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# taz.de -- Die Wahrheit: Mit Linken reden
> Rechtsextreme wagen jetzt neuerdings auch mal den Dialog mit dem
> politischen Gegner – per gewaltgestützter Kommunikation.
Bild: Rechte auf dem Weg zum Plausch mit dem linksversifften Gegner
Die Haltung, man müsse allzeit diskussionsbereit auf diejenigen Bürger
zugehen, deren nur zu verständliche Sorgen ihnen ja gar keinen anderen
Ausweg ließen, als rassistische Naziparteien zu wählen, ist erstaunlich
weit verbreitet. Faschostreicheln gerät zur neuen Trendsportart.
Doch auch umgekehrt macht sich endlich die Einsicht breit, die
linksgrünliberalversiffte Blase in Berlin und anderen Zentren der
systemischen Desinformation besser verstehen zu wollen. „Wir müssen mit den
Zecken ins Gespräch kommen“, bestätigt Hasso Stahl, Leiter der Initiative
„<33“, die ihren Sitz im Parterre eines gemütlichen kleinen Plattenbaus im
sächsischen Prostweida hat. „Wir möchten verstehen, wie sie ticken und was
sie bewegt. Im Sinne eines starken Volks wäre es fahrlässig, auf das
Potential der vielleicht noch Belehrbaren von vornherein zu verzichten. Wer
soll denn sonst die Drecksarbeit machen, wenn die Ausländer raus sind?“
Ein Stück abseits der grölenden Kameraden setzen wir uns auf eine Bierbank
vor dem Haus der Initiative. „Baseballschläger, Troll-Account und Brandsatz
dürfen nicht mehr die einzigen Kommunikationsmittel bleiben“, sagt Stahl.
Es sei an der Zeit, mehr miteinander zu reden. „Wichtig ist dabei die
Empathie. Also die Fähigkeit, sich in die Nöte des Anderen einzufühlen und
dadurch besser zu verstehen, wo dessen Irrsinn seinen Ursprung hat.“
Denn oftmals seien die Betroffenen schon seit ihrer Kindheit schwer
traumatisiert: „Ein liebevolles Elternhaus, gute Bildung, zu viele
Entscheidungsmöglichkeiten, zu viel Freiheit. Da gerät ein Mensch doch
zwangsläufig auf die schiefe Bahn. Und es handelt sich ja immer noch um
eine Art Menschen.“ Hier zeigt er sich durchaus selbstkritisch. „Diese
Einsicht kam bisher oft zu kurz.“ Fast zärtlich zerquetscht Stahl mit dem
Stiefelabsatz eine Maus, die vergeblich in ihr Loch zu huschen versuchte.
## Umgang mit Fehlgeleiteten
Er zieht eine Broschüre hervor. Das Cover zeigt eine Montage aus
Drag-Queens, Junkies und Grünen-Politikern, im Hintergrund der Reichstag.
Der Hefttitel „Mit Volksverrätern reden“ ist in brauner Frakturschrift
gehalten. „‚<33‘ hat mit Unterstützung des ‚Vereins für nationale Bil…
einen Reader für den Umgang mit Fehlgeleiteten erarbeitet. In achtzehn
Unterpunkten wird zunächst jeweils erklärt, wo die Argumentationslinien des
kranken Geistes verlaufen und wie sich daraus seine verquere Weltsicht
fügt. Im Anschluss wird jeweils ein kurzer Gesprächsleitfaden präsentiert.“
Wir blättern kurz hinein. Die Themen heißen „Moralismus entlarven“ oder
„Die Jünger der Ökodiktatur.“ Dem Kapitel „Homosexualität ist heilbar�…
werden nicht weniger als vier volle Seiten gewidmet. „Das Gespräch kann
sich ungezwungen in jeder dunklen Seitenstraße entwickeln“, lesen wir
weiter. „Nichts spricht gegen eine unverbindliche Eröffnung wie zum
Beispiel: ‚Bist du schwul?‘ So entspinnt sich automatisch eine lebhafte
Unterhaltung über solche Perversionen. Der Schwule wird nun absehbar
entgegnen, es sei halt seine Natur. Daraufhin vermitteln wir ihm ganz
ruhig, dass das ja wohl ein völliger Quatsch ist und er gerne eine aufs
Maul haben kann …“
Ruhe zu bewahren sei überhaupt das Wichtigste in einer Diskussion mit
Andersdenkenden, erläutert Hasso Stahl. Denn da es denen ja an echten
Argumenten mangele, versuchten die politisch Verblendeten im Verlauf des
Gesprächs womöglich, sich diesem durch Flucht zu entziehen – dann natürlich
müssten vorübergehend doch wieder die klassischen Kommunikationsmittel zum
ambulanten Einsatz kommen.
Auf die Punkte „Systempresse und Judenrepublik“ sowie „Muslim, Mörder,
Menschenfresser“ folgt „Schandmal Genderstern“. Der Leiter fasst den Tenor
frei zusammen: „Der Grundirrtum der Gleichmacher liegt in der Annahme eines
Grundanspruchs auf eine faire gesellschaftliche Teilhabe auch für
Minderheiten. Diesen Wahngedanken muss man nicht nur kennen, sondern am
besten auch noch dessen interne ‚Logik‘ nachvollziehen. Daraus ergibt sich
nämlich wie von selbst die richtige Antwort: ‚Nö, da habt ihr euch
geschnitten.‘ Im Anschluss macht man ihnen das natürliche Prinzip klar:
Mann, Frau, Kind, Hund, Auto.
Und ein Unisex-Klo braucht ebenfalls keiner. Die können doch auf die Straße
schiffen wie jeder anständige Deutsche auch. Es ist ja nicht so, dass die
das alles nicht verstehen könnten – sie wollen bloß nicht.“ Manchmal müs…
man ihnen da ein bisschen in die Spur helfen, denn sanfte Schläge auf den
Hinterkopf erhöhten ja bekanntlich das Denkvermögen.
Nachdenklich kratzt sich Stahl mit dem Teleskopschlagstock den Rücken.
„Eines müssen wir Rechten stets im Hinterkopf behalten: Der Andersgesinnte
sehnt sich in seiner kulturellen Orientierungslosigkeit unbewusst nach
einem festen Halt in einer vorgegebenen Werteordnung. Er wartet also
geradezu auf die Erlösung, und genau diesen Weg dahin können wir ihm
mithilfe unserer niedrigschwelligen Gesprächsangebote ebnen. Es ist eine
echte Sieg-Heil-Konstellation.“
14 Jun 2019
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Kommunikation
Nazis
Cornelia Wockel
E-Roller
Schwerpunkt Wohnen ist Heimat
Bildungspolitik
Claas Relotius
Youtube
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