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# taz.de -- Experte zu Wasserbelastung: „Überdüngung geht weiter“
> Die Regierung plant Regeln gegen zu viel Nitrat aus der Landwirtschaft.
> Aber die haben zu viele Schlupflöcher, sagt Agrarprofessor Friedhelm
> Taube.
Bild: Wenn Bauern düngen, wird das Grundwasser mit Nitrat belastet
taz: Herr Professor Taube, potenziell gesundheitsschädliches Nitrat aus
Stickstoffdüngern [1][belastet Grundwasser], aus dem Trinkwasser gewonnen
wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und
Tierarten sowie zum Klimawandel bei. Deshalb will die Bundesregierung nun
vorschreiben, dass die Bauern in besonders belasteten Gebieten 20 Prozent
weniger düngen, als bislang für nötig gehalten wurde. Reicht das?
Friedhelm Taube: Nein, das ist nicht mehr als ein erster Schritt in die
richtige Richtung. Es ist grundsätzlich positiv, die Düngung in den „roten�…
Gebieten mit besonders hohen Nitratwerten um 20 Prozent pro Hektar zu
reduzieren. Aber die umweltschädliche Überdüngung wird weitergehen. Denn
die Regelung gilt nicht für die „grünen“ Gebiete. Dabei bringen die
Landwirte bundesweit seit fünfzehn Jahren im Schnitt jährlich 100 Kilogramm
Stickstoff pro Hektar mehr aus, als die Pflanzen aufnehmen können. Das
entspricht in Deutschland einem Überschuss von jährlich 200.000
Lkw-Ladungen an Stickstoffdünger, der dann die Umwelt belastet. Die
Behörden werden ihre knappen Kontrollkapazitäten jetzt auf die „roten“
Gebiete konzentrieren. Das lässt befürchten, dass die Überdüngung in den
„grünen“ Gebieten umso schneller dazu führt, dass diese auch „rot“ we…
[2][Wird der Plan das Grundwasser] wenigstens in den besonders belasteten
Gebieten schützen?
Da bin ich skeptisch, weil kaum seriös kontrolliert werden kann, ob die
Landwirte wirklich 20 Prozent weniger auf den Äckern düngen. Denn auf
Grünland, also Wiesen und Weiden, gilt dieser Abschlag berechtigterweise
nicht. Bauern könnten nun ihren Stickstoffbedarf auf dem Grünland deutlich
höher ansetzen als tatsächlich nötig und diesen vermeintlichen Mehrbedarf
dann auf Getreide- und Maisäckern düngen, die das eigentliche Problem der
Nitratbelastung verursachen. Das könnten Behörden kaum nachweisen.
Der Bauernverband warnt, die Pläne würden die Existenz vieler Betriebe aufs
Spiel setzen. Ist diese Sorge berechtigt?
Nein, wenn diese Regelung im Einzelfall existenzgefährdend wäre, dann läge
der Verdacht nahe, dass vorher die Regeln nicht eingehalten wurden. Die
Düngerbedarfswerte bei den meisten Pflanzenarten sind sehr großzügig
gesetzt, um es ganz vorsichtig auszudrücken. Deshalb wird sich bei minus 20
Prozent vielfach zunächst kaum etwas verändern. Dänemark hat mit strengen
Regeln gezeigt, dass Landwirte bessere Fruchtfolgen wählen und die Erträge
so über Jahre nahezu stabil blieben, die Nitratwerte in den Gewässern aber
drastisch reduziert wurden.
Müssen die Landwirte wegen dieser Reduktion weniger Tiere halten, weil sie
dann weniger stickstoffhaltige Gülle auf ihren Feldern entsorgen dürfen?
Nein. Landwirte werden in den Intensivregionen Tierbestände reduzieren
müssen, weil die Intensität der Tierhaltung schon vorher illegal war. In
Niedersachsen weisen ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Düngeverordnung
von 2017 mindestens sieben Landkreise illegal hohe Gülleanfälle auf, die
nicht aus diesen Landkreisen abtransportiert werden. Das hat also mit der
Minus-20-Prozent-Regelung nichts zu tun, es betrifft vielmehr eine nun
notwendige Reduktion des Mineraldüngereinsatzes – und das ist angemessen.
Viele Landwirte vertrauen nach wie vor nicht darauf, dass die Gülle
genügend Nährstoffe für die Pflanzen bereitstellt, obwohl die
wissenschaftliche Evidenz das seit 25 Jahren rauf und runter ausweist.
[3][Viele Bauern sagen, das Grundwasser sei gar nicht so stark belastet].
Die Nitratwerte, die Deutschland nach Brüssel meldet, seien nicht
repräsentativ. Stimmt das?
In den letzten sechs Jahren hat Deutschland das Agrarmessnetz von 65 auf
700 Messstellen ausgeweitet, es ist somit in hohem Maße repräsentativ – an
der Dimension des Problems hat sich dadurch nichts verändert.
21 Jun 2019
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## AUTOREN
Jost Maurin
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