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# taz.de -- Kolumne Macht: Der Fall Amnesty International
> Mobbing, Suizide, Etat-Probleme und nun auch noch Entlassungen: Amnesty
> International ist in einer Krise. Schlimm, aber kein Anlass zur Häme.
Bild: Sieht zwar friedlich aus, aber bei Amnesty International läuft grad eini…
Viel schlimmer kann es für Amnesty International eigentlich nicht mehr
kommen. Allein am Hauptsitz London sollen fast 100 Arbeitsplätze wegfallen,
weltweit noch deutlich mehr, um ein dramatisches Loch im Etat zu stopfen.
Immerhin fehlen der Menschenrechtsorganisation bis Ende 2020 knapp 20
Millionen Euro. „Unverantwortliche Verschwendungssucht“ der Führungsebene
ist laut Alan Scott von der größten britischen Gewerkschaft Unite einer der
Hauptgründe für die Misere.
Zyniker könnten sagen, dieses Problem erledige sich ja demnächst von
selbst. Fast das gesamte obere Management muss die Organisation nämlich in
den nächsten Monaten verlassen, nachdem im Februar ein externer
Untersuchungsbericht zu dem Ergebnis gekommen ist, bei Amnesty herrsche
[1][ein vergiftetes Arbeitsklima]. Mobbing sei an der Tagesordnung,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter blieben mit ihren Problemen allein.
Anlass für den Bericht waren zwei Suizide im letzten Jahr. Ob der Freitod
einer Praktikantin in London mit den Arbeitsbedingungen zusammenhing,
konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Aber Gaëtan Mootoo, der 30 Jahre
bei Amnesty gearbeitet hatte, nahm sich im Pariser Büro der französischen
Sektion das Leben und begründete seinen Schritt in einem Abschiedsbrief dem
Vernehmen nach mit unerträglichem Arbeitsdruck.
Wer den Bericht liest, ahnt, was er gemeint haben könnte. „Hau ab hier“,
sei einem Mitarbeiter in einer Konferenz gesagt worden. „Wenn du bleibst,
wirst du deines Lebens nicht mehr froh.“ Die Zahl der Fälle von Schikane,
Rassismus und Sexismus, die der Kommission erzählt worden seien, sei
„alarmierend“. Offenbar wurden Angestellte auch dazu gezwungen, hohe
Risiken einzugehen: „´Wenn Du die Aufgabe nicht erfüllst, bist du hier am
falschen Platz´, sagte mein Manager, als ich ernste Gründe hatte, eine
Reise wegen politischer Instabilität nicht antreten zu wollen.“
## Schikane, Rassismus, Sexismus
Die Reaktion in sozialen Netzwerken auf die Verhältnisse bei Amnesty ist
häufig – na, was wohl? Erraten. Häme. Da sei doch wieder einmal der Beweis
erbracht, dass Gutmenschen auch nicht besser seien als alle anderen Leute.
Und: So ernst könne es der Organisation mit den Menschenrechten ja wohl
nicht sein.
Warum es ein Anlass zur Genugtuung ist, wenn ausgerechnet Leute leiden, die
sich für Schwache einsetzen, erschliesst sich mir nicht. Aber da ja sogar
ein ungeklärter Mord im Netz einen Begeisterungssturm hervorrufen kann,
sollte ich mich vermutlich nicht wundern.
Interessant scheint mir an den Zuständen bei Amnesty etwas anderes zu sein.
Folgt man nämlich dem Bericht, dann scheint es in der Tat kein Zufall zu
sein, dass sich ein derartiges Regime ausgerechnet bei einer
Menschenrechtsorganisation etablieren konnte. Ja, sie wünschten sich
Gerechtigkeit, erklärten zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber
unter gar keinen Umständen wollten sie dem Ruf von Amnesty schaden und die
Arbeit untergraben. Es gebe da einen schweren inneren Konflikt: „Viele
engagierte Leute haben wegen dieser inneren Spannung geschwiegen und sich
schlechte Behandlung gefallen lassen.“
Möglich, dass selbstsüchtige, rücksichtslose Manager es gerade dort
besonders leicht haben, wo es den meisten Leuten tatsächlich um die Sache
geht – und nicht in erster Linie um Geld und um das eigene Fortkommen. Und
wo Enthüllungen nicht Schadenfreude, sondern oft einfach Trauer
hervorrufen. Wer meint, dass ich bei diesen Sätzen nicht nur an
Menschenrechtler, sondern auch an manche politischen Organisationen denke,
liegt richtig.
8 Jun 2019
## LINKS
[1] /Toxische-Arbeitsbedingungen/!5599004
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Menschenrechte
Amnesty International
Sexismus
Mobbing
doppelte Staatsbürgerschaft
Schwerpunkt AfD
CDU
China
Schwerpunkt Rassismus
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