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# taz.de -- Interview mit Sängerin Achan Malonda: „Diva sein bedeutet: Haltu…
> Man braucht schon Sendungsbewusstsein, man muss selbstbewusst sagen, dass
> man etwas zu erzählen hat – Achan Malonda im Gespräch.
Bild: Das Konzept Diva: Achan Malonda kann damit schon was anfangen
taz: Frau Malonda, wie fühlen Sie sich heute – Hildegard Knef oder Grace
Jones?
Achan Malonda: (lacht) Spannende Frage. Ich glaube, heute fühle ich mich
sehr nach mir.
Die beiden, sagen Sie, sind Ihre großen Vorbilder. Von wem haben Sie denn
mehr?
Eher von Hilde. Andererseits: Optisch natürlich von Grace. Und das nicht
mal wegen der Hautfarbe, sondern wegen der Aufmachung, der Frisur, der
Klamotten. Aber so einfach kann man das nicht sagen: Es gibt ein Spektrum
zwischen diesen beiden Extremen, zwischen Hilde und Grace, und ich finde
dazwischen statt, aber in ständiger Bewegung.
Was fasziniert Sie an den beiden?
Die Ehrlichkeit, die Exzentrik, die Exzesse, das Charisma, die Präsenz, die
sehr selbstbewusste, selbstbestimmte Weiblichkeit. Jede von ihnen war eine
große Diva, nur in verschiedenen Zeiten und in sehr unterschiedlichen
kulturellen Kontexten.
Was ist an Ihnen Diva?
Das ist erst einmal eine Zuschreibung, die mir immer wieder gemacht wird.
Erst gestern hat ein Freund zu mir gesagt: An dir perlt alles ab, du bist
so eine Diva! Da denke ich bei mir: Ist das so? Ich kann mit dieser
Zuschreibung umgehen und ich trage die auch gerne. Aber eins kann ich
sagen: Eine Diva fühlt sich nicht immer wie eine Diva. Gerade habe ich zum
Beispiel einen Schnupfen … Hätten Sie vielleicht ein Taschentuch?
Ja, klar, hier, bitte schön.
Danke. Schnupfen haben und Diva sein, das sind zwei Konzepte, die sich
nicht gut vertragen. Vor allem die Schminke hält das nicht aus.
Aber wie ist das, wenn Sie sich wie eine Diva fühlen?
Diva sein, das bedeutet: Haltung haben. Der Gestus ist wichtig. Größe.
Andere nennen es Arroganz. Man braucht auf jeden Fall ein gewisses
Sendungsbewusstsein. Man muss selbstbewusst sagen: Die Welt darf mich
sehen, sie muss mich sehen, ich habe etwas zu erzählen, ich habe ein Bild
zu transportieren.
Wie sieht dieses Bild aus?
Das ist das Bild einer Künstlerin, die auch eine Frau mit
Migrationshintergrund in Deutschland ist. Ich arbeite daran, dass das
endlich eine Normalität wird. Dass ein Schwarzer mehr sein kann als
Roberto Blanco, dass diese ewige Minstrel Show endlich vorbei ist.
Wenn Sie auf die Bühne gehen, ist das dann Ihre politische Botschaft?
Es ist, wenn man so will, die Politik der ersten Person. Das Private ist
politisch – ich weiß, ein alter Spruch. Vor dem Hintergrund der aktuellen
Debatte ist mir natürlich klar, dass meine Erscheinung allein eine
politische Botschaft beinhaltet. Aber das habe ich mir nicht ausgedacht.
Ich habe nicht entschieden: Ich möchte jetzt politisch sein.
Darüber haben Sie sich keine Gedanken gemacht, als Sie das erste Mal
gesungen haben: „Du bist so süß wie Schokolade.“ Das Spiel mit
rassistischen Klischees ist doch eindeutig …
Auch wenn mir das niemand glaubt: Als ich den Song das erste Mal gesungen
habe, habe ich daran wirklich nicht gedacht. Ich sehe mich eindeutig als
deutsch, ich bin dank meiner deutschen Pflegemutter als Deutsche
aufgewachsen.
Wie deutsch sind Sie?
