# taz.de -- Kolumne Sternenflimmern: Die fehlende Überraschung | |
> Entgleisungen von Rechten überraschen kaum mehr. Der Fall Strache zeigt | |
> aber, dass Journalismus immer noch Möglichkeiten hat. | |
Bild: Das Strache-Video hat eins erreicht: Es hat politische Fakten geschaffen | |
Fast fühle ich mich wie zurückgespült in eine andere Zeit. Denn das | |
Strache-Video hat das erreicht, was in Zeiten von Fake News schon lange | |
kein Journalismus mehr zustande gebracht hat: Es hat politische Fakten | |
geschaffen. [1][Strache ist weg vom Fenster.] Das ist fast wie früher, als | |
es in der Regel die eine große Enthüllung im Spiegel war, die einen | |
politischen Amtsträger eben jenes Amt gekostet hat. Als man der Presse noch | |
glaubte und sich nicht jeder, der im Internet ein paar Zeilen schrieb, wie | |
ein Journalist fühlte. | |
Ich glaube, dass Donald Trump mal einen Satz gesagt hat, der zu den wenigen | |
gehörte, die stimmten: dass ihn seine Anhänger:innen immer noch wählen | |
würden, wenn er einen Menschen auf der Straße erschießen würde. Natürlich | |
würde das viele nicht abschrecken, denn sie mögen genau das an ihm: Härte, | |
so wenig politische Korrektheit wie möglich, kein „Kuschen“ vor den Medien. | |
Die Stärke dieser Leute liegt darin, dass ihre abschreckendsten Taten und | |
Worte auf viele anziehend wirken. | |
Dass Rechten und Rechtspopulisten auch Veröffentlichungen diverser | |
Entgleisungen nichts anhaben können, hat ja eine Ursache: Sie überraschen | |
niemanden. Auch ich habe, als ich das Strache-Video sah, vieles gefühlt, | |
Überraschung aber konnte ich nirgends entdecken. | |
[2][Ein Sebastian Kurz wird vieles gewesen sein] – überrascht sicher nicht. | |
Er wird sich geärgert haben, das schon, doch dass er so lange brauchte, um | |
Straches Rücktrittsgesuch anzunehmen und Neuwahlen vorzuschlagen, zeigt, | |
dass er überlegt haben dürfte, wie er beides vermeiden könnte. | |
## Auf den Erfolg nicht verlassen | |
Ich bin froh, dass es zumindest nicht so weit gekommen ist, dass sich | |
antidemokratische Verschwörungen irgendwie rechtfertigen lassen, selbst in | |
einer system- und medienkritischen, rechtskonservativen Regierung nicht. | |
Kurz sieht sich als konservativen Verfassungsdemokraten, er kann Komplotte, | |
die sich dagegen richten, selbstverständlich nicht durchgehen lassen. | |
Wären Strache und seine FPÖ allein oder aber mit noch rechteren Parteien in | |
einer Regierung, hätte er, so meine These, sich wohl halten können. Weil | |
ihn seine Anhänger:innen dafür gefeiert hätten, der Macho zu sein, der | |
gegen die Eliten agitiert. | |
Der Fall Strache zeigt: Journalismus hat noch immer die Möglichkeit, | |
Politiker:innen zu entmachten. Das funktioniert dann, wenn diese etwas zu | |
verlieren haben, also schon an der Macht sind. Wichtiger aber ist die | |
Arbeit, die verhindert, dass solche Menschen an die Macht kommen. | |
Und diese Lösungen können nur mit einer Politik gegen die soziale Spaltung | |
unserer Gesellschaften erwirkt werden: Eine Politik, die | |
Globalisierungsverlierer:innen nicht gegen Gewinner:innen ausspielt, eine, | |
die Wirtschaften anderer Länder nicht ausbeutet und die | |
Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa mitdenkt. Am besten schon heute, | |
spätestens aber nach der Europawahl. Denn auf Erfolge wie diesen sollten | |
wir uns nicht verlassen. | |
21 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Hanna Voß | |
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