| # taz.de -- Transsexueller Pornostar: „In den schwulen Mainstream“ | |
| > Billy Vega ist schwul, trans und tritt in Pornos auf. Damit leistet er | |
| > Pionierarbeit in der Industrie. Diskriminierung gibt es aber auch dort. | |
| Bild: „Trans Männer können meist nur in der queer-feministischen Pornoszene… | |
| Berlin taz | „Ich glaube, dass es ein großes Bedürfnis nach jemandem wie | |
| mir gab!“, sagt Billy Vega, greift zu seiner Snus-Dose und platziert einen | |
| Beutel Trockentabak hinter seiner Oberlippe. „Da es so wenige trans Männer | |
| im Schwulenporno gibt, bin ich eine erfrischende Abwechslung.“ Seine ersten | |
| selbstgemachten Clips hat der gebürtige Stockholmer, der seit 2014 in | |
| Berlin lebt, im vergangenen Dezember veröffentlicht. Der Schritt hat sich | |
| gelohnt: Billy Vega ist einer von wenigen trans Männern weltweit, die von | |
| ihrer Arbeit im Schwulenporno leben können. | |
| Seine Bilder und Videos auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, der anders | |
| als Facebook und Instagram explizit sexuellen Content toleriert, erregten | |
| schnell das Interesse des peruanischen Pornostars und -produzenten Pablo | |
| Bravo. „Unser gemeinsamer Clip wurde dann viral oder wie man das nennt“, | |
| sagt Billy Vega. „Pablo hat mich viel promotet. Dadurch erreichten wir ein | |
| schwules Publikum in Europa und Südamerika, für das Pornos mit trans | |
| Männern etwas völlig Neues sind.“ Inzwischen haben Billy Vegas Twitter- und | |
| Instagram-Profile knapp 100.000 Follower, seine Shootings führten ihn unter | |
| anderem nach Paris, Los Angeles und London. | |
| „Trans Männer können meistens nur in der viel kleineren | |
| queer-feministischen Pornoszene performen“, erklärt er. Billy Vega wollte | |
| es hingegen immer in den schwulen Mainstream schaffen. „Ich wollte zeigen: | |
| Ich darf ein genauso langweiliger Schwuler sein wie alle anderen.“ | |
| Billy Vega hat bisher nur mit Cis-Performern gedreht, also Personen, deren | |
| männliche Geschlechtsidentität der ihnen bei der Geburt zugewiesenen | |
| entspricht. In der Logik seines Metiers gelten diese Männer als Norm. | |
| „Häufig bin ich der Fetisch“, findet er. Die Gründe seien struktureller | |
| Art. „Unsere Gesellschaft macht Männlichkeit immer noch an Penissen fest“, | |
| erklärt er. „Viele schwule Männer können daher nicht zulassen, dass sie | |
| auch mit Männern ohne Penis schlafen können und dass das ganz normal ist.“ | |
| ## Ein zweischneidiges Schwert | |
| Die Fetischisierung von trans Körpern beschäftigt auch Madita Oeming. Die | |
| Anglistin forscht und lehrt an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der | |
| Universität Paderborn zu Pornografie. „Es ist grundsätzlich ein | |
| zweischneidiges Schwert, wenn es um die Rolle nichtnormativer Körper im | |
| Mainstreamporno geht“, erklärt sie. „Einerseits werden sie zweifelsohne | |
| fetischisiert. Reduziert auf diese eine Eigenschaft.“ | |
| Ironischerweise glaubt sie, dass pornografische Filme oft der einzige Ort | |
| sind, wo marginalisierte Körper auch als begehrte und begehrende sichtbar | |
| werden: „Einen Körper, der dem eigenen gleicht, vor der Kamera in Ekstase | |
| zu sehen, kann einen ermächtigenden Effekt haben, selbst wenn dies auf eine | |
| problematisch stereotype Weise inszeniert sein mag. Das gilt auch für trans | |
| Personen, die in Mainstreammedien ganz besonders unterrepräsentiert sind. | |
| Die [1][Bildersehnsucht] ist groß!“ | |
| Insgesamt habe die Sichtbarkeit von trans Körpern im Porno zugenommen. So | |
| gibt es etwa bei den Adult Video News Awards, den Porno-Oscars, eigene | |
| Transgender-Kategorien. „Eine wirkliche Normalisierung wäre aber natürlich | |
| erst vollzogen, wenn ‚Performer of the Year‘ an eine trans Person ginge, | |
| deren Transsein keine Rolle mehr spielte. Aber das ist wohl noch | |
| Zukunftsmusik“, findet Oeming. | |
| Noch bestehen also strukturelle Unterschiede fort. Das merkt auch Billy | |
