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# taz.de -- Gruppenausstellung in Potsdam: Mindmap der Seidenstraße
> Austausch längs der neuen Wirtschaftsroute: Im KunstHaus Potsdam bringt
> Andreas Schmid Werke von Chinareisenden zusammen.
Bild: Arbeiten von Susanne Jung (li) und von Qiu Zhijie in der Ausstellung zur …
Die Geschichte der Seidenstraße ist über tausend Jahre alt. Ferdinand von
Richthofen gab den vielen Handelswegen, die Ost- und Zentralasien mit dem
Mittelmeerraum und Europa verbinden, 1877 ihren bekannten Namen. Doch das
Netz wurde nicht nur für Güter wie Seide, Wolle oder Gold benutzt. Ganze
Kulturen und Religionen entwickelten über diese Landwege einen regen
Austausch. Diesen Aspekt wollte Andreas Schmid mit der Ausstellung „Chinas
alte Seidenstraße – ein Kaleidoskop“ im KunstHaus Potsdam beleuchten.
Er lud KünstlerInnen wie Dorothea Nold, Beate Terfloth oder Bignia Wehrli
ein, die er im Laufe seiner Arbeit als Künstler, Kurator und Spezialist der
chinesischen Kalligrafie kennengelernt hatte und die sich ebenfalls mit
China in ihrer Kunst beschäftigten. Dazu gehört Susanne Jung, die 2014 das
erste Mal nach China reiste und die westchinesische Provinz Gansu besuchte.
Ihre Malerei aus abstrakten, rechteckigen Farbfeldern in der Ausstellung
ist von der Höhlenmalerei in Dunhuang inspiriert.
Ihr größtes Werk im KunstHaus Potsdam ist ähnlich der chinesischen
Tradition als Rollbild an der Wand angebracht. Hinter ihrem Gemälde sind
buddhistische Motive von einer Aufnahme einer Höhlendecke zu sehen, die
Jung als Fließtapete anbringen ließ. Ein ganzes Universum ist dort
abgebildet, mit vielen Erzählungen des Buddhismus als Narration. Die
Abbildungen in einer Höhle neben dem Iokalen Handelsweg halfen,
vorbeiziehenden Kaufleuten die Religion und Kultur des Ortes zu erklären.
Jung nahm das Deckenmotiv als Inspiration und übersetzte es ins abstrakte
Formen. Ein Austausch zwischen den Bildsprachen.
## Ehrgeiz und Zensur
Dieser Aspekt des kulturellen Austausches ist wichtig, vor allem, weil in
dem strategisch aufgeladenen neuen Konzept der Handelswege die Kultur außer
Acht gelassen wird. Mit einer Neuen Seidenstraße, auch One Belt, One Road
genannt, verfolgt der chinesische Staatspräsidenten Xi Jinping ein
ehrgeiziges Ziel. Er möchte Europa über Russland und Zentralasien sowie den
Mittleren Osten miteinander verbinden und den Ausbau der Infrastruktur
zwischen den Ländern fördern.
Die Kunst und der Kunstmarkt werden von der Partei hingegen immer stärker
zensiert. Dass Jung, nachdem sie vor Ort uigurische KünstlerInnen
kennenlernte, 2016 eine Ausstellung in der Hauptstadt der Provinz Urumqi
hatte, wäre heute kaum noch vorstellbar.
Umso bemerkenswerter ist es, dass Schmid auch den chinesischen Künstler Qui
Zhijie in Potsdam zeigen kann. Der ehemalige Student an der Kunstakademie
in Hangzhou und der Kurator trafen bereits 1993 aufeinander. Schon damals
fiel Schmid das Talent des Studenten auf. Qui wurde in späteren Jahren als
Videokünstler, Fotograf und Kurator bekannt. 2012 leitete er die Schanghai
Biennale. Weil er inzwischen Dekan an der Central Academy of Fine Arts in
Peking ist, dürfte er oft mit der Partei und dessen Vorgaben in Berührung
kommen.
## Reichtum an Informationen
Für die Gruppenausstellung in Potsdam zeichnete Qui eine riesige Landkarte
von Teilen Asiens, Europa und Teilen Afrikas, die seinem rein subjektiven
Maßstab folgt. Dabei reflektiert der Künstler in akribischen Details die
arabisch-chinesischen Beziehungen. Man entdeckt in seiner Zeichnung das
inzwischen unbenannte Richthofen-Gebirge in der Nähe Dunhuangs oder
zahlreiche Schiffe, die untergegangen sind. Mekka findet man als umkreisten
Ort auf der Karte.
Durch den immensen Reichtum an Informationen und Andeutungen kann man kaum
fassen, dass Qui nicht jahrelang recherchiert hat, sondern seine Mind Map
kurzfristig anfertigte. Den alten uigurischen Spruch, den man in dem Gebiet
von Xinjiang auf der Karte findet, sollte man sich zu Herzen nehmen: „True
knowledge should be learned intently. Even if it could only be found in a
country as far as China.“
Der Verweis auf die turksprachige Ethnie der Uiguren ist ein weiteres
Themengebiet der Ausstellung. In einer Videopräsentation von Merhaba
Schaich wird Gegenwartskunst der muslimischen Minderheit gezeigt, deren
Identität besonders in den letzten Jahren durch Umerziehungslager und
Überwachung gezielt zerstört wird. Unter den Bildern in der Projektion sind
realistische und impressionistische Werke, unter denen sich auch abstrakte
Motive befinden, in deren Hintergrund eine Stadt dargestellt ist.
## Der holprige Weg zwischen den Bergen
Die Landschaft kennt Andreas Schmid gut. Er war als Student in den 80er
Jahren zwei Mal in der Provinz Xinjiang. Seine eigenen Werke in der
Ausstellung beziehen sich auf seine Erlebnisse dort. Auf einer Fotografie
in seiner Wandinstallation aus Lichtbildern und einschneidenden oder
verbindenden Linien zwischen den Aufnahmen erkennt man eine Moschee, die
gerade zerstört wird.
Auf einer weiteren Fotografie sieht man schräg stehende Strommasten vor
einer Bergkulisse. Schmid nahm das Foto in der Nähe der pakistanischen
Grenze auf. Er erinnert sich, dass die Leute dort alle freundlich waren. Er
sagt: „Der kleine Holperweg, den man zwischen den beginnenden Bergen und
dem Wasser sieht, das war die Seidenstraße.“
2 Jun 2019
## AUTOREN
Lorina Speder
## TAGS
zeitgenössische Kunst
Kulturaustausch
China
Seidenstraße
Uiguren
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Seidenstraße
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