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# taz.de -- Forscher über AfD-Pressemitteilungen: „Befeuerung der Angstmasch…
> Die AfD zeichnet ein verzerrtes Bild der Kriminalität in Deutschland. Das
> haben Forscher*innen bei einer Analyse der Partei-Mitteilungen
> festgestellt.
Bild: Die AfD schürt mit selektiven Meldungen Angst vor Kriminalität
taz: Gemeinsam mit der Strafrechtlerin Elisa Hoven haben Sie die
Darstellung von Kriminalität in Pressemitteilungen der AfD untersucht. Wie
kam es zu dem Projekt, Herr Hestermann?
Thomas Hestermann: Wir wurden auf einen [1][Artikel] von Maximilian Krah,
dem stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden von Sachsen, aufmerksam
gemacht. Der hatte behauptet, dass in Chemnitz 60 Frauen vergewaltigt
worden seien, davon 56 von Migranten. Diese Zahlen haben sich als völlig
frei erfunden herausgestellt. Das war für uns der Auslöser um zu sehen,
inwieweit die AfD tatsächlich mit alternativen Fakten operiert.
Dazu haben wir dann 242 Pressemitteilungen und aktuelle Meldungen, die 2018
von der AfD in den Ländern und auf Bundesebene verbreitet wurden,
systematisch analysiert. So haben wir versucht, uns ein Bild davon zu
machen, wie die AfD auf Kriminalität blickt, weil Kriminalität natürlich
ein Thema ist, das starke Emotionen weckt und für die AfD ein wichtiger
Hebel ist, um Aufmerksamkeit zu schaffen.
Und waren Sie von dem Ergebnis überrascht?
Es ist klar, dass die AfD die Kriminalität von Ausländern in den
Mittelpunkt stellt, aber wie deutlich sie das tut und wie selektiv sie das
Thema behandelt, ist erstaunlich.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Von 100 Tatverdächtigen, deren Nationalität sie nennt, sind 95 Ausländer.
Und selbst bei den fünf, die als deutsch bezeichnet werden, wird betont,
dass sie einen Migrationshintergrund oder einen zweiten Pass haben. Dieser
völlige Tunnelblick hat mich schon erstaunt. Wenn man dann guckt, welche
Ausländer thematisiert werden, wird auch da nochmal selektiert. Da geht es
zum sehr großen Teil um Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und Irak, also
genau jene, bei denen man dann sagen kann: Die sind nur deshalb so
zahlreich da, weil die Bundesregierung 2015 die Grenzen geöffnet hat. Nach
der Polizeistatistik stellen sie aber gerade mal 5,2 Prozent aller
Tatverdächtigen.
Hat die AfD dafür falsche Informationen verbreitet?
Tatsächlich haben wir keine Unwahrheiten und nur gelegentlich Spekulationen
gefunden. Aber man kann ja auf verschiedene Weisen ein Zerrbild erzeugen,
nicht nur indem man Fakten erfindet oder etwas hinzu dichtet, sonder auch
indem man sehr stark auswählt. So ein Dauerfeuer mit Meldungen über die
Kriminalität von bestimmten Ausländern, hat eine enorme Wirkung. Das ist
für mich auch ein Zeichen für die Professionalisierung der AfD. Die sehr
schlichten Methoden, wie sie eben Herr Krah anwendete, hat sie überwunden
und bedient sich durchaus offizieller Statistiken, aber eben sehr selektiv.
Dadurch erzeugt sie ein bestimmtes Bild von Wirklichkeit.
In Ihrer Studie erwähnen Sie auch die „populistische
Kriminalitätsrhetorik“. Was hat es damit auf sich?
Wenn ein Politiker zum Beispiel sagt, das Unsicherheitsgefühl würde
steigen, die Menschen würden sich gar nicht mehr an die Öffentlichkeit
trauen, dann kann man sagen: Ja, das stimmt – aber eben in besonderer Weise
für AfD Wähler. Es gibt eine forsa-Umfrage, die nach der [2][Kölner
Silvesternacht] von der Zeit in Auftrag gegeben worden war, die zeigt, dass
AfD Anhänger etwa dreimal so stark von Terrorangst betroffen sind wie etwa
Anhänger von Union und SPD. Das hat dann etwas mit Populismus zu tun: Man
behauptet für das Volk zu sprechen, spricht aber im Grunde nur für die
[3][eigenen Wähler]. Das ist also ein ideelles Volk, das die eigenen
Positionen und vor allem die eigenen Ängste teilt. Die große Mehrheit von
78,6 Prozent dagegen bekundet, dass sie sich selbst nachts allein zu Fuß im
eigenen Wohnumfeld eher oder sehr sicher fühlt.
Also spielt vor allem die gefühlte Unsicherheit eine Rolle?
Viele der AfD-Meldungen behaupten, es sei nicht mehr sicher und man könne
sich nicht mehr auf die Straße trauen. In einem Text der AfD Sachsen heißt
es beispielsweise: „Früher war es in Deutschland üblich, Probleme
auszudiskutieren. Heute haben viele Zuwanderer schnell das Messer zur
Hand.“ Das sind subjektive Beschreibungen, die keiner Statistik
standhalten.
In den Jahren, in denen jetzt die Kriminalität und auch die Zahl der
Zuwanderer [4][zurückgeht], wird mit neuen Hilfskonstruktionen erklärt,
warum die Statistik zwar positiv ist, die Gesellschaft sich aber trotzdem
ganz furchtbar entwickelt. Nach dem Motto: Es wird nur weniger angezeigt.
Auch das widerspricht völlig der Dunkelfeldforschung, das Anzeigeverhalten
ist stabil. Die AfD profitiert in besonderer Weise von Kriminalitätsfurcht,
und je sicherer das Land wird, desto irrationaler ist natürlich diese
Furcht. Aber selbst wenn sich die Kriminalität halbieren würde, wird man
immer auf spektakuläre Einzelfälle hinweisen können. Indem man die in den
Mittelpunkt stellt, kann die Angstmaschine immer weiter befeuert werden.
7 Jun 2019
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/inland/chemnitz-falsche-zahlen-verge…
[2] /Silvesternacht-in-Koeln/!5369967
[3] /Kommentar-AfD-Berlin-bei-der-EU-Wahl/!5595269
[4] /Kriminalitaetstatistik-fuer-2018-vorgestellt/!5582220
## AUTOREN
Lilly Schlagnitweit
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