# taz.de -- Feuerwehrmann über Waldbrände: „Rückwärts flüchten ist Schei… | |
> Brandstufe fünf: Ein Funke reicht, und der Wald steht in Flammen. Wie | |
> kann man die löschen? Ein Gespräch über teures Wasser und Löschroboter. | |
Bild: Was sie anfacht und wie man sie löscht: Über Waldbrände von Brandenbur… | |
taz am wochenende: Sie sind seit 1991 professioneller Feuerwehrmann. Wie | |
ist Ihr Verhältnis zum Feuer? | |
Ulrich Cimolino: Ich grille gern, rauche hin und wieder eine Zigarre … Aber | |
professionell betrachtet, sehe ich das Feuer weder als Freund noch als | |
Feind. Wer bei einem Autounfall hilft, beschließt ja auch nicht, nie wieder | |
Auto zu fahren. | |
Warum machen Sie diesen Beruf? | |
Ich habe vor fast vierzig Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr angefangen, | |
weil ich von der Technik begeistert war. Wenn man so eine Drehleiter nicht | |
jeden Tag sieht, ist das ja schon ein Hingucker. Durch Zufall bin ich | |
später darauf gestoßen, dass man Feuerwehr auch beruflich machen kann. Über | |
das Studium kam ich letztlich nach dem Referendariat in den höheren Dienst | |
zur Berufsfeuerwehr. | |
Was ist das Wichtigste beim Löschen eines Waldbrandes? | |
Sicher wieder nach Hause zu kommen! Sie brauchen möglichst schnell einen | |
möglichst umfassenden Überblick. Woher kommt der Wind – und wie wird er | |
drehen? Welche Straßen fallen aus, weil sie im Ausweitungsgebiet des | |
Waldbrands liegen? Gibt es Munition im Boden, eine Pipeline, die | |
oberirdisch verläuft? Was ist das Signal zum Rückzug? | |
Was ist da so üblich? | |
Das kann ein Autohupen sein oder Lautsprecherdurchsagen. Man muss alle | |
erreichen können. Und der Rückzugsbereich muss wirklich sicher sein, also | |
mit Löschfahrzeugen zu verteidigen. Wenn die Zufahrt eher eng ist, muss man | |
rückwärts reinfahren. Weil: Rückwarts flüchten ist scheiße. | |
Aber erst mal von vorne: Der Alarm geht los – was passiert mit Ihnen? | |
Der Puls geht hoch, Adrenalin schießt ein. Ich nehme nur noch auf, was in | |
diesem Augenblick für den Einsatz notwendig ist. Bei allem anderen bin ich | |
auf Autopilot. | |
Und im Team? | |
Beim Einsatz selbst muss zuerst geklärt werden, woher der Alarm stammt. | |
Kommt er von einem automatischen System oder einem Piloten, ist es relativ | |
leicht, den Brand zu lokalisieren? Meldungen von Fußgängern oder | |
Autofahrern sind außerhalb von Städten meistens ungenau. In der Regel | |
fahren bei einer ersten Meldung ein bis drei Fahrzeuge los, um die Lage zu | |
erkunden und eine Rückmeldung zu geben. Ist aus der Meldung ersichtlich, | |
dass der Brand größer ist, wird natürlich direkt umfassender alarmiert. | |
Normalerweise löschen nur Bodentruppen in Deutschland … | |
Bodentruppen? | |
… mit Schläuchen, vor allem von Fahrzeugen aus. Für die muss geklärt | |
werden: Wo greifen wir das Feuer an, wo lassen wir es weiterlaufen? Gibt es | |
einen Fluss, eine Autobahn, wo sich das Feuer totläuft oder gestoppt werden | |
kann? Oder andersrum: gefährdete Bereiche, die gehalten werden müssen, | |
trockene Felder zum Beispiel, die brennen wie Zunder. | |
Was passiert bei größeren Einsätzen? | |
Ist das Feuer größer, wird ein Stab einberufen. Der muss die weiteren | |
Entscheidungen treffen: Wen schicken wir nach, können Firmen mit | |
Spezialgeräten helfen? Holen wir Landwirte mit Wasserfässern? Brauchen wir | |
das THW oder sogar Hubschrauber? Bei der Arbeit mit Hubschraubern müssen | |
Sie besonders aufpassen. Wenn Sie das Wasser falsch abwerfen, gefährden Sie | |
erstens die Einheiten am Boden, zweitens ist Löschwasser das teuerste | |
Wasser, das Sie sich vorstellen können. Eine Betriebsstunde der großen | |
Helis bei der Bundeswehr kostet um die 40.000 Euro. | |
Warum ist es überhaupt wichtig, Waldbrände zu löschen? Man könnte ja sagen: | |
Gut, dass sich der Wald regeneriert. | |
Der Wald ist ja nicht nur ein Erholungsgebiet für Menschen und | |
Rückzugsgebiet für Tiere. Er hält den Boden und speichert Wasser, er sorgt | |
über die Photosynthese für Sauerstoff. Wenn der Wald weg ist, erodiert auch | |
der Boden. Nicht zuletzt sind wir einfach zu dicht besiedelt, um einen | |
