| # taz.de -- Chefredakteurin über „Missy“-Geburtstag: „Die ‚Missy‘ is… | |
| > Das feministische „Missy Magazine“ wird zehn Jahre alt. Die | |
| > Chefredakteurin Anna Mayrhauser über das schwierige Anzeigengeschäft und | |
| > die Zukunft des Heftes. | |
| Bild: Die Redaktion des „Missy Magazine“ schreibt seit zehn Jahren über in… | |
| taz am wochenende: Zehn Jahre Missy Magazine, herzlichen Glückwunsch. Wie | |
| hat sich das Heft seit 2008 verändert, Frau Mayrhauser? | |
| Anna Mayrhauser: Der Grundgedanke, dass man Feminismus, Popkultur und | |
| Politik zusammen denkt, ist der gleiche geblieben. Doch der thematische | |
| Schwerpunkt hat sich verändert: Die Missy ist politischer und | |
| intersektionaler geworden. | |
| Themen wie Rassismus, Antisemitismus oder Ableismus dominieren. Ist das | |
| Missy Magazine ein Heft über Diskriminierung? | |
| Ich finde nicht, dass diese Themen, etwa im Vergleich zu Sexismus, | |
| dominieren. Vielleicht wird das so wahrgenommen, weil sie in den meisten | |
| Medien gar nicht stattfinden. In erster Linie geht es uns um spannende | |
| Inhalte, doch wir versuchen dabei immer [1][verschiedene | |
| Diskriminierungsformen mitzudenken]. | |
| Wir und die Leser*innen sollten uns dabei immer fragen: Wie ist meine | |
| Stellung in der Welt und wer wird hier nicht mitgedacht? Das ist nicht | |
| immer ein einfacher Prozess, doch es bringt wahnsinnig viel. | |
| Es ist also schon das Ziel, auf Diskriminierung in unserer Welt aufmerksam | |
| zu machen? | |
| Das auf jeden Fall. Wir wollen ein Angebot für Menschen schaffen, die sich | |
| in den Medien sonst nur wenig repräsentiert sehen. Meine feministische | |
| Politisierung kam aus dem popkulturellen Bereich. In den | |
| Coming-of-Age-Filmen meiner Jugend habe ich mich selten wiedergefunden, | |
| also eine weiße Frau, die aus der Provinz kommt. | |
| Die gibt es mittlerweile zwar häufiger, doch andere, wie People of Color | |
| kommen [2][immer noch wenig vor]. Das muss sich ändern. Genau das wollen | |
| wir auch bei Missy machen: immer einen Schritt weiter denken und für | |
| Diversität einstehen. | |
| Ein dezidiert politischer Anspruch also. Warum dann Journalismus und kein | |
| politischer Protest als Ausdrucksform? | |
| Ich finde es schön, wenn unser Magazin als politischer Protest gesehen | |
| wird, doch in erster Linie möchten wir unterhalten. | |
| Wer soll damit erreicht werden? | |
| Vor einigen Jahren kam bei unserer Leserbefragung heraus, dass die | |
| durchschnittliche Missy-Leserin Ende 20 ist, studiert hat, in einer | |
| Großstadt lebt und sich für Kultur und Politik interessiert. Doch unsere | |
| Zielgruppe ist noch deutlich offener als das. | |
| Also auch Männer? | |
| Auf jeden Fall. | |
| Das Missy Magazine will einen intersektionalen Feminismus vermitteln, der | |
| die mitdenkt, die ansonsten ausgeschlossen werden, wie Migrant*innen oder | |
| Menschen ohne akademischen Hintergrund. Gleichzeitig arbeitet ihr in eurem | |
| Magazin mit Begriffen wie „Cis-Normativität“ oder „Critical Whiteness“. | |
| Begriffe, die Menschen, die sich nicht in feministischen Diskursen | |
| auskennen, nicht verstehen. Wie geht das zusammen? | |
| Das ist in der Tat eine Gratwanderung. Wir haben Texte im Heft, die eher | |
| verständlich sind für Menschen, die eine entsprechende Bildung haben. Doch | |
