# taz.de -- Kolumne Zwischen Menschen: Nie wieder Flixbus | |
> Die günstigen Preise von Flixbus sind verführerisch. Nur, wie kommen sie | |
> zustande? Ich bin Flixbus gefahren und hatte zweimal Angst. | |
Bild: Busse des Fernbusanbieters FlixBus | |
Es ist die zweite Flixbus-Fahrt, bei der ich über den Tod nachdenke. Bis | |
zuletzt habe ich überlegt, ob ich nicht doch den Zug nehmen soll. Aber so | |
kurzfristig waren die Preise viel höher. Und der Bus-Abfahrtsort war nah, | |
Berlin, Alexanderplatz. Also jetzt doch wieder Flixbus. Dabei hatte ich mir | |
geschworen, nie wieder mit einem zu fahren. | |
Jetzt aber ist Sonntag, gutes Wetter und die Fahrt mit der Angst liegt weit | |
zurück. An der Busstation ist gerade ein Bus Richtung Leipzig eingefahren. | |
Ich schaue die Menschen an, die einsteigen. Viele sind jung, mehrere Paare | |
verabschieden sich innig voneinander. | |
Dann kommt der Bus nach Hamburg. Der Fahrer läuft durch den Gang, „Alle | |
anschalten“, sagt er und meint „alle anschnallen“. „Das ist sehr wichti… | |
Während der Fahrt leuchtet draußen das Abendlicht, viele geben sich ihren | |
Gedanken hin. Es ist still und fast behaglich im Bus. | |
Später auf der Autobahn platzt eine Nachricht auf meinem Handy in diese | |
Ruhe: Ein Busunfall. Der Bus auf dem Foto ist hellgrün, ein Flixbus. Etwa | |
eineinhalb Stunden vor unserer Abfahrt ist er bei Leipzig mit 75 | |
Passagieren verunglückt. Eine tote Person, viele Verletzte, mehrere | |
schwerverletzt. | |
Auch die anderen im Bus haben nun die Bilder des Flixbus-Wracks auf dem | |
Bildschirm. Ich denke an die Menschen, die auch von Berlin losgefahren | |
sind, die genauso wie ich ein Ticket gebucht haben, weil es günstig ist, | |
weil es gerade passt. Die Stille im Bus ist nun nicht mehr friedlich, | |
sondern betreten. Die Unmittelbarkeit verstört. Hier, im Fahrmittel des | |
gleichen Anbieters ist es, als würde uns diese Nachricht fast körperlich | |
treffen. Man spürt, wie zerbrechlich wir sind, das Risiko, das da ist, | |
sobald wir in ein Verkehrsmittel steigen. Einer der Passagiere geht zum | |
Fahrer, spricht mit ihm. Und ich denke: Lass ihn in Ruhe, lenk ihn nicht | |
ab. | |
Es wird dunkel, meine Gedanken gehen zurück zu der Fahrt vor ein paar | |
Jahren von Berlin nach Hamburg: Ich saß damals direkt hinter dem Fahrer, er | |
fummelte am Navigationsgerät herum, telefonierte. Ein Fahrgast fragte ihn, | |
ob er überhaupt richtig fahre, die Landschaft sähe ungewohnt aus. Der | |
Fahrer hatte sich verfahren. Irgendwann fuhren wir mit dem großen Bus im | |
Dunkeln durch Dörfer, über enge Landstraßen. Der Fahrer fand nicht mehr | |
zurück. Wir waren ihm im dunklen Nirgendwo ausgeliefert. Die Fahrgäste | |
begannen Nachrichten über das Geschehen zu verschicken, wie um etwas zu | |
belegen, falls ein Unfall geschieht. | |
Schließlich navigierte ein Gast den Fahrer mit seinem Handy zurück auf die | |
Autobahn. Dort überzeugten wir den Fahrer, eine Pause zu machen. Wir kamen | |
mit mehreren Stunden Verspätung in Hamburg an. Wir Fahrgäste sind sofort | |
zur Beschwerdestelle gelaufen, wir waren wütend. Ein paar Wochen danach hat | |
mir Flixbus als Entschädigung einen Fünf-Euro-Gutschein für meine nächste | |
Fahrt geschickt. | |
Ich habe mir geschworen, nie wieder Flixbus zu fahren. Doch die günstigen | |
Preise sind verführerisch. Nur, auf wessen Kosten kommen sie zustande? | |
Flixbus antwortet auf Nachfrage zum Unfall, dass die „Sicherheit der | |
Fahrgäste und Fahrer oberste Priorität“ habe und erläutert die | |
Sicherheitsvorkehrungen. Doch Flixbus beschäftigt nicht selbst die | |
Busfahrer, sondern vermittelt die Fahrten an Subunternehmen. Wie genau sind | |
sie ausgebildet? Unter was für einem Wettbewerbsdruck fahren sie? | |
„Wenn etwas für einen bestimmt ist, ist es egal, womit man fährt“, sagt d… | |
Fahrgast hinter mir, als wir über den Unfall sprechen. Er zeigt zur Decke: | |
„Es kommt von oben“, wie um sich zu beruhigen, dass das Schicksal nicht zu | |
lenken ist. Doch ich möchte, dass in der Realität alles dafür getan wird, | |
dass ein Risiko minimiert wird. Und ich unterstütze das System, das ich | |
nutze. Meine Angst, die ich gespürt habe, zeigt mir, dass das günstige | |
Ticket nicht seinen Preis wert ist. | |
Als wir draußen sind, frage ich den Fahrer, ob er von dem Unfall vor der | |
Abfahrt gewusst habe. „Ich verstehe dich nicht“, sagt er. Ich erzähle ihm | |
auf Englisch davon. „Ich wusste nichts. Ich bin gefahren“, sagt er. Und | |
dann, als würden wir auf zwei verschiedenen Seiten stehen, sagt er: „Es tut | |
mir leid.“ | |
26 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Christa Pfafferott | |
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