Brand unkontrolliert laufen zu lassen. Die Amerikaner haben damit leidvolle | |
Erfahrungen gemacht. Aber es gibt natürlich auch in Europa und in | |
Deutschland die Überlegung, Feuer kontrolliert laufen zu lassen. Wenn man | |
weiß, bis zum nächsten Fluss in drei Kilometern kommt nichts … | |
Wäre das in Teilen von Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern eine | |
Möglichkeit? | |
Das macht die Feuerwehr zum Teil. Wenn Sie einmal einen Vollbrand haben, | |
wenn Stämme und Kronen brennen, bekommen Sie das nur noch an einer Schneise | |
ohne Baumbewuchs gelöscht oder eben an einem Fluss, einem Kanal, an der | |
Autobahn. Wenn Sie mitten in den Wald hineinfahren, funktioniert das nicht. | |
Da ist viel zu viel Energie hinter, und Sie haben viel zu wenig | |
Löschmittel, um den Vollbrand auszumachen. | |
Wie schlägt man so eine Schneise? | |
Idealerweise gibt es sie schon. An Stromleitungen liegen typische Schneisen | |
im Wald, die Feuer aufhalten können, oder Straßen und Forstwege, die man | |
als Basis nutzen kann. Natürlich muss man vorher erkunden: Ist die Schneise | |
breit genug und wirklich frei, oder ist der Bewuchs schon drei Meter hoch? | |
Je nach Zeitdruck können Sie den Bewuchs mit Räumpanzern oder Planierraupen | |
einebnen und Bäume mit entsprechenden Maschinen aus der Forstwirtschaft | |
fällen. | |
Unterscheidet sich ein Waldbrand in Bayern von einem in Brandenburg? | |
Grundsätzlich brennt es überall gleich. Ein Wohnhausbrand ist in Hamburg | |
der gleiche wie in München. Bei einem Waldbrand gibt es mehr Unterschiede, | |
das geht bei den Böden los. In Brandenburg Sand, in Bayern Kies oder Lehm. | |
Das hat Konsequenzen fürs Fahrgestell und die Bereifung der Fahrzeuge. Wenn | |
Sie viel Berge haben, brauchen sie sehr bewegliche Fahrzeuge, bis hin zu | |
handbetriebenen Raupen als Lastenträger auf schmalen Wegen. Was Sie nicht | |
fahren können, müssen Sie tragen – oder fliegen. Fliegen geht aber gar | |
nicht immer, zum Beispiel nachts. | |
Wodurch entsteht ein Waldbrand überhaupt? | |
Es ist ein Märchen, dass Scherben im Wald Feuer entzünden. Es gibt kein | |
Feuer, das nachgewiesenermaßen durch eine Glasscherbe entstanden ist. Die | |
Feuer entstehen in der Regel durch menschlichen Einfluss. Indem jemand eine | |
Zigarette wegwirft oder mit einem heißen Katalysator in einem Feld parkt | |
oder im Freien grillt und die Glut nicht richtig löscht. | |
Was ist mit den Pyromanen, die es ja manchmal auch in der Feuerwehr selbst | |
gibt? | |
Der Großteil der Brandstiftung stammt von Leuten, die einfach ein bisschen | |
zündeln. Jugendliche, die im Wald ein Feuer legen, mal gucken, was | |
passiert, und das nicht mehr in den Griff kriegen. Dann gibt es die | |
Brandstiftung derjenigen, die anderen etwas Böses wollen. „Ich gönn dem | |
seinen Wald oder das Getreidefeld nicht.“ Und klar, es gibt Verrückte, | |
Pyromanen, die auf Feuer stehen. Und ganz, ganz selten leider auch Kollegen | |
von der Feuerwehr, die Brandstiftung betreiben, um löschen zu können. Das | |
ist selten, kommt aber immer wieder vor. | |
Sie unterrichten auch AnwärterInnen im Waldbrandlöschen. Was geben Sie | |
ihnen mit? | |
Viel trinken! Man schwitzt wie blöd. Und richtig anziehen: Viele tragen | |
auch im Wald ihre Schutzkleidung für Wohnungsbrände. Die ist dafür viel zu | |
dick. Im schlimmsten Fall bekommen sie eine Hyperthermie, überhitzen und | |
dehydrieren gleichzeitig. Das führt zu fieberartigen Effekten bis hin zu | |
Fehlentscheidungen, weil das Gehirn nicht mehr vernünftig funktioniert. | |
Leider gehört das Löschen von Waldbränden in Deutschland bisher nicht zur | |
Grundausbildung. | |
Als Kind wollen viele zur Feuerwehr. Das ändert sich oft, wenn man vom | |
Karussell absteigt. Wem würden Sie zu diesem Beruf raten? | |
Ganz ausdrücklich Personen jeden Geschlechts. Allen, die sich für | |
praktische Hilfe an Menschen, Tieren und Umwelt interessieren. Ein gewisses | |
Maß an technischem Verständnis braucht man natürlich. Und Sie müssen Blut | |
sehen können. Was die Feuerwehren außerdem bei vielen Bewerbungen | |
