| # taz.de -- Die Wahrheit: Albgeträumt ist auch geträumt | |
| > Nicht nur in Träumen, sondern auch in den Niederlanden spielen Fakten | |
| > eine zu prominente Rolle. Ähnlich wichtig sind dort nur belegte Stullen … | |
| Knüppeldick war frühes Jahr dort draußen. Da ward es mir – auf alle Fälle | |
| trug ich orangefarbene Holzpantinen dabei –, ich sei zu Gast in den | |
| Niederlanden. Ein Land, das bis zur Dachbodenkante, nein, doch bis zur | |
| Spitze des allzeit hochgehaltenen Fahnenmastes mit Stullen tapeziert ist. | |
| Diese belegten Stullen, auch broodjes genannt, verzehrt man hier ohne | |
| Unterlass von Tischen und Wänden. Man nimmt sie zu sich aus Wasch- oder | |
| Fahrradkörben, und das eine oder andere broodje wird auch mal von einem | |
| Meerschweinchen-, respektive Hamsterrücken abgefrühstückt. | |
| Allzeit gilt aber in den Niederlanden die Regel, broodjes mit Messer und | |
| Gabel zu traktieren – egal ob das broodje auf einem Tier daherkommt oder in | |
| einem Waschkorb. Also: nicht einfach so hineinbeißen in ein Stück Brot in | |
| Broodjesland! Faktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit geht das so, ob Traum | |
| oder Realität, immer dreht sich alles um broodjes. Einige sind dick mit | |
| Fleischsalat belegt, andere mit tiefer Brunnenkresse und wieder andere mit | |
| „Hasch mich, ich bin der Frühling“. | |
| Ja, Fakten, Fakten, nicht nur in Träumen spielen sie eine viel zu | |
| prominente Rolle. Doch will ich nicht abschweifen, sondern konkret | |
| zurückkehren nach Broodjesland. Dort kam mir letztens gegen 17 Uhr ein | |
| König entgegen, der war so derart milchbubgesichtig, dass es einem fast | |
| schon warm ums Herz wurde. Und wie hatte der große Niederländer Rudi | |
| Carrell noch als greiser deutscher TV-Werber einst am Edeka-Einkaufswagen | |
| gesungen: „Laass dik überras(ch)n!“ Ich ließ mich also überraschen vom | |
| milchbubgesichtigen König – und was passierte? Nichts! Nullkommanullinger | |
| nichts! Der König strich mir nur huldvoll über mein durch das ewige | |
| Broodjesessen arg schütteres, weißblondes Haar, dann entschwand er für | |
| immer auf einem Tulpenlaster. | |
| Ich blieb zurück, stopfte zerfressen von Kummer noch mehr broodjes in mich | |
| hinein. Eins davon war aus Hartplastik, nicht schön. Da aber kam eine | |
| Deichgöttin vorbei, auch Polderfee genannt. Sie trug gar strohblonde Zöpfe | |
| und eine zierliche Windmühle auf dem holden Kopf. „Du hast keinen Wunsch | |
| frei“, bedeutete huldvoll die Polderfee, „aber kannst drei davon mit | |
| Kreditkarte bezahlen. Was wünscht du dir?“ Ich beantragte Bedenkzeit und | |
| ratzte erst nochmal eine Runde. Anscheinend war es doch ein waschechter | |
| Traum, in den ich da so mir nichts dir nichts hineingeraten war. | |
| Als ich wieder aufwachte, stand Berlins Regierender Bürgermeister neben | |
| mir. Michael Müller trug das gesamte Tempelhofer Feld auf seinem Schädel, | |
| mittlerweile war es an den Seitenrändern bebaut, und Müller ächzte unter | |
| der Last der Gebäude. War ich etwa wieder daheim in meiner Hauptstadt? Ich | |
| schloss die Augen und beamte mich sofort zurück nach Broodjes- und | |
| Windmühlenland, zurück zur Polderfee. Endlich war ich wunschlos glücklich. | |
| 15 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Harriet Wolff | |
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