet die Leipziger Polizei.
Ferner weist sie darauf hin, dass es sich bei der Aktion „…nicht um ein
Räuber-und-Gendarm-Spiel“ handelt, sondern „konkrete Gefahren lauern (…).
Eine plötzlich ins Rutschen geratende Böschungskante birgt beispielsweise
leider das Risiko, nicht allein dem individuellen Protestruf ein Ende zu
setzen.“
25 Aug 2019
## LINKS
[1] /Protest-gegen-Braunkohle/!5617800
[2] /Klimacamp-in-Sachsen/!5618230
[3] https://twitter.com/hashtag/prop%C3%B6delwitz
[4] https://twitter.com/VereinigtS
## AUTOREN
Patrick Loewenstein
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