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# taz.de -- Missbrauch in Polen: Der Täter in der Soutane
> Ein Film über Missbrauch in der Katholischen Kirche löst heftige Debatten
> aus. Der Regierungspartei PiS kommt das vor der Wahl sehr ungelegen.
Bild: Tempel der Göttlichen Vorsehung in Warschau: Die Missbrauchs-Debatte ist…
Warschau taz | Schamrot sind die Gesichter der drei missmutig-arrogant
dreinschauenden Erzbischöfe zwar nicht, doch der rosarote Farbton auf dem
Schwarz-Weiß-Titelbild des Nachrichtenmagazins Newsweek Polska gibt die
Stimmung in Polen gut wieder: Entrüstung und tiefe Scham.
Über acht Millionen Polen haben seit Samstag bereits den zweistündigen
Dokumentarfilm „Nur sag es bloß keinem“ gesehen. Es geht um [1][sexuellen
Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche] in Polen und die
jahrzehntelange Vertuschung dieser Verbrechen durch Bischöfe und
Erzbischöfe.
Das Thema ist nicht neu, doch in diesem Film wagen sich zum ersten Mal
Opfer vor die Kamera, berichten von ihrem kindlichem Entsetzen beim
Missbrauch, von verzweifelten Versuchen, ihren Peinigern zu entkommen und
von ihrem zerstörten Leben. Der Film macht klar: Alle konnten es wissen,
die es wissen wollten – die Bischöfe und Gläubigen, die Staatsanwälte und
Richter, die Journalisten und die Politiker.
Ob die Diskussion wahlentscheidend sein wird, wagt niemand vorherzusagen.
Doch für die seit 2015 allein regierenden Nationalpopulisten von der Partei
Recht und Gerechtigkeit (PiS) kommt die Debatte über die Sexualstraftäter
in der Soutane höchst ungelegen. Denn eigentlich sollte die katholische
Kirche im PiS-Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen.
## „Linkes Lumpenpack“
Politiker wie der PiS-Chef Jarosław Kaczyński, erzkonservative Priester,
Publizisten und Bischöfe spielen sich schon seit einiger Zeit die Bälle zu.
So teilt die PiS sowohl die [2][kirchliche Genderideologie gegen
Feministinnen] als auch diejenige vom „Homoterror“. Angeblich würden
Schwule, Lesben, Feministinnen und das „linke Lumpenpack“ die katholische
Kirche Polens angreifen und damit die ureigenste Identität der Polen,
wettert Kaczyński in seinen Wahlkampfauftritten.
Die PiS aber, so versicherte der faktisch mächtigste Mann Polens bislang,
werde die Kirche verteidigen: „Wer die Hand gegen die katholische Kirche
erhebt, erhebt die Hand gegen Polen!“
Der Film ändert alles. Er macht klar, dass die Bischöfe und Erzbischöfe die
Sexualstraftäter oft einfach nur in eine andere Gemeinde versetzten, wo
sie vielleicht keinen Kontakt mehr mit Kindern haben sollten, dann aber
doch Kommunionskinder betreuten, Messdiener hatten – und erneut Kinder
missbrauchten.
Obwohl das Episkopat vor einigen Wochen schon seine Schuld eingestand und
Besserung versprach, wollte doch keiner der Bischöfe mit dem bekannten
Investigativjournalisten Tomasz Sekielski vor der Kamera sprechen. Und als
sich jetzt der Danziger Erzbischof Sławoj Głódź zum Film äußern sollte,
ließ er die Journalistin abblitzen: „Ich schaue mir nicht irgendwas an.
Attackieren Sie mich nicht. Ich bin nicht so naiv, wie Sie, Frau
Redakteurin, zu denken scheinen!“
Die PiS kann sich nun nicht mehr als Verteidigerin der Kirche aufspielen,
und auch das „Hände weg von unseren Kindern!“, mit dem Kaczyński vor
wenigen Tagen noch gegen die Adoption von Kindern durch
gleichgeschlechtliche Paare gewettert hatte, trifft ihn nun wie ein
Bumerang.
„Hände weg von unseren Kindern“, ruft nun Robert Biedroń, der Gründer der
sozialdemokratisch-alternativen Partei Wiosna (Frühling). Doch der erste
sich zu seinem Schwulsein bekennende Politiker in Polen meint die
Sexualstraftäter in den Soutanen.
14 May 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Katholische Kirche
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sexueller Missbrauch
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