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# taz.de -- Ausstellung „Von Barbizon bis ans Meer“: Als Mecklenburg maleri…
> Kein Maler hat die Wahrnehmung Mecklenburgs so geprägt wie Carl Malchin.
> Nun zeigt das Museum Schwerin den Heimatmaler in einer großen
> Ausstellung.
Bild: Mehr als 100 Orte hat Carl Malchin bildnerisch aufgewertet: „Ahrenshoop…
Schwerin taz | Kein Kapitän lässt sein Schiff unter vollen Segeln auf einen
flachen Strand zulaufen und nur selten sieht eine Landschaft wirklich so
aus, wie die Romantiker wie Caspar David Friedrich sie gemalt haben. Denn
die Malerei sollte nicht irgendeine zufällige Realität wiedergeben, sondern
ein höheres Ideal. Zwar wurden draußen in der Welt Zeichnungen angefertigt,
aber die Komposition der Bilder erfolgte im Atelier.3
Das änderte sich mit der Schule von Barbizon. Ab den 1830er-Jahren zog es
Pariser Maler in den Wald von Fontainebleau und die „Plein-Air-Malerei“
begann, in der eigentlich nebensächliche Wald- und Feldränder oder Ufer,
Katen und Bauern, Kühe und Schafe und Regenwetterwolken zum Thema wurden.
Und da bis zum Zweiten Weltkrieg die wichtigsten Kunstimpulse immer aus
Frankreich kamen, wurde auch dieser in Deutschland aufgenommen, kam
indirekt vermittelt auch zu einem bodenständigen Heimatmaler wie Carl
Malchin.
Der 1838 in Kröpelin (Landkreis Rostock) geborene und 1923 in Schwerin
verstorbene Maler gilt als der nachdrücklichste Schilderer der
Mecklenburger Landschaft, als der wesentliche Entdecker ihrer
Bildwürdigkeit. Das [1][Staatliche Museum Schwerin] besitzt 670 Werke
dieses Malers, vor allem, weil der noch zu Lebzeiten dem Museum seine
eigene Ölskizzensammlung vermachte. Das war durchaus ungewöhnlich, denn
solche Arbeiten wurden normalerweise nur als Vorbereitung und als Material
für größere Bilder verwendet.
In der großen Sommerausstellung „Von Barbizon bis ans Meer“ zeigt das Haus
nun mit über 300 Werken Malchins nicht nur seit Jahrzehnten erstmals den
größten Teil davon, es dokumentiert auch die Einflüsse seiner Ausbildung
mit Bildern seiner Lehrer in München und Weimar und ordnet ihn im Vergleich
mit Arbeiten der Maler von Barbizon in die internationale Kunstgeschichte
ein.
## Von der Landvermessung zur Kunst
Da der Realismus in der Malerei ja schon bald mit der Photographie einen
großen Konkurrenten bekam, werden auch die frühesten in Mecklenburg
erhaltenen Lichtbilder projiziert: 300 Diapositive aus Photoserien, mit
denen der Lehrer, Musiker und Photograph Wilhelm Schröder um 1900 zu
Bilderabenden durch die Landgasthöfe tingelte. Und um aus allem eine
kulturgeschichtliche Rundumversorgung zu machen, ließ das Museum sogar ganz
vergessene Musik der Zeit neu einspielen: Salonstücke für Piano von Hermann
Bendix aus Damgarten, der Bernsteinstadt nordöstlich von Rostock.
Zurück zu Malchin. Der hatte ursprünglich Landvermesser studiert und war
indirekt zur Kunst gekommen. Nach finanziell schwierigen Zeiten wurde er
zum Broterwerb dann erster Restaurator am 1882 gegründeten Großherzoglichen
Museum, dem Vorläufer des heutigen Museums in Schwerin.
Da konnte er nicht nur die nackten Nymphen barocker Bilder wieder
hervorholen, die ein besonders frommer Großherzog schamhaft zu keuschen
Hirtinnen hatte übermalen lassen, er war auch in ständiger Nähe zu einer
der größten deutschen Sammlungen alter niederländischer Bilder.
Deren Art, im 17. Jahrhundert die Landschaft darzustellen, war eine der
großen Referenzen der realistischen Landschaftsmalerei des 19.
Jahrhunderts. So sind in Malchins Mondscheinbildern mecklenburgischer Seen
durchaus Anklänge an die 1646 gemalte Nachtstimmung von Aert van der Neer
zu erkennen, auch wenn die modernere Malweise weniger penibel und etwas
expressiver ist.
Das Malerische muss erst einmal tatsächlich gemalt werden, um als solches
erkannt zu werden: Malchin hat an die 100 Orte bildnerisch aufgewertet und
verewigt. In einem der Räume im neuen Anbau versammelt das Museum nach den
Himmelrichtungen gehängt 140 kleinere Ölskizzen, es ist fast eine
archivalische Topographie, jedenfalls eine Reise durch das ehemalige
Großherzogtum von den Waldwegen bei Ludwigslust bis zu den Ostseedünen bei
Ahrenshoop.
Dabei sind die Bilder zwar intensiv, aber nicht groß; die Ölskizzen auf
Holz haben das Material und die Größe von Zigarrenkistendeckeln. Aber
solche Landschaftsmalerei des späten 19. Jahrhunderts, einst oft als zu
einfach und zu unheroisch, als bäurisch und gar als umstürzlerisch
verschrien, heute von manchen eher als bieder empfunden, wäre für sich
genommen vielleicht nicht eine derartig große Ausstellung wert.
Das Besondere hier ist vor allem, wie ein einzelner Maler die Wahrnehmung
eines Landes geprägt hat und wie sehr dessen Bilder die Vorstellungen von
malerischen Gegenden unter türmenden Wolken und vom Wind durchwehten
Landschaften bis heute bestimmen, ja dass Malchins Blick auf ihr Land fest
im Selbstverständnis vieler Mecklenburger verankert ist.
Wie aber steht es wirklich um die aktuelle Rezeption ländlicher Regionen,
nicht aus Sicht der Städter, Künstler oder Touristen, sondern der dort
Lebenden? Mit zwei Initiativen möchte das Museum die Erforschung des
gegenwärtigen Verhältnisses zur mehr oder weniger idyllischen Heimat
unterstützen.
Erstens ist das Projekt „Landinventur“ in der Ausstellung zu Gast. Das
Thünen-Institut für Regionalentwicklung erfasst seit zwei Jahren in einer
interaktiven Befragung die Lebenswirklichkeit und die Besonderheiten jedes
Dorfes und möchte den Blick auf ländliche Räume qualifizieren. Weniger
anspruchsvoll ist die zweite Mitmachaktion: Alle sind aufgerufen, ihre
Lieblingsorte in Mecklenburg-Vorpommern auf Facebook oder Instagram zu
posten oder per Mail an das Museum zu schicken.
Es dürfte interessant sein, ob in diesen Bildern noch Spuren des einst vor
über 180 Jahren in Frankreich geprägten, zwar realistischen, aber doch auf
malerischen Bildaufbau achtenden Landschaftsverständnisses wiederzufinden
sind.
24 Jul 2019
## LINKS
[1] https://www.museum-schwerin.de/
## AUTOREN
hajo schiff
## TAGS
Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Malerei
Natur
Serie „Alte Meister“
Fahrrad
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