| gerade im Kulturteil gibt es auch leicht verständliche Texte. Mein | |
| persönlicher Traum ist es, ein Heft zu machen, das alle verstehen. Dass das | |
| nicht immer gelingt, ist aber kein Missy-spezifisches Problem, viele | |
| Feuilletontexte etwa sind auch recht unzugänglich geschrieben. | |
| Sollte man also einfach akzeptieren, dass nicht jede*r alles versteht? | |
| Nein, wir haben immer wieder erklärende Texte, wie etwa die regelmäßige | |
| Rubrik „Hä?“, die Wörter aus dem queerfeministischen Kosmos erklärt. Daf… | |
| bekommen wir auch viele positive Rückmeldungen. Im Idealfall kann die Missy | |
| für die Leser*in ein Einstieg in den Diskurs sein. Denn dort werden | |
| wichtige Themen verhandelt, die in den deutschsprachigen Medien sonst wenig | |
| Platz finden. | |
| Mit der Themensetzung zeigen Sie klare Haltung. Findet bei Ihnen trotzdem | |
| Meinungspluralität statt? | |
| Ja, wir führen ja auch in der Redaktion Diskussionen und versuchen die im | |
| Heft abzubilden. Ich hoffe, das kommt bei den Leser*innen auch an. Ich | |
| finde es sehr wichtig, Widersprüche zuzulassen. Und man soll sich auch mal | |
| über die Missy ärgern. | |
| Würden Sie also auch den Kolumnisten und ehemaligen Bundesrichter Thomas | |
| Fischer einen Text schreiben lassen? | |
| Ich denke, Thomas Fischer hat genug Raum und Möglichkeit, seine Kolumne | |
| wesentlich besser bezahlt woanders unterzubringen. | |
| Aber einen kritischen Artikel über die #MeToo-Bewegung? | |
| Das auf jeden Fall. | |
| Die Emma nennt sich feministische Zeitschrift, das Karriere-Online-Magazin | |
| Edition F auch. Wie grenzen Sie sich von dieser Konkurrenz ab? | |
| Durch unseren intersektionalen Ansatz unterscheiden wir uns von der | |
| politischen Ausrichtung der Emma. Bei Edition F gibt es deutlich mehr | |
| Überschneidungen, gerade was die geschlechterpolitische Berichterstattung | |
| angeht. Doch wir haben keinen Karriere-Fokus und arbeiten subkultureller. | |
| Freuen Sie sich als Feministin, wenn frauenpolitische Magazine auf den | |
| Markt kommen, oder sehen Sie diese als Konkurrenz an? | |
| Ich freue mich, es gibt ja nicht nur Platz für ein oder zwei Magazine, das | |
| ist in den Rubriken Sport oder Musik ja auch nicht anders. Als vor zwei | |
| Jahren das F-Mag von Gruner + Jahr erschienen ist, habe ich mich auch | |
| gefreut, doch man fragt sich als Journalistin schon kurz: Was bedeutet das | |
| für uns? | |
| Das F-Mag wurde ja nach einer Ausgabe [3][wieder eingestellt]. | |
| Ja, leider hat sich gezeigt, dass es nicht leicht ist, ein feministisches | |
| Magazin zu machen, wenn man von einem großen Verlag abhängig ist. Magazine, | |
| die nicht sofort gute Verkaufszahlen liefern, werden vom Markt genommen. | |
| Magazine wie Neon oder Spex sind dieses Jahr vom Printmarkt verschwunden. | |
| Sie mussten zum Jubiläum ein Crowdfunding machen, damit es weitergeht. | |
| Woran liegt es, dass das Missy Magazine sich nicht selbst tragen kann? | |
| Wir sind wie alle Printmagazine vom sinkenden Anzeigenmarkt betroffen, | |
| zudem kommen viele Anzeigen für uns nicht in Frage, weil sie nicht unseren | |
| Werten entsprechen. Weil unser Magazin nicht teurer werden soll, muss das | |
| Crowdfunding ein Teil unserer Finanzierung sein. | |
| Kann das eine langfristige Lösung sein? | |
| Könnte es theoretisch, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Sich um | |
