| # taz.de -- Ebola-Epidemie im Kongo: Vor dem Menschen stirbt die Wahrheit | |
| > Die Bekämpfung von Ebola stößt im Osten der Demokratischen Republik Kongo | |
| > an ihre Grenzen. Es gibt Gerüchte – und Gefechte. | |
| Bild: Die an Ebola verstorbene Kahambu Tulirwaho wird aus dem Ebola-Behandlungs… | |
| Butembo taz | Auf dem katholischen Friedhof von Kitatumba liegen lauter | |
| frische Gräber. Es sind Dutzende, so als habe gerade eine | |
| Bürgerkriegsschlacht stattgefunden. „Ich arbeite seit zehn Jahren hier und | |
| verstehe gar nichts mehr“, sagt ein Totengräber auf der Grabesstätte im | |
| Norden der ostkongolesischen Stadt Butembo. „Die Löcher werden im Voraus | |
| ausgehoben, weil so viele Leute sterben. Vor nicht so langer Zeit haben wir | |
| am einem Tag 15 Menschen beigesetzt, die an Ebola gestorben waren.“ | |
| Am 4. Mai verkündete das Gesundheitsministerium der Demokratischen | |
| Republik, die Zahl von 1.000 Ebola-Toten in den Provinzen Nord-Kivu und | |
| Ituri im Osten des Landes sei überschritten – seitdem steigt die Zahl | |
| unvermindert an. 1.117 Tote wurden bis zum Abend des 12. Mai gezählt. „Seit | |
| Anfang April verzeichnen wir in der Stadt Butembo jeden Tag neue | |
| Kontaminierungsfälle“, erklärt Dr. Justus Nsio, Koordinator der | |
| Ebola-Bekämpfung in der 500.000 Einwohner zählenden Stadt. | |
| Er ist extrem beunruhigt. „Das Problem geht von dem Umstand aus, dass Leute | |
| sich den Präventions- und Eindämmungsmaßnahmen widersetzen, was dazu führt, | |
| dass Menschen in ihren Gemeinschaften sterben“, führt er aus. „Sie sterben | |
| im Kreis ihrer Familien, ohne ins Behandlungszentrum gegangen zu sein. Das | |
| ist sehr, sehr gefährlich, denn jeder von ihnen steckt mehrere andere | |
| Menschen um sich herum an.“ | |
| Die ständige, fast schon endemische Unsicherheit in der Region [1][hilft | |
| nicht beim Versuch, die Epidemie in Butembo] einzudämmen. Die Stadt ist | |
| umzingelt von bewaffneten Gruppen. Die Gesundheitszone Kalunguta, die an | |
| Butembo im Norden und Westen anschließt, befindet sich beispielsweise | |
| komplett unter Kontrolle lokaler Selbstverteidigungsmilizen, die mit dem | |
| Sammelbegriff Mai-Mai bezeichnet werden. | |
| „Sobald man die Stadt verlässt, ist die reguläre Armee nicht mehr zu | |
| sehen“, sagt ein Mitarbeiter des Gesundheitspersonals von Kalunguta, der | |
| anonym bleiben will. „Ab der Siedlung Kivetya drei Kilometer außerhalb der | |
| Stadt auf der Straße Richtung Beni herrschen die Mai-Mai. Und die meisten | |
| von ihnen sind den Ebola-Bekämpfungsteams feindselig gegenüber | |
| eingestellt.“ | |
| Wiederholte Angriffe auf Ebola-Behandlungszentren und medizinische | |
| Einrichtungen auch mitten in der Stadt seit Februar zeugen vom Ausmaß des | |
| Problems. Am 19. April wurde ein kamerunischer Arzt am helllichten Tag in | |
| Butembo erschossen. Am 7. Mai überfielen Bewaffnete, die sich selbst als | |
| Mai-Mai bezeichneten und allem, was mit Ebola zu tun hatte, den Kampf | |
| ansagten, die Stadt und lieferten sich heftige Kämpfe mit | |
| Sicherheitskräften. Dazu kommt der sicherheitsbedingte Rückzug der | |
| Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen aus der Stadt – eine der führenden | |
| Organisationen beim Kampf gegen Ebola. | |
| ## „Zu viele Fehler am Anfang“ | |
| Am Morgen des 13. Mai wurde das Ebola-Behandlungszentrum von Butembos | |
| Nachbargemeinde Katwa angegriffen. Gegen 4.30 Uhr wurden Schüsse gehört, | |
| berichtet Butembos Bürgermeister Silvain Kamntamanda: Eine Gruppe von | |
| Angreifern sei „neutralisiert“ worden, bevor sie in die Einrichtung | |
| eindringen konnte. Ein Angreifer wurde getötet, doch auch zwei | |
| Ebola-Patienten im Behandlungszentrum starben. | |
| Sie befanden sich in akuter Behandlung, aber das Gesundheitspersonal | |
| musste sich vor dem Angriff in Sicherheit bringen und die zwei Kranken | |
| starben zwischenzeitlich. Erst am Vortag war in Katwa die laufende | |
| Impfaktion gegen Ebola wieder aufgenommen worden, nach drei Tagen | |
| Unterbrechung aus Sicherheitsgründen. | |
