# taz.de -- Kolumne Sternenflimmern: Fragen, die man aushalten muss | |
> Die Europawahl wirft viele Fragen auf. Einfache Antworten gibt es dafür | |
> oft keine. Da müssen wir aber durch. | |
Bild: Manchen Dingen muss man sich stellen und sie aushalten | |
Diese Europawahlen sind Gold wert. Weil es sie gibt, müssen wir über | |
nationale Grenzen hinaus fragen, denken, streiten. Der Wahlkampf mag nicht | |
sehr leidenschaftlich verlaufen, aber die Wahl bringt, optimistisch | |
gesehen, Fragen auf die Agenda einer breiteren Öffentlichkeit, die sonst im | |
schwarzen Loch akademischer Debatten verschwinden oder sich ab und an in | |
das Feuilleton verirren. | |
Die Europawahlen machen fragbar: Wie steht es um die Zukunft Europas? | |
[1][Wie könnte Europa besser funktionieren?] Müsste das Nationale hinter | |
das Europäische treten, damit Europa besser funktioniert? Ist Europa | |
vielleicht das anti-nationale Pilotprojekt schlechthin? | |
Schöne Fragen, aber wie über sie diskutiert wird, ist nicht immer | |
befriedigend. In deutschen Zeitungen und anderswo wird immerzu ein | |
Antagonismus beschworen: zwischen Globalisierungsverlierern und -gewinnern, | |
zwischen national verankerten Kommunitaristen und entwurzelten | |
Kosmopoliten, zwischen dem einfachen Arbeiter und dem mehrsprachigen, | |
digitalen, jungen Akademiker, der diese Arbeit wegrationalisiert. | |
Die erschreckende Einfachheit manch eines Beitrags wird dann mit einer umso | |
heftigeren Polemik wettgemacht. Zum Glück gibt es aber auch Denkende, die | |
das Uneindeutige, das Widersprüchliche zum Kern ihres Nachdenkens machen. | |
## Ja, was denn dann? | |
Da ist der schweizerisch-israelische Psychoanalytiker Carlo Strenger, der | |
sich in seinem eben erschienenen Buch „Diese verdammten liberalen Eliten“ | |
an der Schablone des Kosmopoliten abarbeitet und die Zerrissenheit und die | |
Unterschiede in diesem vermeintlich homogenen Milieu adressiert. | |
Da ist der Italiener Lorenzo Marsili, der vergangenen Freitag im Berliner | |
Hebbel Theater [2][mit der Soziologin Naika Foroutan] über die Thesen | |
seines Manifests „Wir heimatlosen Weltbürger“ (Co-Autor Niccolò Milanese) | |
diskutiert hat. Hier geht es darum, wie sich eine ökonomische Entwicklung, | |
die über menschliche Bedürfnisse hinwegsieht, verselbstständigt hat – und | |
wie man dagegen ein gemeinsames, kosmopolitisches Projekt stellen kann, | |
wider die internationale Konkurrenz. | |
Da, wo der falsche Universalismus begründet wurde, der einst Kolonialismus | |
rechtfertigte, da könne auch ein neuer, egalitärer Universalismus | |
entstehen, sagte Marsili. | |
Und da sind der Grünen-Mitbegründer Thomas Ebermann und Thorsten Mense, die | |
am Sonntag bei einer unterhaltsam-ernüchternden Leseperformance im Festaal | |
Kreuzberg illustriert haben, was passiert, wenn man dennoch in das | |
Nationale flüchtet. In „Heimat – eine Besichtigung des Grauens“ | |
präsentierten sie nicht nur rechte, sondern auch linke oder liberale | |
Beispiele. | |
Dieser Text liefert keine Antworten. Man kann ihn deshalb blöd finden. Und | |
sich fragen: Ja, was denn dann? Meine Antwort: Sorry, es gibt keine | |
einfachen Antworten. Wir müssen das aushalten. | |
22 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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