Ich kenne nach 13 Jahren im Chor jede Menge Madrigale, Volks- und
Wanderlieder, ich liebe die deutsche Sprache, ich koche Grünkohl,
Schupfnudeln und Sauerkraut. Und ich habe wie jeder Deutsche ausgesprochen
gerne was zu meckern. Allerdings überlege ich mir dreimal, ob ich von
meiner sehr deutschen Beschwerdementalität auch Gebrauch mache. Denn
schwarze Frauen werden grundsätzlich als aggressiver wahrgenommen. Kurz
gesagt: Mein Gemüt spricht der deutschen Kultur zu. Aber bin ich deutsch?
Dazu müsste man wohl erst mal die Frage beantworten, was eigentlich deutsch
ist. Damit tut sich Deutschland selber ja ganz schön schwer. Das merke ich
ständig, wenn Leute, auch welche, die ich gut kenne, mal wieder verwundert
sagen: Du bist so deutsch! Bloß weil ich Grünkohl mag. So etwas lustig zu
finden, ist das rassistisch? Ja, wahrscheinlich.
Wie gehen Sie damit um?
Manchmal nervt es mich noch, manchmal nicht. Ich mache da auch keinen
Unterschied zwischen dem alltäglichen Rassismus und dem sogenannten
positiven Rassismus – ein Begriff, mit dem ich eh nicht viel anfangen kann.
Die Frage nach der Intention ist wichtig. Was mich wirklich aufregt: Wenn
Leute heute unbedingt noch „Mohrenköpfe“ sagen müssen, wenn jemand nach a…
den Debatten nicht versteht, was Phase ist, und nicht einsehen will, dass
es niemandem schadet, das Wort „Mohrenkopf“ nicht mehr zu benutzen, dann
empfinde ich das immer noch als grenzüberschreitend. Aber es greift mich
als Person nicht mehr an.
Sie sind mit sich und der Welt im Reinen?
Ich persönlich fühle zumindest keine Zerrissenheit. Bei mir ist der
Anschluss an meine afrikanische Herkunft gar nicht so da, obwohl mein Vater
aus dem Sudan und meine Mutter aus dem Kongo stammt. Ich habe eh das
Gefühl, dass Freundinnen, die ein afrikanisches und ein deutsches
Elternteil haben, damit mehr Probleme haben. Oder Deutschtürken wie Mesut
Özil.
Haben Sie die Rassismusdebatte über den Nationalspieler verfolgt?
Da kam man ja nicht drum herum. Diese Empörungswelle war wirklich bizarr:
Wie kann der Mesut denn? Der ist doch undankbar! Wir hatten den doch so
nett aufgenommen in unseren deutschen Schoß! Andererseits: Erdoğan
unterstützen ist auch nicht so toll. Aber die Fußballsphäre ist auch eine
ganz spezielle. Weil der Fußball der eine Ort ist, wo die deutsche
Identität positiv heraufbeschworen werden darf. Der eine Ort, wo man mit
dem deutschen Schuldkomplex nichts zu tun haben muss. Dass es Rassismus im
Fußball geben kann, das ist doch eine geradezu blasphemische Annahme. So
gesehen haben der Mesut und ich da sehr verschiedene Lebensrealitäten.
Wie sieht Ihre Lebenswirklichkeit konkret aus?
Die ist nicht zuletzt davon bestimmt, dass ich mich zwar zweifellos als
Deutsche fühle, aber natürlich nicht als Deutsche wahrgenommen werde. Nach
2015 haben ständig Leute zu mir gesagt: Sie sprechen aber gutes Deutsch,
dafür, dass Sie erst so kurz hier sind. Die Lebensrealität, dass ich eine
Deutsche sein könnte, die ist bei den allermeisten Leuten noch nicht
eingesickert. Die sprechen mich instinktiv auf Englisch an. Deshalb
verstehe ich natürlich, dass man einen Song wie „Schokolade“, wenn ich ihn
singe, als Kommentar zum alltäglichen Rassismus in diesem Land
interpretieren kann. Allerdings war das nicht meine Intention. Aber ich
lasse da jedem seinen eigenen Zugang.
Man stelle sich nur vor, ein weißer Mann würde über eine schwarze Frau
singen „Du bist wie Schokolade …“
(lacht) Klar, das ginge gar nicht. Aber übrigens wurde der Text geschrieben
von einer weißen Frau, von Jovanka …
… Jovanka von Wilsdorf, Ihrer kreative Partnerin.
Ja, ich nenne sie partner in crime. Sie hatte den Text gar nicht
ausdrücklich für mich geschrieben. Aber sie hat ihn mir gegeben, weil sie
glaubte, der würde gut zu mir passen.
