| # taz.de -- Gewalt gegen ukrainische Journalisten: Niedrige Aufklärungsrate | |
| > Nach einem Überfall ist der ukrainischer Journalist Wadim Komarow | |
| > gestorben. Seine Kollegen diskutieren nun, wie sie sich vor Gewalt | |
| > schützen können. | |
| Bild: Die Journalistengewerkschaft hielt auf der Kiewer Prachtmeile Kreschtscha… | |
| Kiew taz | Am Donnerstag erlag der ukrainische Enthüllungsjournalist Wadim | |
| Komarow nach 46 Tagen im künstlichen Koma seinen Verletzungen, [1][die er | |
| bei einem Überfall am 4. Mai erlitten hatte.] Freunde, Angehörige und | |
| Kollegen sind sich sicher: Komarow ist für sein journalistisches Arbeiten | |
| ermordet worden. Er hatte mehrfach die Veruntreuung öffentlicher Gelder, | |
| Korruption im Stadtrat und nicht genehmigte Baumaßnahmen in seiner | |
| Heimatstadt Tscherkassy thematisiert. Der tödliche Überfall im Mai war | |
| nicht der erste tätliche Angriff auf den Journalisten. | |
| Komarow ist nur einer von Dutzenden Gewaltopfern unter ukrainischen | |
| Journalisten. Allein 2018 habe die ukrainische Journalistengewerkschaft 86 | |
| Gewaltakte gegen Journalisten gezählt, sagt ihr Sprecher Sergei Tomilenko. | |
| Bei zwölf Angriffen seien die Täter Beamte gewesen, zehn weitere waren von | |
| Angehörigen der Rechtsschutzorgane verübt worden, so Tomilenko weiter. | |
| Nach dem Mord an Komarow überlegen sich die ukrainischen Journalisten, wie | |
| sie sich besser vor Gewalt schützen könnten. Sie beklagen die extrem | |
| niedrige Aufklärungsrate an Gewalttaten gegenüber Journalisten. Politik und | |
| Öffentlichkeit müssen für diese dramatische Situation sensibilisiert | |
| werden, meint Tomilenko. Seine Journalistengewerkschaft fordert eine | |
| Anhörung im Parlament zur Sicherheitslage der Journalisten. Das letzte Mal | |
| habe es ein derartiges Hearing vor acht oder neun Jahren gegeben. | |
| Gegenüber der taz erklärte Andrei Kulikow, Chef des Hromadske Radio, | |
| Journalisten sollten sich angesichts der zunehmenden Gefahren gegenseitig | |
| mehr auf dem Laufenden halten. Man sollte wissen, wer zu welchen Themen | |
| arbeitet, welche Kontakte die Kollegen pflegen, und die Reporter sollten | |
| bei ihren Recherchen jeden Schritt wie in einem Tagebuch festhalten. | |
| Enttäuschend findet er die Arbeit der beiden ukrainischen | |
| Journalistenvereinigungen. Hier müsste man über einen Neustart beider | |
| Organisationen oder gar einen Zusammenschluss nachdenken, so Kulikow. | |
| ## Brandstiftung und Drohungen | |
| Leider sei es bittere Realität geworden, so Maja Golub vom Institut für | |
| Massenmedien, dass ein Recherchejournalist mit Übergriffen rechnen müsse. | |
| In diesem Jahr habe ihr Institut fast hundert Übergriffe gegen Journalisten | |
| dokumentiert. Im Gebiet Wolyna wisse sie von Brandstiftung, Morddrohungen | |
| und Übergriffen auf das Eigentum von Journalisten. Golub fordert eine | |
| behördenübergreifende Kommission zum Schutz der Journalisten. Doch | |
| Journalisten sollten sich nicht nur vor körperlicher Gewalt in Acht nehmen. | |
| Auch Angriffe über das Internet würden sich häufen. Deshalb müssten sich | |
| Journalisten besser vor Virenangriffen schützen und immer die Sicherheit | |
| ihrer vertraulichen Online-Kommunikation im Auge behalten. | |
| Zahlreiche Angriffe, so die Journalistin Olena Lunkowa zur taz, kämen von | |
| Mitarbeitern der Rechtsschutzorgane. Bei derartigen Fällen sei der Wille | |
| der Behörden zur Aufklärung nicht groß. Man müsse endlich auf die Straße zu | |
| gehen, findet ein Weggefährte des Ermordeten, Rechtsanwalt Valeri Makejew | |
| aus Tscherkassy. Makejew hatte nur wenige Stunden vor dem Mord mit Komarow | |
| gesprochen. Dabei habe dieser ihm freudestrahlend gesagt, er sei gerade | |
| dabei, einen „Superbeweis“ zu beschaffen. | |
| Die internationale Solidarität und Aufmerksamkeit für die Situation erleben | |
| die ukrainischen Journalisten als sehr hilfreich. So hatte das in den USA | |
| ansässige „Komitee zum Schutz von Journalisten“ nach dem Tod von Komarow in | |
| einem offenen Brief an Präsident Selenski ein verstärktes Bemühen um | |
| Aufklärung der Gewalt an ukrainischen Journalisten eingefordert. | |
| Gleichzeitig forderte das Komitee die ukrainischen Behörden auf, den seit | |
| über einem Jahr inhaftierten Leiter des ukrainischen Büros der russischen | |
| Nachrichtenagentur RIA Nowosti, Kirill Wischinski, freizulassen. | |
| 24 Jun 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Clasen | |
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