feststellen: Die Fitness macht Schwierigkeiten. Der Leistungstest wurde | |
mehrfach angepasst, auch um Frauen nicht zu benachteiligen. Aber Sie müssen | |
bei 35 Grad schon mehrere Stunden arbeiten können. | |
2018 gab es viermal so viele Waldbrände wie 2017 – mussten Sie viermal so | |
viel arbeiten? | |
Ich zum Glück nicht, in meiner Gegend gab es relativ wenige Feuer in dem | |
Bereich. Aber in Brandenburg oder Berlin ist der Index seit Tagen lila – | |
also Waldbrandstufe fünf. Da reicht ein Funke am Boden, ein bisschen Wind, | |
und es brennt. | |
Kann die Feuerwehr die gestiegene Zahl der Brände bewältigen? | |
Noch gibt es genügend Kräfte. Aber in vielen Orten löscht die freiwillige | |
Feuerwehr – und damit fast nur ehrenamtliche Einsatzkräfte. Da würden wir | |
uns natürlich mehr Mitglieder wünschen. Gerade in Regionen, wo die | |
Abwanderung groß ist. Dort wird es immer schwieriger, die Freiwilligen zu | |
halten und neue zu gewinnen. Einige Kommunen sind zu klein für eine | |
Berufsfeuerwehr, haben aber nicht genug Freiwillige. Die müssen dann eine | |
Pflichtfeuerwehr einberufen. | |
Woran liegt der Rückgang bei den Freiwilligen? | |
Vor 30 Jahren haben die Leute in der Nähe ihrer Arbeit gelebt, sind weniger | |
gependelt. Dazu kommt, dass sich die Familienstruktur verändert. Das | |
klassische Mann-Frau-Kinder-Modell gibt es so nicht mehr. Die Frauen sind | |
in der Regel selbst berufstätig, meist teilt man die Betreuung auf. Und | |
wenn Sie ein zwei Jahre altes Kind zu Hause haben, dann können Sie nicht | |
einfach weg. | |
Ist also der Feminismus schuld? | |
Nein, nein, das hat mit Feminismus nichts zu tun, das ist ja nichts | |
Negatives. Die Leute sind einfach weniger bereit, noch mehr Verantwortung | |
zu übernehmen, oder haben schon zu viele parallele Aufgaben. Außerdem hat | |
die Verantwortung auch bei den Feuerwehren zugenommen. Früher waren Sie als | |
Kommandant einer freiwilligen Feuerwehr der Chef im Ring. Es wurde viel aus | |
dem Bauch heraus entschieden. Heute ist das anders, da gibt es mehr Fragen: | |
Von „Ist der überhaupt tauglich?“ bis hin zu Beschaffungen, die | |
dokumentiert werden müssen. | |
Fehlt Anerkennung? | |
Wenn Sie die Leute abstrakt fragen, dann ist die Feuerwehr hoch geschätzt. | |
Ganz vorne im öffentlichen Ranking, auf die kann man sich verlassen. Wenn | |
aber die persönliche Freiheit eingeschränkt wird, ich auf einmal nicht mehr | |
über die Straße fahren kann, weil die Feuerwehr sie sperrt und ich selbst | |
für mich aber gar kein Problem sehe … Dann fühlen sich manche genötigt, das | |
zu umgehen. Ein anderes Problem sind Schaulustige. Wenn Sie an | |
Einsatzwagen interessiert sind – machen Sie doch einfach mit bei der | |
Feuerwehr! | |
Das klingt, als sei die Arbeit allgemein schwerer geworden. | |
Nein, insgesamt ist es einfacher geworden, weil wir in vielen Bereichen | |
bessere Technik haben. Die Geräte sind leichter, das entlastet schon sehr. | |
Gleichzeitig ist der Erwartungsdruck in der Öffentlichkeit gestiegen, aus | |
den Medien und der Politik. Es wird jeder Fehler hinterfragt, irgendwer ist | |
immer mit der Kamera da und schreibt dazu: „Warum haben die Deppen so lange | |
gebraucht?“ Aber auch auf unserer Seite gibt es vermeidbare Probleme. Dass | |
es in vielen Gebieten Wehrmachtsmunition gibt, die Löscharbeiten | |
gefährdet, ist bekannt. Aber man hat das liegen gelassen. So wurde das | |
Problem aber immer größer. Wir hatten in Deutschland schon Kollegen, die im | |
Wald einen Brand bekämpften, und plötzlich knallt es neben denen, weil | |
Munition hochgeht, obwohl es zu dem Gebiet keinerlei Risikowarnung gab. | |
Das fanden die nicht so lustig. | |
Wie lässt sich das beheben? | |
Mehr in die Forschung investieren – in Roboter, ferngesteuerte Fahrzeuge. | |
Wird das Löschen irgendwann voll automatisiert sein? | |
Nein. Ich kann mir vorstellen, dass Roboter die Arbeit erleichtern und das | |
Risiko minimieren, aber am Ende wird es immer der Mensch sein, der das | |
Feuer ausmacht – oder der Regen. | |
5 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Lina Verschwele | |
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