Wie sind die Reaktionen auf den Song?
Die meisten Leute scheinen dieses Spiel mit den Klischees gar nicht
eindeutig mitzuschneiden in diesen knapp drei Minuten, die der Song dauert.
Aber ich glaube, dass das auf einer unbewussten Ebene läuft: Die Leute
scheinen das Bild schon spannend zu finden, die merken, da stimmt was
nicht. Aber richtig bewusst denken die nicht drüber nach, dazu mache ich
halt doch zu sehr Unterhaltungsmusik.
Wer es da nicht kapiert hat, für den gibt es noch den Song „Blondes Gift“.
Blonde Frauen, der schwarze Mann, auch hier kann man schnell Rassismus
assoziieren …
Das ist für mich erst einmal ein autobiografischer Song, in dem es um einen
blonden Mann geht, der für mich ein toxisches Verhältnis war. Der Song
funktioniert auch beim Publikum nicht so direkt wie „Schokolade“. Aber
natürlich hatte ich beim Schreiben ein deutschkulturelles Wortspiel im
Sinn, bei dem ich das Bild vom blonden Gift, der deutschen Femme fatale,
absichtlich männlich belege. Ich finde andere politische Interpretationen
auch spannend, aber ich will nicht politisch vereinnahmt werden.
Grundsätzlich wehrt sich in mir etwas gegen die themenbasierte
Interpretation meiner Texte im ausschließlichen Kontext mit meiner
Hautfarbe. Die ist natürlich unbestreitbar Teil meiner Identität als
Privatperson und auch als Künstlerin, aber auch nicht immer das, was ich
ständig bespielen möchte. Ich will durch die von mir geschaffene Figur als
schwarze und deutsche Frau, als Diva für das 21. Jahrhundert ja vor allem
eine Art von Selbstverständlichkeit in das kulturelle Bewusstsein
einschleusen. Ich habe Angst, auf nur einen Aspekt reduziert zu werden.
Das könnte schwierig werden.
Ja, das fürchte ich langsam auch. Dabei will ich doch gerade eine
Normalität erreichen. Ich möchte ja vor allem unterhalten und nicht nur
eine symbolhafte Figur sein, die die ganze Zeit sagt: Seht her, ich bin
schwarz in Deutschland.
Eines wollen Sie aber ausdrücklich sein: eine feministische Künstlerin.
Ich bin nicht losgezogen mit der Absicht, eine feministische Künstlerin zu
sein. Ich habe gemacht, was ich mache, aber dann festgestellt, dass das
eine feministische Auseinandersetzung ist. Das war nach der berüchtigten
Silvesternacht von Köln, dass ich darauf eigentlich immer hingearbeitet
habe. Ich hatte es nur noch nicht angenommen, das auch Feminismus zu
nennen.
Was hat Köln ausgelöst?
Nicht so sehr Köln selbst, aber an der anschließenden Aufarbeitung hat mich
extrem gestört, dass es da ständig um „unsere Frauen“ ging. Als wäre der
weibliche Körper ein Stück Land, das man verteidigen müsste. Das finde ich
unglaublich: Ich habe viel zu wenig gehört von den Frauen, die in dieser
Nacht in Köln waren. Stattdessen wurden sie politisch instrumentalisiert,
das hat sich schlimm angefühlt. Ich bin niemands Besitz. Auch nicht der von
afrikanischen Männern, die mich genauso für sich als „unsere Frau“
reklamieren.
Rassismus und Sexismus …
… das Geschwistergestirn.
Sind Sie davon häufiger betroffen?
Häufiger als wer? Es gibt da keine Vergleichszahlen. Die einen rufen einem
hinterher „David Alaba mit einem geilen Arsch“. Andere denken, der
Anmachspruch „Ich wollte schon immer mal mit einer schwarzen Frau schlafen“
sei tatsächlich originell. Und noch mal andere wollen einem verbieten, mit
einem Weißen zu flirten. Was man da vor allem merkt: Sexismus ist ein
globales Problem. Da wird man quasi zwangsweise zur Feministin.
Warum konnten Sie das bis Köln nicht Feminismus nennen?
Feminismus war lange negativ konnotiert für mich, das war immer dieser
doofe Alice-Schwarzer-Feminismus. Erst kürzlich habe ich einen alten Brief
gefunden, in dem ich als 16-Jährige einer Freundin schreibe, dass ich auf
keinen Fall Veganerin und feministisch werden wolle. Vegan lebe ich immer
noch nicht.
