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# taz.de -- Farc und Kolumbiens Friedensprozess: Ex-Guerillero gefoltert und er…
> Direkt vor dem Besuch von Bundesaußenminister Maas fordert Kolumbiens
> Opposition den Rücktritt von Verteidigungsminister Botero.
Bild: Friedensbefürworter protestieren am Montag in Bogota gegen Gewalt gegen …
BOGOTA taz | Dimar Torres wollte ein neues Leben beginnen. Doch der frühere
Farc-Milizionär wurde von einem Soldaten ermordet und zuvor wohl gefoltert.
Die Tat erschüttert Kolumbiens Friedensprozess und weckt Erinnerungen an
dunkelste Kapitel des Krieges. Das liegt auch am Verteidigungsminister, der
sich in Widersprüche verwickelt.
Kurz vor dem Besuch des deutschen Bundesaußenministers Heiko Maas in
Kolumbien weitet sich der Fall zum Skandal aus. Bekannt wurde Torres' Tod
vor gut einer Woche nur, weil eine Senatorin der Farc-Partei darüber
twitterte.
Die Partei wurde 2016 nach dem Friedensabkommen gegründet. Das beendete den
mehr als 50-jährigen bewaffneten Konflikt mit der Farc. Doch die Wahrheit
über Torres' Tod kam überhaupt nur ans Licht, weil sich seine Nachbar*innen
auf dem Dorf nicht abwiegeln ließen.
Verteidigungsminister Botero hatte zwei Tage nach Torres' Tod noch von
einem „Unfall“ gesprochen und sich dabei, wie er später einräumen musste,
nur auf Angaben des Militärs und des beschuldigten Soldaten gestützt: Der
sei auf dem Weg zu Kameraden gewesen, die eine Pipeline vor Sabotageakten
schützten. Dabei sei er Torres begegnet, der ihm seine Waffe wegnehmen
wollte. Im anschießenden „Gerangel“ habe sich der tödliche Schuss gelöst.
## Dorfbewohner*innen legen Videobeweise vor
Die Bewohner*innen der Gemeinde Convención in der Region Norte de Santander
sprachen dagegen von Anfang von Mord. Dafür legten sie Videobeweise vor,
die ein Nachrichtensender teils verpixelt veröffentlichte. Sie hätten sich
Sorgen um Torres gemacht, Schüsse gehört und ihn gesucht.
Als sie in das Militärlager kamen, wären Soldaten gerade dabei gewesen,
eine menschengroße Grube auszuheben. Etwas abseits fanden die
Dorfbewohner*innen Torres' Leiche. Sein Unterleib war nackt, sein Schädel
zertrümmert, sein Körper voll Folterspuren.
Die Bilder legen nahe, dass die Soldaten seine Leiche verscharren wollten.
In der Öffentlichkeit war sofort von einem neuen Fall von „falsos
positivos“ die Rede. So hießen die Tausenden unschuldigen Zivilisten, die
Soldaten während des bewaffneten Konflikts umbrachten, als Guerilleros
ausgaben und dafür Prämien kassierten.
Die Friedenskommission des kolumbianischen Senats, die in die Region reiste
und das Videomaterial sichtete, nannte die Tat eine „außergerichtlichen
Hinrichtung“. Diese sei eine Gefahr für den Friedensprozess, denn der
verlange das Leben der Kämpfer zu respektieren, die ihre Waffen
niedergelegt hätten.
## General widerspricht Verteidigungsminister
Für Aufsehen sorgte Diego Villegas, der General der Einheit, in der der
mittlerweile angeklagte Soldat dient. Villegas stellte sich bei einer
Anhörung der Friedenskommission auf die Bühne und bat die Dorfgemeinschaft
um Verzeihung für den Mord. Er sagte dass Soldaten seiner Einheit die Tat
begangen hatten, es aber keine Militäroperation gewesen sei.
Damit widersprach er der Version des Verteidigungsministers, was in
Kolumbien eine absolute Ausnahme ist. Villegas forderte von der
Staatsanwaltschaft restlose Aufklärung und eine Bestrafung des Schuldigen.
Damit löste er Rücktrittsforderungen gegen Botero aus.
Gegen Villegas selbst wird derzeit ermittelt wegen einer möglichen
Beteiligung an einer außergerichtlichen Hinrichtung im Jahr 2008. Er will
deshalb vor dem Sondergericht für den Frieden aussagen.
Verteidigungsminister Botero musste sich inzwischen korrigieren. Denn die
Ergebnisse der Gerichtsmedizin bestätigten, dass Torres mit vier Schüssen
ermordet wurde, erklärte Generalstaatsanwalt Néstor Umberto Martínez.
Der Soldat ist mittlerweile angeklagt. Minister Botero betont bis heute, er
sehe keine Grund, zurückzutreten. Er hat einen anderen Südenbock: Villegas
sei gar nicht befugt gewesen, um Verzeihung zu bitten.
Laut der Friedenskommission hat Botero zudem ein Straf- und
Disziplinarverfahren gegen Villegas eingeleitet. Am Montagmorgen sagte
Botero in einer Radiosendung: „Wenn es Mord war, muss es einen Grund dafür
gegeben haben.“ Das interpretierten viele als Rechtfertigung. Die
Opposition stellte noch am selben Tag einen Misstrauensantrag gegen Botero.
Seit Unterzeichnung des Friedensabkommens wurden in Kolumbien 129 ehemalige
Farc-Kämpfer*innen ermordet.
30 Apr 2019
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
Kolumbien
Farc
Friedensprozess
Militäreinsätze
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