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# taz.de -- Katholische Theologie in Berlin: Kreuz und queer?
> Am HU-Institut für Katholische Theologie dürfen keine offen queeren
> Professor*innen arbeiten – ein Widerspruch zum Koalitionsvertrag von
> Rot-Rot-Grün.
Bild: Jesus vor Regenbogenfahne auf dem CSd (hier in Köln)
Braucht es heute noch Theologie und ausgerechnet im heidnischen Berlin? Der
deutsche Wissenschaftsrat, der Senat und das Erzbistum Berlin finden: Ja,
die braucht es – trotz niedriger Studierendenzahlen. Die
Humboldt-Universität (HU) richtete deshalb im vergangenen Jahr ein
islamisches und ein katholisches Institut mit jeweils sechs Professuren
ein, für die derzeit die Berufungsverfahren durchgeführt werden. Beginnen
soll der Lehrbetrieb dort zum Wintersemester in diesem Oktober.
Doch während die Studierenden im Akademischen Senat der HU sowie der
Schwulen- und Lesbenverband Berlin-Brandenburg (LSVD BB) harrsche Kritik am
islamisch-theologischen Institut geübt hatten, wird die Einrichtung und
Besetzung der katholischen Professuren weitgehend ignoriert. Dabei erkennen
theologische Fachkreise auch hier einen systemischen Ausschluss von queeren
Menschen, und der Wissenschaftsrat sieht Konfliktpotential bei der
Beteiligung der Kirchen an der Berufung der Professor*innen.
Studierende und LSVD BB hatten nach Ankündigung der Gründung des Instituts
für islamische Theologie kritisiert, dass Senat und Universität mit der
Berufung konservativer Islamverbände in dessen Beirat Homophobie
institutionalisieren und öffentlich finanzieren würden. Der LSVD BB hatte
sich deshalb in einem entsprechenden Schreiben an
Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD), Kultursenator Klaus
Lederer (Linke) und den Senator für Justiz und Antidiskriminierung Dirk
Behrendt (Grüne) gewandt. Doch das katholische Institut blieb bislang von
diesem Vorwurf verschont. Warum?
Zum Hintergrund: Der Wissenschaftsrat hatte 2010 empfohlen, die
theologischen Fächer an staatlichen Hochschulen auszubauen. Das höchste
politische Gremium der deutschen Wissenschaft und viele Gläubige
versprechen sich davon nicht nur die kritische Selbstreflexion der
Glaubensgemeinschaften im Licht der Öffentlichkeit, sondern trauen den
Theologien auch zu, „die kritische Reflexivität der wissenschaftlichen
Weltsicht“ zu fördern. Die Stärkung der Theologien begründeten Rat und
Senat auch mit dem Bedarf an Religionslehrer*innen und einer europäischen,
wissenschaftlich aufgeklärten Islamlehre, die in Schulen und Hochschulen
unterrichtet werden kann.
## Viel Kritik an Islam-Institut
Während die Einrichtung des islamischen Instituts breite Debatten und
Kritik nach sich zog, blieben Einrichtung und Besetzung der katholischen
Professuren bisher unhinterfragt. Islamisch-theologische
Wissenschaftler*innen in Berlin sprechen davon, dass dies der allgemeinen,
aber auch der linken und schwul-lesbischen Islamfixierung bzw. -skepsis
geschuldet sei.
Links-katholische Stimmen hingegen warnen, dass die betont offene,
gegenwarts- und großstadtbezogene Ausrichtung, die Gründungsdirektor
Johannes Helmrath dem katholischen HU-Institut geben möchte, nicht darüber
hinwegtäuschen dürfe, dass römisch-katholische Theologie – auch an
staatlichen Universitäten – dem kirchlichen Lehr- und Arbeitsrecht
unterliegt.
