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# taz.de -- Friedensprozess in Kolumbien: Willkürlich morden auf Befehl
> Ein Artikel der „New York Times“ beschäftigt Kolumbien: Tötet die Armee
> wieder Unbeteiligte, um Quoten zu erfüllen?
Bild: Soll höhere Todesquoten angeordnet haben: Kolumbiens Heereschef Nicacio …
Bogotá taz | Der Friedensprozess in Kolumbien erlebt eine Feuerprobe. Wie
die [1][New York Times] aufgedeckt hat, verlangt die Armee von Soldat*innen
mehr tote Kriminelle und Rebell*innen – und riskiert den Tod von
Unschuldigen. Das weckt in Kolumbien Erinnerungen an einen der größten
Skandale des Bürgerkriegs: [2][„Falsos positivos“], in etwa: falsche
gegnerische Verluste, so wurden beschönigend die Zivilisten genannt, welche
die Armee auf Druck der Regierung in den 2000er-Jahren ermordete, um Quoten
zu erfüllen.
Soldat*innen töteten damals schätzungsweise 5.000 unschuldige Menschen und
gaben sie als Guerilleros aus. Die meisten waren Bauern, aber auch
Obdachlose und Drogenabhängige wurden ermordet, als Rebellen verkleidet und
teils Waffen neben ihren Leichen deponiert. Die Soldat*innen bekamen
Kopfprämien.
Ähnliches könnte jetzt wieder passieren, befürchten hochrangige Militärs.
Laut New York Times hatte der Kommandant des Heeres die Vorgabe ausgegeben,
die Zahl der Getöteten, Gefangenen und Ergebenen zu verdoppeln.
Gleichzeitig verringerte er die Vorgaben zum Schutz der Zivilist*innen: Die
Militäroperationen müssten eine Genauigkeit von 60 bis 70 Prozent haben
statt wie bisher 85 Prozent. Sogar eine Zusammenarbeit mit bewaffneten
kriminellen Gruppen sei erlaubt, wenn sich dadurch Informationen beschaffen
ließen.
Wie damals bei den falsos positivos wurde als Anreiz unter anderem
Extra-Urlaub in Aussicht gestellt. Kommandant des Heeres Nicacio de Jesús
Martínez bestätigt im Artikel, dass er diese Vorgaben angesichts der
steigenden Bedrohung durch Guerillas, Paramilitärs und Kriminelle
ausgegeben habe.
## 128 ermordete Ex-Guerilleros seit 2016
Die Veröffentlichung fällt in eine Zeit, in der das geringe Vertrauen in
die Armee zusätzlich erschüttert ist. Der Fall des ehemaligen
Farc-Guerilleros Dimar Torres war der größte Skandal. Torres wurde Ende
April grausam ermordet. Eine Gruppe Soldaten versuchte, seine Leiche zu
verscharren. Nur weil Torres’ Nachbarn ihn suchten und die Soldaten
ertappten, kam die Tat ans Licht. Während der örtliche Kommandant sich bei
den Dorfbewohner*innen kurz darauf für den Mord an Torres entschuldigte,
sprach Verteidigungsminister Guillermo Botero lange von einem Unfall.
Die Opposition leitete ein Misstrauensvotum gegen Botero ein, zog es jedoch
kurz vor der entscheidenden Abstimmung zurück – mit der Begründung, es gebe
neue „schwerwiegende Informationen“ – denkbar, dass damit schon gemeint
war, was die New York Times dann veröffentlichte.
Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Regierung und
Farc-Guerilla Ende 2016 sind bis Ende April 2019 128 ehemalige
Kämpfer*innen ermordet worden, zuletzt der ehemalige Kommandant Wilson
Saavedra.
Kommandant Nicacio de Jesús Martínez kündigte am Montag an, dass die
Heeresleitung die Vorgaben überarbeiten werde, um „falsche Interpretationen
zu vermeiden“. Er betonte, keinen Druck auf Untergebene ausgeübt zu haben.
Verteidigungsminister Botero räumte ein, dass sich die Zahl der Getöteten
zwischen August 2018 und Mai 2019 um 19 Prozent erhöht habe, die Zahl der
Operationen um mehr als die Hälfte. Es gebe jedoch keine Politik des Drucks
oder der Anreize.
## US-Journalist im Visier der Rechten
Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Artikels hatten Vertreter*innen
der Regierungspartei Centro Democrático eine Diffamierungskampagne gegen
den Journalisten Nicholas Casey gestartet, den Autor und Chef des
Anden-Büros der New York Times. Allen voran die in mehrere
Korruptionsskandale verwickelte Senatorin María Fernanda Cabal unterstellte
Casey, er habe sich von den Farc-Rebellen bezahlen lassen. Sie versah einen
Tweet mit zwei Fotos, die den Journalisten bei der Recherche bei den Farc
zeigen sollten, und startete den Hashtag #CaseyEsFakeNews.
Auch Expräsident Alvaro Uribe, erbitterter Gegner des Friedensabkommens,
schloss sich der Kampagne an. „Journalisten“ – wie Cabal setzte er das Wo…
in Anführungszeichen – wie Casey würden den Drogenterrorismus schützen und
die Streitkräfte diffamieren. In Uribes Amtszeit fiel der Skandal um die
falsos positivos.
Der Artikel löste auch eine Debatte um die Unabhängigkeit der
kolumbianischen Medien aus. Kolumbianische Journalist*innen und Leser*innen
beglückwünschten Casey zu dem Scoop. Gleichzeitig kritisierten viele, dass
kein heimisches Medium die Geschichte veröffentlicht hatte. Wie das
Onlinemedium [3][La Silla Vacía] schreibt, hatten dieselben Dokumente der
Zeitschrift Semana vorgelegen. Doch diese veröffentlichte den fertigen
Artikel nicht. Stattdessen soll sie die Regierung darüber informiert haben.
24 May 2019
## LINKS
[1] https://www.nytimes.com/2019/05/18/world/americas/colombian-army-killings.h…
[2] /Hohe-Haftstrafe-fuer-Militaer/!5116367
[3] https://lasillavacia.com/semana-tenia-investigacion-del-new-york-times-71681
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
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