| # taz.de -- Bachmannpreis – Tag 3: An der Angel | |
| > Endlich lernen wir etwas über das Fliegenfischen beim Bachmann-Wettbewerb | |
| > in Klagenfurt! Eine Takis-Würger-Reloaded-Debatte gibt es auch. | |
| Bild: Hat Ahnung vom Fischen: Leander Fischer | |
| Klagenfurt taz | Von der Kunst, eine Goldkopfnymphe zu binden, dürften die | |
| meisten bis zu diesem dritten Tag des diesjährigen | |
| Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs noch nicht allzu viel gehört haben. Sie | |
| stammt aus der Welt des Fliegenfischens. Eine formvollendet geknüpfte | |
| Nymphe, hergestellt unter anderem aus Tierfell, dient als Köder. Eine | |
| Fake-Insektenlarve, die etwa Forellen anlocken soll. | |
| In diese skurille Welt der Angler-Nerds führt uns der österreichische Autor | |
| [1][Leander Fischer] am letzten Wettbewerbstag. Sein Beitrag | |
| [2][„Nymphenverzeichnis Muster Nummer eins Goldkopf“] handelt auf einer | |
| Erzählebene von einem Köderknüpfer-Genie namens Ernstl, der sein Wissen an | |
| seinen Schüler – den Erzähler – weitergibt. Der ist wiederum selbst ein | |
| äußerst pedantischer Musiklehrer. Wenn seine Schüler nicht genügen, | |
| beschimpft er sie in inneren Monologen als „Holzklotz“, „Periodenscheiße… | |
| „Korinthenreiter“, „Erbsenhengst“ und „Paragraphenkacker“. | |
| Mit Leander Fischers Geschichte kommt nicht nur das Angeln, es kommt auch | |
| endlich etwas mehr Humor nach Klagenfurt. Fischer, Jahrgang 1992, steht | |
| erkennbar in einer boshaft-subtilen österreichischen Erzähltraditon, | |
| Jurymitglied Klaus Kastberger fragt sich sogleich, warum sich Thomas | |
| Bernhard eigentlich nie mit der Subkultur des Fliegenfischens und jenen, | |
| die dieser angehören, befasst hat. Fischer holt das nun nach. Er macht sich | |
| somit auch – auf sprachlich virtuose Art und Weise – lustig über manischen | |
| Ehrgeiz und den überdauernden Geniekult in den Künsten. | |
| Implizit verhandelt der Autor auch die Mechanismen des Kunstbetriebs: Der | |
| Köder, der gesamte Vorgang des Angels kann hier als Allegorie auf die | |
| Aufmerksamkeitsökonomie des Kunst- und Literaturmarkts gelesen werden. Die | |
| Leser sollen anbeißen, der Markt soll anbeißen. Beim Klagenfurter | |
| Autoren-Casting – ein wohl gewollter Witz des Autors – gilt es dagegen, die | |
| sieben Juror_innen zu ködern. | |
| ## Takis Würger reloaded? | |
| Wenn man so will, wirft auch [3][Martin Beyer] in seiner Erzählung [4][„Und | |
| ich war da“] einen Köder aus – der Bamberger Autor fällt damit aber bei d… | |
| Jury (größtenteils) durch. Denn Beyer schreibt über die Hinrichtung der | |
| drei Weiße-Rose-Mitglieder Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst | |
| im Jahr 1943, dabei „instrumentalisere“ er aber die Figuren (Insa Wilke), | |
| nutze sie als „Staffage“ (Hildegard Keller), sei auf Effekt aus (Hubert | |
| Winkels). | |
| In der Tat fragt man sich, warum bei Beyer die Weiße Rose überhaupt | |
| auftaucht, wenn doch nur ihre Hinrichtung als Setting für diese Story | |
| dient, die Figuren aber sonst völlig leer bleiben. Möglich, dass der | |
| Takis-Würger-Debatte bald eine Martin-Beyer-Debatte folgt, wenn im August | |
| dessen gleichnamiger Roman erscheint. | |
| Die beiden anderen Texte – [5][Ines Birkhan]s Erzählung [6][„Abspenstig“] | |
| und [7][Lukas Meschik]s [8][„Mein Vater ist ein Baum“] – überzeugen aus | |
| sehr unterschiedlichen Gründen nicht. Birkhans Literatur gewordene | |
| Ozeanologie – ihre Protagonistin taucht ab in eine Unterwasserwelt mit | |
| Neunaugen, Schleimaalen, Urmündern und Neumündern – beginnt furios und ist | |
| toll erzählt, funktioniert aber in der Klagenfurt-Kurzfassung nicht (als | |
| Roman vielleicht). Lukas Meschik bewirbt sich dagegen mit einem | |
| Erinnerungsstück an seinen verstorbenen Vater, das in diesem | |
| Literaturwettbewerb deplatziert wirkt. | |
| Der Kreis der Favorit_innen ist somit geschrumpft. Am Sonntag wird eine | |
| Vorauswahl aus sieben Autor_innen getroffen, aus denen dann eine/r in der | |
| Live-Endabstimmung den mit 25.000 dotierten Hauptpreis erhält. Neben dem | |
| Hauptpreis werden fünf weitere Preise – der (firmengestiftete) Kelag-Preis, | |
| der 3sat-Preis, der Ernst-Willner-Preis, der [9][Publikumspreis] und der | |
| Deutschlandfunk-Preis – vergeben. | |
| Dabei dürften [10][Sarah Wipauer] und Birgit Birnbacher nicht leer | |
| ausgehen, Chancen auf den Hauptpreis haben aber vor allem Katharina | |
| Schultens, Julia Jost, [11][Ronya Othmann] und Leander Fischer. Letzterer | |
| schien die Jury schließlich schon während seines Vortrags an der Angel zu | |
| haben. | |
| 29 Jun 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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