# taz.de -- Ein Jahr Ebola-Virus im Kongo: Tod und Teufel | |
> Seit einem Jahr wütet das Ebola-Virus im Kongo. Noch immer herrscht | |
> Misstrauen gegen die Seuchenbekämpfung. Ein Bericht aus der Kampfzone. | |
Bild: Der 14jährige Ismael Kasereka trauert um Tante und Onkel. Auch sie starb… | |
Beni/Butembo taz | Vor einem Jahr war hier nur freies Feld mit einem Haus | |
in der Ecke, das als Leichenhalle diente. Heute riecht es überall nach Tod. | |
Wer das Krankenhausgelände in Beni, einer Großstadt im Osten der | |
Demokratischen Republik Kongo, betritt, findet sich zwischen aschenfarbenen | |
Plastikplanen wieder, mit Ebola-Sensibilisierungsplakaten an den Wänden, | |
die in Bildern zeigen, wie man sich verhalten soll: Kranke und Tote nicht | |
berühren! Tote Tiere nicht anfassen! Kleidung waschen! Hände waschen! | |
Das Ebola-Behandlungszentrum (CTE) von Beni ist ein riesiges Gelände voller | |
Todkranker. Manche werden sterben, manche kommen vielleicht lebend wieder | |
heraus. An der Südpforte des Krankenhauses wird jedem Besucher klargemacht, | |
dass hier Regeln gelten: Hände waschen, Fiebermessen mit Leuchtthermometer, | |
Desinfektion der Schuhe mit Chlor – ein Ablauf, an den sich jeder beim | |
Rein- und Rausgehen halten muss. | |
Viele derjenigen, die in dieser abgeschiedenen Welt arbeiten, gehören zu | |
den Glücklichen: die, die an Ebola erkrankten und wieder gesund wurden. | |
Diese Überlebenden sind mittlerweile berühmt. Der Präsident des Verbandes | |
der Ebola-Besieger, Dr. Maurice Kakule, war der erste offiziell von Ebola | |
gesundete Infizierte im August 2018, als die Epidemie gerade erst offiziell | |
bestätigt worden war. | |
Er steckte sich in Mangina an, ein Ort über 30 Kilometer nordwestlich von | |
Beni, wo er am Gesundheitszentrum Mangodomu arbeitete. „Ich hatte Glück“, | |
erzählt er, tadellos gekleidet. „Ich ging gar nicht ins Behandlungszentrum. | |
Ich wurde einfach wieder gesund. Ich kann das nicht erklären, aber ich | |
glaube, Gott wollte, dass ich meinen Mitmenschen diene.“ | |
## Es werden täglich mehr | |
Seitdem engagiert sich Kakule in der Ebola-Sensibilisierung. Seine Ehefrau, | |
ebenfalls erkrankt und wieder gesundet. Sie begleitet jetzt ihren Mann in | |
seinem Verband. „Es ist ein Wunder“, fügt er abschließend hinzu. „Viele | |
Menschen sind tot – und wir sind am Leben.“ Aber viele Menschen starben und | |
es werden täglich mehr. | |
In der Millionenstadt Butembo 50 Kilometer südlich von Beni hat Dorcas | |
Kavira vor fünf Monaten ihre Mutter, ihre Schwägerin und ihren älteren | |
Bruder verloren. Die etwa 20-Jährige blieb allein mit dem Sohn ihres | |
Bruders zurück, einem fünf Monate alten Baby. Sie lebt in Kinyavwanga, eine | |
notorische Ecke des Stadtbezirks Wayene von Katwa, der Nachbargemeinde von | |
Butembo, in der es die meisten Ebola-Toten gegeben hat. | |
Damals war es nicht gut, in diese Gegend zu gehen und von Ebola zu | |
sprechen. Die Menschen griffen jeden an, der ihnen Ratschläge zur | |
Ebola-Prävention geben wollte. Im Gesundheitszentrum von Wayene sind die | |
Folgen noch sichtbar: zerbrochene Fensterscheiben, von Steinwürfen | |
zerbeulte Wellblechdächer, niedergerissene Mauern. Die Häuser ringsum sind | |
verlassen und verschlossen. Fast alle Bewohner sind tot oder fortgezogen. | |
Die Menschen sind vor den Ebola-Toten geflohen – oder sie haben sich in der | |
Seuchenbekämpfung engagiert und wurden von ihren misstrauischen Nachbarn | |
vergrault. Die wenigen Menschen, die hier noch leben, haben eingefallene | |
Gesichter und verlorene Blicke. | |
## „Göttliche Strafe“ | |
„Es ist schrecklich, was wir hier durchmachen“, erklärt Zouble Virivikendo, | |
Verwaltungschef von Kinyavwanga, der sich zu einer Führung durch sein | |
Viertel hat überreden lassen. „Wir wissen nicht, ob es eine göttliche | |