| Vega. Einen Großteil seines Lebensunterhalts bestreitet er durch seine | |
| Fanseiten auf den Social-Media-Plattformen „Just for Fans“ und „Only Fans… | |
| Dort können Nutzer*innen Fotos und Videos gegen einen festen monatlichen | |
| Betrag abonnieren. Doch er verdient im Schnitt weniger als viele seiner | |
| Cis-Kollegen. Und auch sonst unterscheiden sich seine Erfahrungen als trans | |
| Mann. Das merkt er etwa daran, dass seine Kollegen nach der | |
| Veröffentlichung gemeinsamer Clips von den negativen Reaktionen ihrer Fans | |
| überrascht wurden. „Sie werden durch mich zum ersten Mal mit | |
| [2][Transfeindlichkeit] in der schwulen Porno-Community konfrontiert“, | |
| stellt Billy Vega fest. Etwa angesichts von Zuschauern, die in den | |
| Kommentarspalten einen Verrat am schwulen Porno anprangern. | |
| ## Mehr Porno als Haustiere | |
| Diskriminierende Erfahrungen hat er auch mit dem sozialen Netzwerk | |
| Instagram gemacht. So erzählt er, wie ein mit „#trans“ versehenes, | |
| bekleidetes Instagram-Bild von ihm und einem weiteren Performer binnen | |
| Stunden gelöscht wurde. Kurz darauf blieb derselbe Post ohne den | |
| entsprechenden Hashtag unbeanstandet. Zuletzt wurden außerdem die Profile | |
| von zwei von Billy Vegas trans Kollegen ohne Vorwarnung gelöscht. Auch er | |
| selbst hat immer ein Ersatzprofil parat für den Fall, dass sein Hauptprofil | |
| wieder einmal blockiert wird. | |
| Das Instagram trans Nutzer*innen diskriminiere, findet Billy Vega | |
| offensichtlich. Das Facebook-Unternehmen, das im Juni mit „#UntoldPride“ | |
| eine Kampagne zur LGBTIQ-Inklusion durchführte, sieht das anders. „Wir | |
| entwickeln und verwenden Tools und bieten unseren Community-Mitgliedern | |
| Ressourcen an, die dafür sorgen, dass ihre Erlebnisse positiv und inklusiv | |
| werden, unter anderem dann, wenn wir denken, dass sie Hilfe benötigen | |
| könnten“, heißt es in den Nutzungsbedingungen. | |
| Einen Großteil seiner Aufmerksamkeit generiert Billy Vega ohnehin nicht auf | |
| Instagram, sondern auf Twitter. Dort ist expliziter Content erlaubt, | |
| solange er als „sensibler Inhalt“ ausgezeichnet wird. Diese vergleichsweise | |
| liberale Vorgabe macht sich bemerkbar. Laut einer Channel-4-Studie wurden | |
| 2015 täglich 500.000 explizite Fotos und Videos getweetet: mehr Porno- als | |
| Haustier-Content. | |
| ## Die Szene ist über Social Media vernetzt | |
| Billy Vega verbringt etwa 50 Prozent seiner Arbeitszeit mit | |
| Social-Media-Marketing: dem Erstellen von Instagram-Storys, dem Posten | |
| kurzer Clips auf Twitter oder der Kommunikation mit seinen Fans. Und ist | |
| davon manchmal überfordert, sagt er. Damit etwa, wie sehr ihn sowohl | |
| positive als auch negative Reaktionen auf seine Arbeit beeinflussen. „Wenn | |
| ich an einem schlechten Tag einen Haufen Likes für einen Post kriege, denke | |
| ich danach: Heute ist eigentlich ein ganz guter Tag“, erzählt er. „Das | |
| gruselt mich, weil die Interaktion keine authentische ist, sondern in der | |
| Social-Media-Bubble stattfindet.“ | |
| Dabei sieht er auch das Potenzial von Instagram, Twitter und Co. für queere | |
| Nutzer*innen: „Für viele Marginalisierte machen soziale Netzwerke etwas | |
| zugänglich, zu dem sie sonst nie Zugang gehabt hätten. Es ist klassenlos.“ | |
| Das gelte auch für junge trans Kids, die sich dort mit anderen verbinden | |
| und online ihre Rollenbilder finden könnten. Auch Billy Vega profitiert von | |
| der Unterstützung in der kleinen schwulen Porno-Community von trans | |
| Männern. „Es ist extrem wertvoll, dass wir uns global über unsere | |
| Erfahrungen austauschen können“, findet er. Und hofft gleichzeitig, dass | |
| das immer weniger notwendig wird: Dann, wenn Billy Vega auf Grindr, | |
| Instagram und im Porno endlich, wie alle anderen, ein langweiliger Schwuler | |
| sein darf. | |
| 6 Aug 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eva-Maria Tepest | |
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