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# taz.de -- Caster Semenya darf nicht an den Start: Ein verstörendes Urteil
> Das Schweizer Bundesgericht hat Semenya untersagt, bei der WM in Doha zu
> starten. Grund ist der Testosteronspiegel der Leichtathletin.
Bild: 27. August 2017: Caster Semenya beim ISTAF im Berliner Olympiastadion
Dieser Dauerstreit um ihre Hormonwerte zerstöre sie „mental und
körperlich“, hatte Caster Semenya vor wenigen Wochen der BBC erzählt. Ein
Ende des Konflikts ist indes nicht in Sicht. Am Dienstag musste die
südafrikanische Leichtathletin einen Rückschlag verkraften, sie muss mit
ihrem WM-Ausschluss klarkommen. Die dreifache Weltmeisterin über 800 Meter
wird aller Voraussicht nach nicht an den Ende September beginnenden
Wettbewerben in Doha teilnehmen können.
„Ich bin sehr enttäuscht, dass ich meinen hart erarbeiteten Titel nicht
verteidigen kann. Aber das wird mich nicht davon abhalten, weiter für die
Menschenrechte für alle betroffenen Sportlerinnen zu kämpfen“, sagte die
28-Jährige nach dem Urteil des Schweizer Bundesgerichtshof.
In einer Pressemitteilung erklärte das Gericht, dass die im April 2018
eingeführte Regel des Internationalen Leichtathletikverband (IAAF), nach
der Athletinnen, deren Testosteronspiegel bestimmte Werte überschreite,
ausgeschlossen werden dürfen, „vorerst wieder anwendbar“ ist. Es geht bei
dem Reglement, das auf Caster Semenya zugeschnitten ist, um die Exklusion
von Frauen mit XY-Chromosomen, die einen Testosteronspiegel aufweisen, der
im männlichen Bereich liegt. Für den IAAF gehört die zweifache
Olympiasiegerin Caster Semenya zu den „biologisch männlichen Athleten mit
weiblichen Geschlechtsidentitäten“.
Als Semenya vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wegen
Diskriminierung klagte, stritt dieser den Tatbestand gar nicht ab, urteilte
aber, „dass […] eine solche Diskriminierung nötig, angemessen und ein
verhältnismäßiges Mittel ist, um das Ziel der IAAF zu erreichen: die
Integrität der Frauenleichtathletik in den betroffenen Disziplinen zu
schützen“. Der Erhalt des fairen Wettkampfes wurde also stärker gewichtet
als die Diskriminierung.
## Nur mithilfe einer Hormontherapie
Ein durchaus verstörendes Urteil. Die praktische Konsequenz daraus, dass
Semenya nur mithilfe einer Hormontherapie wieder auf ihren Spezialstrecken
starten kann, nannte Ulrich Montgomery, Präsident des Weltärztebundes WMA,
gegenüber der FAZ „inverses Doping“. Ärzte sollten sich ebenso wenig daran
beteiligen wie beim Dopen von Sportlern.
Auch das Schweizer Bundesgericht war Anfang Juni noch dem Antrag von
Semenya gefolgt und hob das Startverbot gegen sie auf den Mittelstrecken
auf. So nahm Caster Semenya Ende Juli am Diamond-League-Meeting in
Stanford, Kalifornien, teil und überquertet beim 800-Meter-Lauf nach
1:55,70 Minuten mit zweieinhalb Sekunden Vorsprung vor der Zweitplatzierten
US-Amerikanerin Ajee Wilson die Ziellinie.
Ein starkes Zeichen vor der WM und nach den vielen juristischen
Scharmützeln, die sich nun schon über zehn Jahre hinziehen, nachdem sie
2009 bei der WM in Berlin erstmals Gold gewann. Fernsehreporter fragten die
damals 18-jährige Südafrikanerin, ob sie ein Mann sei. Und beim IAAF begann
man, über Testosterongrenzwerte zu diskutieren.
Die Auseinandersetzungen werden weitergehen – zumal das Schweizer
Bundesgericht am Dienstag lediglich seine Entscheidung pro Semenya
zurücknahm. Nach Anhörung der IAAF-Argumente hob man die provisorische
Nichtanwendung der IAAF-Regel wieder auf.
Zur Begründung betonte das Bundesgericht seine strenge Praxis, die beim
Erlass provisorischer Maßnahmen gelten würden. Solche Anordnungen würden
nur erfolgen, wenn eine erste Prüfung ergebe, dass die Beschwerde „sehr
wahrscheinlich begründet“ erscheint. „Über die Beschwerde als solche hat
das Bundesgericht noch nicht entschieden“, erklärte das Bundesgericht in
einer Medienmitteilung.
Der Leichtahtletik-Weltverband bekräftigte in einer Stellungnahme zum
Schweizer Urteil seine Position: „Die Entscheidung sorgt für die notwendige
Sicherheit und Gleichstellung, die alle Athleten brauchen, die sich auf die
WM in Doha vorbereiten.“ Semenyas Anwältin Dorothee Schramm wiederum wies
auf die Vorläufigkeit des Richterspruchs hin: „Die Verfahrensentscheidung
hat keinen Einfluss auf den Berufungsprozess. Wir werden Casters Klage
weiterverfolgen.“ Mit einem Urteil ist in der ersten Jahreshälfte 2020 zu
rechnen.
31 Jul 2019
## AUTOREN
Johannes Kopp
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