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# taz.de -- Kolumne Geht’s noch?: Zu viel Müll im Beutel
> Plastiktüten vermeiden ist der neue Volkssport der Ökos. Wer nachhaltig
> handeln will, muss sein Konsumverhalten aber radikaler umstellen.
Bild: Auf Plastiktüten verzichtest du lieber? Na herzlichen Glückwunsch, dann…
Plastiktüte! Das Wort wirkt ähnlich wie „Erdbeereis“ auf einem
Kindergeburtstag. Wer es ausspricht, hat die Aufmerksamkeit aller.
Letzteres ist lecker, Erstere bisweilen gefährlich. Plastikmüll tötet
Schildkröten, Wale und Vögel; zerrieben zu kleinsten Partikeln, [1][findet
er sich in Menschen], Honig, Fischen – mit weitgehend unbekannten Folgen.
Zudem bildet der preisgünstige Erdölrohstoff die Grundlage für einen
Massenkonsum, der den Planeten überstrapaziert. Der vielzitierte
„nachhaltige Umgang mit Plastik“ ist also ein Thema, dem wir uns stellen
müssen.
Allerdings nicht, indem wir jedeN BundesbürgerIn zu einem Crashkurs in
Verpackungslehre samt Offenlegung der verwendeten Verpackungsmaterialien
nötigen. Es scheint ja nur eine Frage der Zeit zu sein, dass jedeR jährlich
die Zahl der verwendeten Hemdchenbeutel oder Plastiktüten mit einer
Wandstärke von unter 50 Mikrometern bei einer Beutelbehörde angeben muss
und die Benutzung von Einmalplastiktellern als Straftatbestand ins
Strafgesetzbuch aufgenommen wird.
Diese Hysterie führt zu surrealen Situationen: Die Verkäuferin bei H&M
schiebt der Kundin einen Berg von unter höchstwahrscheinlich äußerst miesen
Bedingungen und hohem Ressourcenaufwand produzierten Textilien über den
Ladentisch und sagt dann streng: „Geht ohne Tüte, oder?“
Und die Besucherin im Mediamarkt – drei Stockwerke Elektroschrott von
morgen – kann sich ihres nachhaltigen Betragens sicher sein, obwohl sie mit
ihrem Einkauf zur unwiederbringlichen Feinverteilung knapper Metalle
beiträgt, deren Gewinnung Giftschlamm produziert und Energie verschlungen
hat. Den Milchschäumer mit Sensor für unterschiedliche Schaumtexturen trägt
sie ja im mitgebrachten Stoffbeutel nach Hause.
Der hat zwar, wenn er nicht Dutzende Male benutzt wird, keine bessere
Ökobilanz als eine Plastiktüte. Genauso wie eine Papiertüte keine
Alternative zum Hemdchenbeutel darstellt, schon gar nicht, wenn sie aus
frischen Fasern besteht. Das Publikum war da schon mal weiter und ahnte,
dass es nicht sinnvoll sein kann, einen jahrzehntelang gewachsenen Baum zu
einem Gegenstand zu schreddern, der nach einmaliger Nutzung im Müll landet
und womöglich nicht einmal recycelt werden kann, weil er feucht ist,
dreckig oder mit dem falschen Kunststoff überzogen.
Nein, wir müssen keine Tütchen zählen, sondern auf Konsum verzichten. Das
klingt eher nach Möhrenschnitz als nach Erdbeereis. Ist gesünder, will aber
keiner.
11 Jun 2019
## LINKS
[1] /Studie-weist-Kunststoff-im-Koerper-nach/!5545344
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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