| Ein Grund für die zunehmenden Probleme: Nach Ausbruch der Seuche im August | |
| 2018 dauerte es zu lange, bis effektive Bekämpfungsmaßnahmen getroffen | |
| wurden. „Es gab zu viele Fehler am Anfang“, meint Egard Mateso, der sehr | |
| engagierte Vizepräsident des zivilgesellschaftlichen Dachverbandes von | |
| Butembo. „Die Arbeit der Bekämpfungsteams war schwerfällig, man könnte | |
| sagen, sie war überreguliert, während wir uns in einer humanitären Krise | |
| befanden. | |
| Es gab die Politisierung der Seuche, aber das liegt hinter uns. Man muss | |
| andere Faktoren berücksichtigen, wie das Gewicht von Gerüchten bei den | |
| Nande. Bei uns werden Gerüchte sehr ernst genommen, mehr noch als gute | |
| Informationen.“ Gerüchte, sagt der stadtbekannte Bildhauer Sauveur Mulwana, | |
| seien tief verwurzelt in der Kultur der Nande-Volksgruppe, die diese Region | |
| von Nord-Kivu besiedelt und fast die gesamte Bevölkerung Butembos stellt. | |
| „In unserer Geschichte werden unglaubliche Dinge erzählt. Man sagt, Leute | |
| mit viel Geld hätten zu Hause eine Jungfrau, die Geldscheine ausscheidet. | |
| In den 1980er Jahren gab es die Geschichte, dass die reichen Großhändler, | |
| die damals an Einfluss gewannen, anderen Leuten die Köpfe abschneiden und | |
| diese in den Westen verkaufen. Und die Leute glauben so was!“ | |
| ## Staatliche Stellen haben geschlafen | |
| Heute gibt es solche Gerüchte im Zusammenhang mit Ebola: [2][im | |
| Behandlungszentrum, wo Impfungen gegen das Ebola-Virus durchgeführt | |
| werden,] werde den Leuten in Wirklichkeit Gift eingeimpft, den Toten würden | |
| die Genitalien entfernt. „Das macht es für Medien sehr schwer“, sagt Rachid | |
| Kasongo, Leiter eines lokalen Rundfunksenders. „Die Gerüchtekultur ist zu | |
| stark. Wir haben einen regelrechten Kampf zu führen. Aber wir werden ihn | |
| gewonnen. Immerhin weiß jetzt jeder, dass diese Seuche hier tatsächlich | |
| existiert.“ | |
| Butembo ist keine verlorene Urwaldstadt, sondern ein international | |
| vernetzter Handelsknotenpunkt. Die schwerreichen Nande-Großhändler der | |
| Stadt führen Geschäfte bis nach China und versorgen den gesamten Ostkongo. | |
| Man findet neue Smartphones für unter 20 US-Dollar. Die meisten Menschen | |
| kommunizieren über WhatsApp-Netzwerke. | |
| Was auf sozialen Netzwerken kursiert, muss stimmen – diese Überzeugung ist | |
| in Butembo weit verbreitet und macht den Kampf gegen Gerüchte noch | |
| schwerer. „Die Kommunikationsbehörden müssen versuchen, sich für die | |
| sozialen Netzwerke zu interessieren“, findet der Universitätsangestellte | |
| Umbo Salama. „In Butembo wird alles ernst genommen, was über WhatsApp und | |
| Facebook läuft. Aber die Feinde der Ebola-Bekämpfung nutzen diese Kanäle, | |
| um die Leute aufzuwiegeln. Nachrichten, die die Bekämpfungsmaßnahmen | |
| verunglimpfen, werden in großen Mengen gestreut und zirkulieren sehr, sehr | |
| schnell.“ | |
| Angesichts dieser Situation haben staatliche Stellen geschlafen. Nur | |
| Vertreter des Gesundheitsministeriums besuchen Butembo regelmäßig. Sogar | |
| Nord-Kivus langjähriger Provinzgouverneur in der 300 Kilometer entfernten | |
| Provinzhauptstadt Goma, Julien Paluku, räumte Ebola keine Priorität ein, | |
| obwohl er selbst Nande ist und aus dieser Region stammt. Er hatte | |
| wichtigere Dinge im Kopf, nämlich die Neuwahl eines Provinzgouverneurs | |
| durch das Provinzparlament, die für den 30. Mai vorgesehen ist – er selbst | |
| tritt dabei nicht erneut an. Sein Stellvertreter Feller Lutaichirwa, der | |
| momentan die Geschäfte führt, ist erst vergangene Woche nach Butembo | |
| gekommen. | |
| Er hielt diverse Treffen ab, auf denen vor allem klar wurde, wie schlecht | |
| die Sicherheitslage in der Region Butembo seit nunmehr zwölf Jahren ist. | |
| „Dazu kommt die Straflosigkeit“, sagt Zivilgesellschafter Mateso. „Wer | |
| Fehler macht, wird nicht sanktioniert, und das begünstigt Unsicherheit. | |
| Unfähiges Sicherheitspersonal müsste bestraft werden.“ | |
| 13 May 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kennedy Muhindo | |
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