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# taz.de -- Angst vor Euroskeptikern in Italien: EU-Kommission kuscht vor Lega
> Brüssel verschiebt das angekündigte Defizitverfahren gegen Italien.
> Dahinter steckt ein Machtkampf – und die Angst vor Innenminister Salvini
> in Rom.
Bild: Wer hat Angst vor diesem Mann? Minister Matteo Salvini bei einer Demonstr…
Brüssel taz | Valdis Dombrovskis hatte den harten Mann markiert: Diesmal
werde die EU-Kommission hart gegen den „Schuldensünder“ Italien
durchgreifen, erklärte der Vizepräsident der Brüsseler Behörde noch Anfang
Juni. Doch nun, da es an die Umsetzung geht, kommen der EU-Behörde offenbar
plötzlich Zweifel. Eine Entscheidung über das Defizitverfahren wurde am
Dienstag in Brüssel vertagt. In Rom hofft man nun auf eine Lizenz für noch
mehr Schulden.
„Das Kommissionskollegium ist keine Industriefabrik, die einen bestimmten
Output liefern muss“, begründete Kommissionssprecher Margaritis Schinas den
überraschenden Rückzieher. Die Entscheidung sei um eine Woche verschoben
worden. Eine Begründung wollte Schinas nicht liefern. Doch für die
Vertagung kann es eigentlich nur einen Grund geben: Die Kommissare sind
sich nicht einig.
Ganz ähnlich wie im vergangenen Herbst, als ein Defizitverfahren schon
einmal in letzter Sekunde gestoppt worden war, steht auch diesmal
Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici auf der Bremse.
Der Franzose fürchtet, dass ein Sanktionsverfahren den italienischen
Innenminister Matteo Salvini und seine rechtsradikale Lega Nord stärken
könnte. Am Ende könnte ein gegen Europa wütender Salvini sogar ganz die
Macht in Rom übernehmen, so die Sorge.
## „Vermeiden, die Euroskeptiker gegen sich aufzubringen“
Es müsse deshalb vermieden werden, dass die Haltung der Kommission für die
politischen Zwecke bestimmter Zirkel in Italien ausgenutzt werde, soll
Moscovici gesagt haben. Zwar gebe es keinen Zweifel mehr, dass Italien
gegen die EU-Stabilitätsregeln verstoßen hat, heißt es in einem geleakten
Sitzungsprotokoll. Aber: Man müsse dringend vermeiden, die Euroskeptiker in
Rom gegen sich aufzubringen.
Es geht also wieder einmal um Politik, weniger um die finanzielle
Stabilität des Euro-Mitglieds Italien. Darf man daraus im Umkehrschluss
ableiten, dass der römische Schuldenberg in Höhe von 132 Prozent der
Wirtschaftsleistung – 60 sind erlaubt – gar nicht so schlimm ist? Nein,
sagen die Hardliner in der EU-Kommission, zu denen neben Dombrovskis auch
der deutsche Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) zählt. Im Falle
Italiens, der Nation mit der viertgrößten Wirtschaftskraft in der EU, sei
es längst fünf nach zwölf.
Doch die Hüter der Stabilitätsregeln können sich nicht durchsetzen. Laut
Protokoll wurde in Brüssel sogar diskutiert, Italien eine halbjährige
Schonfrist zu gewähren – bis Januar 2020. Auch dahinter stecken politische
Erwägungen. Die nächste EU-Kommission kommt nämlich erst im November oder
Dezember ins Amt. Bis dahin soll Ruhe herrschen – die EU hat mit dem Brexit
schon genug Ärger. In London könnte es Ende Oktober zum Showdown kommen.
In Rom sorgt der Rückzieher aus Brüssel bereits für neue Begehrlichkeiten.
Wenn es nötig sei, um Steuern zu senken und mehr Stellen zu schaffen, dann
werde die EU auch eine höhere Verschuldung zulassen, sagte
Vize-Regierungschef Luigi Di Maio der Zeitung Il Corriere della Sera. Auch
Finanzminister Giovanni Tria sieht gute Chancen für eine Einigung. „Ich bin
optimistisch“, sagte er in Rom.
Beide stehen unter Druck von Salvini. Der starke Mann in Rom hatte bereits
vor der Parlamentswahl Anfang 2018 weniger Steuern versprochen. Vor wenigen
Tagen hatte er mit seinem Rückzug aus der Regierung gedroht, sollten die
Abgaben nicht bald sinken.
25 Jun 2019
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
EU-Kommission
Lega Nord
Matteo Salvini
Maastricht-Kriterien
Spanien
Italien
Italien
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