Was war so doof an Alice Schwarzer?
Das weiß ich auch nicht mehr. (lacht) Ich weiß nicht mehr, ob ich Alice
Schwarzer heute überhaupt noch doof finde. Ich glaube, ich würde mich gern
mal mit ihr unterhalten. Ich würde gern wissen, warum sie so vielen Leuten
so aufstößt – und was das vielleicht mit hegemonialer Maskulinität zu tun
hat, die immer noch vorherrschend ist.
Inwiefern verfolgen Sie die aktuellen feministischen Debatten?
Mal so, mal so. Ich komme damit natürlich in Berührung, aber ich versuche
auch, mich binären Narrativen zu verweigern. Ich will nicht in diese Falle
tappen, zu denken, es gäbe nur den einen richtigen Feminismus. Das
frustriert mich aber bei allen Debatten, dass sie immer in Grabenkämpfe
ausarten. Ich versuche, die schlimmen Diskurse von mir fernzuhalten und
mich auf die positiven Dinge zu konzentrieren, die ich tun kann und eh
schon tue.
Haben Sie konkrete Erfahrungen mit Sexismus im Musikgeschäft gemacht?
Der toxisch männliche Produzent, der klare sexuelle Absichten hat und
einen, wenn man darauf keinen Bock hat, als unprofessionell bezeichnet und
mit seinen guten Kontakten droht – den gibt es natürlich. Die Jungs, die
alles besser wissen und einen an die Wand mansplainen wollen – alles da.
Die Vorstellung, dass Frau nur Sängerin ist, aber keine Musikerin – immer
noch flächendeckend verbreitet. Und es gibt generell einfach noch zu wenige
Frauen in allen Bereichen des Business. Manchmal fühlt sich das in der
Popszene noch wie 1960 an.
Ihre neue EP heißt „Mondin“, das Titelstück samt dem dazugehörigen Video
ist ein feministisches Statement. Brauchen wir auch einen weiblichen Mond?
Wir haben doch schon die Erde und die Sonne …
Der Feminismus ist im Genus doch auch männlich. (lacht) Was brauchen wir?
Was braucht die Gesellschaft? Mein aktuelles Lieblingswort ist
„Ambiguitätstoleranz“. Ich finde, das müssen wir alle wieder lernen: Dass
man Gegensätze aushalten kann. Und dass es noch etwas gibt zwischen Schwarz
und Weiß. Ob wir jetzt einen weiblichen Mond brauchen? Ich fand das Wort
einfach schön. Das Konzept kam dann erst beim Spiel mit dem Wort und als
wir das Video entwickelt haben. Das war übrigens kurz vor MeToo, das Thema
war also wahrscheinlich schon im Äther unterwegs.
Das klingt jetzt aber esoterisch.
Das ist ganz konkret. Das war eine Zeit, in der Frauen plötzlich begonnen
haben, sich über solche Vorfälle auszutauschen. Bis dahin hatte ich das
Gefühl, in Berlin eine Einzelkämpferin zu sein. Ich war, bevor ich – vor
allem, um in der Nähe von Jovanka zu sein – vor sechs Jahren hergekommen
bin, immer von starken Frauen umgeben. Ich bin von zwei Müttern aufgezogen
worden, ich war auf einem Mädchengymnasium, in Hamburg gab es die Chixx
Clique …
… ein Frauennetzwerk.
Ja, ein nichtkommerzielles, interkulturelles Projekt, in dem Frauen
zusammenarbeiten, Auftritte machen, Shows inszenieren. Aber hier in Berlin
hatte ich erst gar keine Vernetzung. Es gab hier auch aufgrund des
Überangebots an Musikerinnen ein Konkurrenzdenken, das ich so nicht kannte.
Kein gutes Ankommen in Berlin?
Doch, ich habe mich sofort in die Stadt verliebt. Berlin ist so ehrlich.
Wenn ich gut zu mir bin, dann ist auch Berlin gut zu mir. Und wenn es mir
nicht so gut geht, dann ist auch Berlin das letzte Arschloch. Die Stadt
spiegelt einen immer schön eins zu eins. Berlin ist die superehrliche
Freundin, die jede Frau braucht.
12 May 2019
## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Sexismus
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Popmusik
Sudan
Die Heiterkeit
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Grace Jones
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