| # taz.de -- Mietenwahnsinn in Berlin: Großereignis Wohnungssuche | |
| > Eine Mietwohnung in Berlin zu finden, ist wie ein Lottogewinn. Für | |
| > geflüchtete Menschen ist die Lage noch aussichtsloser. | |
| Bild: Eine Wohnung in Berlin zu finden, ist wie ein Lottogewinn | |
| Als sich herumgesprochen hatte, dass ich eine [1][neue Wohnung in Berlin] | |
| gefunden hatte, wurde ich plötzlich zu einer gefragten Person in meinem | |
| Freundes- und Bekanntenkreis. Ich wurde sozusagen ihr Hauptgesprächsthema. | |
| Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer; ein großes Ereignis, ein | |
| Traum, der wahr wurde. | |
| Da ich also bald mit meinem Freund in die neue, schöne Dreizimmerwohnung | |
| ziehen würde, würde meine alte Einzimmerwohnung frei werden – so dachten | |
| viele, bis ich ihre Hoffnung zerschlagen musste, da die alte Wohnung schon | |
| längst anderweitig versprochen war. | |
| Noch immer bekomme ich Tag und Nacht Anrufe mit Anfragen von Deutschen und | |
| Nichtdeutschen, die ich teilweise nicht einmal kenne. Sie erkundigen sich | |
| nach der Wohnung, der Höhe der Miete, der Größe und der Lage. Meine Antwort | |
| ist für sie stets eine herbe Enttäuschung. Wenn ich ihnen dann erzähle, | |
| dass ich die neue Wohnung in Neukölln einfach übers Internet gefunden habe, | |
| aber dafür auch über 1.000 Euro Miete zahle, sagen sie: „Nein! Unmöglich! | |
| Bist du verrückt? Das ist doch wahnsinnig teuer.“ Ich erwidere: „Ja, ich | |
| weiß. Aber findet ihr mir vielleicht eine ähnliche oder überhaupt eine | |
| Wohnung für einen besseren Preis?“ | |
| Ich lebe inzwischen seit fast fünf Jahren in Berlin. Schon am Anfang sagten | |
| mir meine Freunde, dass es extrem schwer sei, eine Wohnung hier zu finden. | |
| Heute, nach fünf Jahren, ist es praktisch unmöglich geworden, eine Wohnung | |
| für eine günstige oder jedenfalls angemessene Miete zu finden. [2][Die | |
| Mieten sind erschreckend in die Höhe geschossen,] das Angebot ist gering | |
| und der Bedarf steigt stetig. Suchende sind mittlerweile so verzweifelt, | |
| dass sie sogar dazu bereit sind, mehr als die Hälfte ihres Einkommens für | |
| ihre Miete auszugeben. | |
| Wir, die als Geflüchtete in Deutschland angekommen sind, gehören zu diesen | |
| durch die hohen Mieten stark benachteiligten Gruppen. Es ist praktisch | |
| unmöglich, einen Vermieter zu finden, der uns akzeptiert, auch für | |
| diejenigen von uns, die einer Arbeit nachgehen und alle Unterlagen | |
| vorweisen können. Vermieter bevorzugen immer Deutsche, Europäer und | |
| Amerikaner. Der Rest hat kaum eine Chance. | |
| In diesem Mieterwettbewerbsklima gedeihen [3][die Spekulationen der | |
| Immobilienmakler.] Manche von ihnen wollen auch ihre Maklerprovision | |
| illegal und ohne Quittung, bar auf die Hand haben. Einige Flüchtlinge sind | |
| durch solche Makler inzwischen schon hoch verschuldet. Aber was ist die | |
| Lösung? Wo sind die Gesetze, die uns alle aus dieser Krise herausholen und | |
| uns endlich von der Gier der Immobilienmakler befreien? | |
| Aus dem Arabischen von Mustafa Al-Slaiman | |
| 29 Jul 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kefah Ali Deeb | |
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