Konkret bedeutet das, dass weder offen Homo- oder Intersexuelle, noch
wiederverheiratete Geschiedene oder trans*Personen die gut dotierten
staatlichen Stellen bekommen können. Denn der Berliner Erzbischof Heiner
Koch und die päpstliche Bildungskongregation müssen sowohl der Arbeit als
auch dem Lebensstil von Lehrstuhl-Kandidat*innen zustimmen, bevor diese von
der HU berufen werden können. In Folge einer zweiten Heirat oder anderer
Verfehlungen gegen die römische Lehre können bereits ernannte
Professor*innen ihre Posten auch wieder verlieren.
Für einen Entzug der kirchlichen Zulassung reicht aber auch schon die
theologische Anerkennung homosexueller Beziehungen, wie der Fall des
Frankfurter Theologieprofessors Ansgar Wucherpfennig im letzten Jahr
deutlich machte. Erst nach Protesten führender Theolog*innen und ihrer
Verbände konnte der Ordensmann Wucherpfennig sein Rektorenamt an der
Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen behalten.
## „Intellektueller Brennpunkt“
Wie die zukünftigen Berliner Theologieprofessor*innen das neue Institut zum
anthropologischen und interdisziplinären „intellektuellen Brennpunkt in der
Wissenschaftslandschaft“ (Instituts-Homepage) machen oder „Diskurs auf
Augenhöhe mit andern Wissenschaften“ (Bischof Koch) führen sollen, bleibt
unklar. Denn sie müssen sowohl beim Anerkennen des anthropologischen
Befundes der queeren Metropole Berlin als auch in der Rezeption des queer
turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften vorsichtig sein, wenn sie
nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten möchten. Dass keine*r der bei den
Recherchen zu diesem Artikel angefragten Theolog*innen sich in der Zeitung
zitieren lassen möchte, zeugt von dieser Furcht.
Kritiker*innen sehen hier nicht nur Widersprüche zur Wissenschaftsfreiheit,
sondern in Berlin auch zum Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen
Landesregierung. Darin heißt es: „Die LSBTTIQ*-Communities brauchen starke
Partner*innen an ihrer Seite. Diesem Anspruch wird sich die Koalition
stellen.“ Dazu will der Senat unter anderem in allen pädagogischen Berufen
Diversity- und Queerkompetenzen stärken, die queere Bildungsarbeit
absichern und zu einem verbindlichen Bestandteil der Aus-, Fort- und
Weiterbildung machen.
Der Anspruch des Senats sei, beides zu schaffen: sowohl die Theologien zu
stärken, als auch freiheitliche Grundwerte und Diversität hochzuhalten,
sagt Matthias Kuder, Senatssprecher für Wissenschaft und Forschung, auf die
Frage der taz nach dem Widerspruch zwischen rot-rot-grüner Queerpolitik und
der Institutionalisierung des römisch-katholischen Lehramtes in Berlin.
Grundsätzlich dürften Geschlecht und sexuelle Identität in hochschulischen
Auswahlverfahren keine Rolle spielen, betont Kuder.Das sagt auch der
Sprecher der HU, Hans-Christoph Keller, und schreibt auf Anfrage der taz:
„Im Dialog mit dem Erzbistum konnte dieser Punkt auch immer wieder sehr
offen besprochen werden.“
Wo die staatlichen Stellen keinen Widerspruch sehen oder sich mit offenem
Dialog begnügen, war der Wissenschaftsrat in seiner Empfehlung im Jahr 2010
eindeutiger. Dass die Kirchen „Lehre und Lebenswandel des Bewerbers bzw.
der Bewerberin prüfen und gegebenenfalls beanstanden“ dürften, berge
Konfliktpotenzial. Vor diesem Hintergrund richtet der Rat die dringende
Bitte an die Kirchen, sich aus Habilitationsverfahren zurückzuziehen und
die Beteiligung an Berufungsverfahren verlässlicher und transparenter zu
gestalten.
24 Jul 2019
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
## TAGS
Katholische Kirche
Humboldt-Universität
Islam
Homophobie
Queer
Religion
Dirk Behrendt
Humboldt-Universität
Islamverbände
Lesestück Interview
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