Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 10. Geburtstag der „heute-show“: Witzig, aber auf die gemütlic…
> Vielen ist die ZDF-Satiresendung „heute-show“ zu seicht. Aber sie
> erreicht stabil gute Quoten – und hat anderen Formaten den Weg geebnet.
Bild: Oliver Welke moderiert, Martina Hill spielt verschiedene Figuren
Berlin taz | Es ist Witzemachen nach bekanntem Schema, und das verläuft
jeden Freitag in etwa gleich: Oliver Welke sitzt am Nachrichtenpult, reißt
ein paar flache Scherze, zieht ein paar Politiker*innen durch den Kakao.
Es folgen Sketche mit wiederkehrenden, überzogenen Figuren, ab und zu sind
Promis zu Gast. Als Zuschauer*in muss man zwischendurch schmunzeln, selten
laut lachen. Man wird geistig nicht allzu sehr gefordert, eher nett und
ungefährlich unterhalten. Und trotzdem schauen jede Woche drei Millionen
Menschen zu. Ja, die „heute-show“, die gibt es immer noch, und zwar seit
genau zehn Jahren. Und ja, sie läuft ziemlich gut – je nachdem, welche
Maßstäbe man anlegt.
[1][Am 26. Mai 2009 sendete das ZDF die erste Folge.] Damals noch auf einem
eher unattraktivem Sendeplatz, dienstags um 23 Uhr, im Anschluss an die
Sendung „Neues aus der Anstalt“, die klassisches deutsches Fernsehkabarett
verkörperte. Die „heute-show“ war anders, sie adaptierte das Format der
US-amerikanischen „Daily Show“ – Politsatire über aktuelle nachrichtliche
Ereignisse, das gab es so bis dahin nicht. Und zunächst hatte es die neue
Sendung mit dem deutschen Publikum auch nicht leicht. Anfänglich schalteten
zwischen einer und zwei Millionen ein, das ist nett, aber nicht überragend.
Trotzdem gab es bald Fernseh- und Comedypreise, einmal erhielt die
Satireshow den Bambi und einmal den Grimme-Preis.
Und dann ging es quotenmäßig bergauf. Mittlerweile ist die „heute-show“
eine der erfolgreichsten Sendungen des ZDF und liegt stabil bei drei
Millionen. Quote ist nicht immer der entscheidende Wert, aber sie ist
wichtig, wenn es um die Frage geht, ob man sie noch braucht, die
„heute-show“.
Denn an der Qualität gibt es immer wieder Kritik. Humoristisch gilt die
Quatschsendung niemandem als Vorreiterinstitution. Politisch mutig ist sie
auch nicht gerade. Das bemängelte zum Beispiel gerade der Medienkritiker
[2][Hans Hoff in einem offenen Brief an die Sendung] im Medienmagazin DWDL.
„Mensch, ‚heute-show‘“, schreibt Hoff. „Du wirst zehn Jahre alt. Rei�…
mal am Riemen.“ Die Show sei einmal intelligent gewesen, ruhe sich nun
jedoch auf ihrem Erfolg aus. Mit den Gags werde die Sendung sogar „in der
KiTa ausgebuht“. Der Vorwurf: Mit den steigenden Quoten sinkt die Qualität,
sinkt der Anreiz, aus dem bewährten Schema auszubrechen.
Andere Sendungen gelten als anspruchsvoller, andere Sendungen werden zum
Gespräch. „Neo Magazin Royale“ von Aktionskomiker Jan Böhmermann, oder �…
Anstalt“, Nachfolgeformat von „Neues aus der Anstalt“. Böhmermann schafft
es, sich ständig ins Gespräch zu bringen, und „Die Anstalt“ überzeugt du…
Investigativrecherchen und einen bissigen Ton. Die trauen sich was. Und die
„heute-show“?
Georg Hirschberg leitet Prime Productions, die Produktionsfirma hinter der
„heute-show“. Er findet nicht, dass „sich etwas trauen“ die richtige
Kategorie sei. „Wir machen 33 Sendungen im Jahr“, sagt er. Die Sendung
schaue auf den politischen Betrieb und picke sich die relevanten Themen
heraus. „Wir wollen die Zuschauer zum Lachen und zum Nachdenken bringen.
Damit treffen wir zu unserer großen Freude den Nerv des Publikums.“ Das
zeigten die Quoten und die drei Millionen Fans in den sozialen Netzwerken,
findet Hirschberg.
## Gekreuzigter Osterhase
Eine Sendung also, die nicht den Anspruch hat, anzuecken, sondern einfach
möglichst viele möglichst gut unterhalten will – [3][und nebenbei ein paar
politische Inhalte vermitteln.] Die Witze sind für alle verständlich, man
muss nicht bei jedem Thema auf dem allerneuesten Stand sein. Die
„heute-show“ ist eine Serviceleistung für die, die zwar politisch
interessiert sind, aber nicht allzu sehr. Und Welke ist eine willkommene
Konstante am Freitagabend.
Es gab natürlich ein paar Highlights und Kontroversen in den vergangenen
zehn Jahren, Ereignisse, die für Aufmerksamkeit sorgten. Im Oktober 2014
verweigerte der Bundestag der „heute-show“ die Drehgenehmigung. Die
Begründung: Es handele sich nicht um „politisch-parlamentarische
Berichterstattung“. Oliver Welke las die Mitteilung des Pressesprechers in
der Sendung vor. Kurz darauf durfte die „heute-show“ wieder im Bundestag
drehen.