Strafe ist oder ein Fluch.“ | |
Dorcas Kavira hat ihre Geschichte nicht freiwillig erzählt, es brauchte den | |
Besuch des Verwaltungschefs, damit sie sich zu sagen traute, was sie für | |
einen Albtraum durchlebt hat. „Eine Nachbarin starb in einem | |
Gesundheitszentrum in der Nähe, so gegen Ende Februar“, erinnert sie sich. | |
„Sie war eine Freundin meiner Schwägerin. Zwei Tage nach der Beerdigung | |
bekam meine Schwägerin ebenfalls starkes Fieber und fing an, sich zu | |
übergeben. Wir brachten sie in dasselbe Gesundheitszentrum. Nach ein paar | |
Tagen war sie tot. | |
Der Leiter des Gesundheitszentrums tat, was in seiner Macht stand, damit | |
wir noch in der Nacht den Leichnam abholen, damit er sagen konnte, sie sei | |
zu Hause gestorben und nicht unter seiner Aufsicht. Wir haben seine | |
Anweisungen treu befolgt“, erzählt sie und fängt an zu weinen. | |
## Keiner sprach mit den Menschen | |
Mithilfe zweier Nachbarinnen rekonstruiert sie die Geschichte. | |
„Verwaltungschef Virivikendo hat uns geraten, die Ebola-Bekämpfungsteams zu | |
rufen, damit man sie in einem Friedhof außerhalb der Stadt beisetzt. Es gab | |
eine Zusage für eine Sicherheitseskorte. Aber von 8 bis 12 Uhr ist niemand | |
gekommen. Am Nachmittag kamen ein paar Leute und nahmen Proben von der | |
Leiche. Sie gingen wieder, ohne etwas zu sagen.“ | |
Das war der Anfang. Die anderen Familienangehörigen starben wenig später. | |
50 Menschen sind allein in Kinyavwanga gestorben, das etwa 100 Häuser | |
zählt. Das Stadtviertel war den Ebola-Bekämpfern unter anderem deshalb | |
besonders feindlich gesonnen, weil es einen traditionellen Heiler gab, der | |
sich als Guru mit Wundermitteln gegen alles ausgab. „Kitchwa kluma“ (Mein | |
Kopf tut weh) nannte er sich, früher hatte er in einer Miliz gekämpft. | |
Unter seinem Einfluss schottete sich Kinyavwanga ab. | |
Die Ausbreitung der Seuche hat das Misstrauen nicht verringert. | |
Ebola-Bekämpfer stoßen immer noch auf Widerstände. Misstrauen wurde | |
geschürt von Politikern, die die Massen aufhetzten, indem sie Ebola als | |
„politische Krankheit“ bezeichneten, mit der Kongos Staat die lokale | |
Bevölkerung einschüchtern wolle. Dann ließen sie sich mit dieser Botschaft | |
ins Parlament wählen und jetzt sind sie überzeugte Ebola-Sensibilisierer, | |
was die Menschen erst recht misstrauisch macht. | |
## Das Geschäft der Ebola-Bekämpfung | |
Offenbar kann man mit dem Kampf gegen Ebola viel Geld verdienen. | |
Seuchenbekämpfer brauchen Hotels, Autos, Übersetzer, Wachleute; die Etats | |
der Ebola-Bekämpfer alimentieren die lokale Wirtschaft. „Es ist ein | |
Business geworden“, ärgert sich Jina Ivogha, Direktor eines Radiosenders in | |
Beni; „das muss aufhören“. Ende Juli organisierten die Journalisten von | |
Beni einen Marsch gegen Ebola, auf dem sie Dinge riefen wie „Besorgt lieber | |
Krankenwagen als rostige Jeeps“. | |
Einzelne Bewohner wagen sich inzwischen nach Kinyavwanga zurück, aber | |
Dorcas Kavira hat sich von ihrem Schicksalsschlag nicht erholt. Sie war | |
Schneiderin, aber seit sie das Baby ihres verstorbenen Bruders pflegt, kann | |
sie nicht mehr arbeiten gehen. Sie schafft es nicht einmal mehr, ihren | |
kleinen Garten zu jäten. Sie lebt von den Hilfsgütern der | |
Ebola-Bekämpfungsprogramme. | |
Und der Guru von Kinyavwanga? Er ließ sich schließlich überreden, die | |
Ebola-Bekämpfung zu unterstützen. „Er wurde ein großer Sensibilisierer, um | |
die Leute zu überzeugen, Hygieneregeln zu befolgen und sich vor dem Virus | |
zu schützen“, lobt ihn Verwaltungschef Virivikendo. Mitte Juli wurde der | |
Guru von Unbekannten erschossen. | |
1 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Kennedy Muhindo | |
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