| solch eine Kampagne zu kümmern ist ein Fulltime-Job. Wir haben dafür auch | |
| dieses Jahr eine extra Person eingestellt. Ich hätte das neben meinen | |
| Alltagsaufgaben überhaupt nicht bewältigen können. | |
| Feminismus ist mittlerweile im Mainstream angekommen. Können Sie davon | |
| profitieren? | |
| Einerseits ja: Unsere Abozahlen steigen stetig, doch in unseren Anzeigen | |
| spiegelt sich das nicht wider. Unternehmen, die sich feministisch | |
| positionieren, schicken uns zwar ihre feministischen T-Shirts zu und | |
| wollen, dass wir darüber schreiben, doch Anzeigen schalten wollen sie | |
| nicht. Anders herum wäre es besser. | |
| Wie geht es mit dem Missy Magazine weiter? | |
| Unser Printprodukt wird weiterbestehen. Zusätzlich erscheint bald ein | |
| Videoformat von uns in den sozialen Medien. In der Redaktion gibt es zudem | |
| eine Art Generationswechsel: Unsere Mitgründerin Stefanie Lohaus | |
| verabschiedet sich aus dem operativen Geschäft und neue Stellen werden | |
| gerade besetzt. Ich hoffe, dass das Missy Magazine dadurch noch diverser | |
| wird. Ich bin zuversichtlich, dass es mit uns noch mindestens zehn Jahre | |
| weitergeht. | |
| Wäre das Missy Magazine in einer Welt ohne Diskriminierung und Patriarchat | |
| obsolet? | |
| Auch wenn so eine Welt leider schwer vorstellbar ist, glaube ich nicht, | |
| dass unser Heft obsolet wäre. Es würde auch da seine Leser*innen finden. In | |
| einer idealen Welt wäre die Missy dann eben Mainstream. | |
| 19 Oct 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gruene-streiten-ueber-Feminismus/!5531303 | |
| [2] /Schauspielerin-ueber-Vielfalt-im-Fernsehen/!5535258 | |
| [3] /Frauenmagazin-F-Mag/!5430832 | |
| ## AUTOREN | |
| Carolina Schwarz | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
| Feminismus | |
| Missy Magazine | |
| Lesestück Interview | |
| Feminismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| spex | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Sexismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Feministin über Konflikte: „Wir müssen das Verbindende finden“ | |
| Der deutsche Feminismus ist von Spaltungen geprägt, aktuell etwa beim | |
| Nahost-Krieg. Stefanie Lohaus plädiert in ihrem Buch für mehr Pragmatismus. | |
| Das „Missy Magazine“ über die Krise: „Auf die Community angewiesen“ | |
| Die feministische Missy wird 15 und kriselt. Ein Gespräch über die Vorteile | |
| von Slow Journalism, düstere Zeiten und wie das Magazin überleben kann. | |
| Interview mit Sängerin Achan Malonda: „Diva sein bedeutet: Haltung haben“ | |
| Man braucht schon Sendungsbewusstsein, man muss selbstbewusst sagen, dass | |
| man etwas zu erzählen hat – Achan Malonda im Gespräch. | |
| Ende des Berliner Musikmagazins: Krach, bum! Spex kaputt | |
| Am Jahresende nach 38 Jahren wird die letzte Nummer des Berliner | |
| Musikmagazins „Spex“ erscheinen. Stimmen zum Ende einer Ära. | |
| Berichterstattung über Chemnitz: Tendenzjournalismus bei „Emma“ | |
| Die „Emma“ lässt Chemnitzer Frauen erzählen, wie bedrohlich arabische | |
| Männer sind – und verzichtet auf Recherche. | |
| Debatte um Sexismus bei „Hart aber fair“: Wenn die Quotenfrauen sprechen | |
| Jede Gesellschaft braucht ihre Alibi-Repräsentant*innen, für die Probleme | |
| nicht so schlimm sind. Talk-Shows wie „Hart aber fair“ spiegeln das wider. |