Zwei Jahre später, zur Bundespräsidentenwahl in Österreich 2016, nach dem
ersten Wahlgang, in dem der Rechtspopulist Norbert Hofer gewann, ging ein
von der „heute-show“ publiziertes Schnitzel in Hakenkreuz-Form durch die
sozialen Medien. Im April 2018 führte dann ein gekreuzigter Osterhase zu
zahlreichen Strafanzeigen. Aber das war’s auch schon. Eine Handvoll
Skandälchen in zehn Jahren.
Dafür sorgen die anderen. Gerade erst hat sich Jan Böhmermann gekonnt auf
die Enthüllungen zum österreichischen Vizekanzler Strache gesetzt.
Derartige Aktionen schaffen punktuell riesige Aufmerksamkeit.
## Comedy und Aufklärung
Allerdings kommt „Neo Magazin Royale“ im linearen Fernsehen bisher nur auf
eine Million Zuschauer*innen. Mediathekenaufrufe kommen dazu, aber auch
dann bleibt Böhmermann weit hinter der „heute-show“. Auch „Die Anstalt“
holt weit weniger Menschen vor den Bildschirm, durchschnittlich zwei
Millionen.
Und dazu kommt: Den Weg für Politsatire im deutschen Fernsehen frei gemacht
hat erst die „heute-show“. Das sagt Katharina Kleinen-von Königslöw,
Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der
Universität Hamburg.
Kleinen-von Königslöw hat sich in einer Analyse mit der Frage beschäftigt,
wie die Übersetzung eines US-amerikanischen Formats für ein deutsches
Publikum gelungen ist und wie es die Sehgewohnheiten verändert hat. „Die
„heute-show“ ist das erste politische Satireformat, das es im deutschen
Fernsehen auf Dauer geschafft hat, sich zu etablieren.“ Durch die
„heute-show“ akzeptiere das Publikum jetzt eine andere Art von Satire –
deutlich spielerischer, weniger moralisierend.
Kurioserweise würde Kleinen-von Königslöw die „heute-show“ nicht als ihre
liebste Satireshow bezeichnen. „Die Sendung ist sehr mainstreamig, setzt
nicht viel politisches Wissen voraus und baut auf den einfachen Witz.“ Sie
schaue privat eher Böhmermann. Dort komme die Grundlinie „Nazis – nein,
danke“ viel stärker heraus, was sie richtig und gut finde.
Die „heute-show“ mag nicht so bissig und scharf daherkommen, sie macht
lieber Witzchen auf Kosten von Politiker*innen. Satire, die zwar böse ist,
aber auf einem Level bleibt, das ein breites Publikum mit unterschiedlichen
politischen Ausrichtungen akzeptieren kann; eine Mischung aus Comedy und
Aufklärung.
Das, was Welke da jeden Freitagabend quatscht, funktioniert. Die
„heute-show“ hat das deutsche Publikum im Rezipieren dieser Form der
Politsatire, im Lachen über diese Art von Witz geschult und damit neuen
Formaten ein Eintrittsticket in den Markt geschenkt. Man könnte sogar so
weit gehen zu behaupten: Einen Jan Böhmermann würde es ohne die
„heute-show“ nicht geben.
24 May 2019
## LINKS
[1] /Newssatire-im-ZDF/!5162479
[2] https://www.dwdl.de/hoffzumsonntag/72372/liebe_heuteshow_wo_ist_deine_ambit…
[3] /Humor-Politik-Fernsehen/!5046034
## AUTOREN
Hanna Lohoff
## TAGS
heute show
ZDF
Satire
Jan Böhmermann
US-Wahl 2024
heute show
ZDFneo
Carolin Kebekus
Shahak Shapira
Jan Böhmermann
## ARTIKEL ZUM THEMA
Jon Stewart zurück mit „Daily Show“: Trostspender fürs liberale Amerika
Drei Präsidenten hat er mit seiner Show satirisch begleitet, nun kehrt Jon
Stewart nach langer Pause zurück. Ein Blick in die progressive Seele
Amerikas.
Nach Angriff auf Team der ZDF-„heute-show“: Polizei nimmt sechs Personen fe…
20 Vermummte hatten am Freitag in Berlin ein Drehteam um den Comedian
Abdelkarim attackiert. Die Polizei meldet nun einen Ermittlungserfolg.
Laura Karasek über ihre Show bei ZDFneo: „Unvorhersehbarkeit finde ich sexy�…
Laura Karasek übernimmt für den Sommer den Sendeplatz von Jan Böhmermann.
Ein Gespräch über guten Fernsehtalk, Vorurteile und die Promiblase.
Carolin Kebekus über „Pussy Terror TV“: „Mal kurz auf den Tisch scheiße…
Feminismus ist nicht mehr bieder, sagt Carolin Kebekus. Die Komikerin
reitet auf Tampons und will sich ihren Hang zum Vulgären unbedingt
bewahren.
Shahak Shapira über „Shapira Shapira“: „Du musst auf die Fresse fallen“
Shahak Shapira bekommt seine eigene Comedy-Show. Uns erklärt er, was den
Deutschen zum Lustigsein fehlt und warum Nazi-Denke nichts mit Politik zu
tun hat.
Die Wahrheit: Mit Lach und Krach
Humorpolitik einfach erklärt: Was aus der lustigen Satirestaatsaffäre zu
lernen ist und welche neuen Power-Pointen-Paare auf uns zukommen.
Die "heute show" mit Oliver Welke: Allein gegen die Gurkentruppe
Als Moderator und Autor der "heute show" parodiert Oliver Welke den
Wahnsinn des politischen Betriebs in Berlin und verschont dabei auch den
eigenen Sender nicht (22.30 Uhr, ZDF).
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.