| # taz.de -- Atomabkommen mit Iran: Teheran platzt der Kragen | |
| > Die USA boykottieren das Atomabkommen mit immer schärferen Sanktionen. | |
| > Auch gegen die übrigen Vertragsstaaten. | |
| Bild: Iranisches Atomkraftwerk in Buschehr | |
| Genf taz | Exakt ein Jahr nach dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen zur | |
| Begrenzung des iranischen Nuklearprogramms auf rein zivile Zwecke hat der | |
| iranische Präsident Hassan Rohani den übrigen fünf Vertragsstaaten – | |
| Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland – am Mittwoch | |
| eine 60-tägige Frist „zur Rettung des Abkommens“ gestellt. Schon ab sofort | |
| will Teheran zwei Vereinbarungen aus dem Abkommen nicht mehr erfüllen. Das | |
| verkündete Rohani in einer Rede an die Nation. | |
| Konkret verlangt Rohani von den fünf Unterzeichnerstaaten, innerhalb der | |
| nächsten zwei Monate die Auswirkungen der US-Sanktionen gegen iranische | |
| Banken und gegen die Ölindustrie des Landes „zu überwinden“. „Wir sind | |
| nicht aus dem Atomdeal ausgestiegen, sondern machen von unserem legitimen | |
| Recht Gebrauch, einem Vertragsbruch der USA zu entgegnen“, begründete | |
| Rohani die Fristsetzung an die anderen fünf Vertragsstaaten. | |
| Diese Fristsetzung diene „der Rettung des Abkommens, nicht seiner | |
| Zerstörung“, betonte der Präsident. Wenn die fünf Länder dem Iran helfen | |
| würden, wieder ungestört Öl zu verkaufen und am internationalen Finanzmarkt | |
| teilzunehmen, werde der Iran „zu seinen Verpflichtungen nach dem | |
| Atomabkommen zurückkehren“. | |
| Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, will Teheran seine Verpflichtung, | |
| überschüssige Mengen niedrig angereichertes Uran sowie „schweres Wasser“ | |
| aus der Reaktoranlage Arak nicht auf seinem Territorium zu lagern, | |
| vorläufig nicht mehr einhalten. Werde die Forderung bis Anfang Juli nicht | |
| erfüllt, so Rohani, werde Iran die Anreicherung von Uran oberhalb der im | |
| Abkommen erlaubten Grenze von 3,67 Prozent wiederaufnehmen. | |
| Rohanis Ankündigung erfolgt zu einem Zeitpunkt verschärfter Spannungen | |
| zwischen Washington und Teheran. Anfang der Woche hatten US-Außenminister | |
| Mike Pompeo und der nationale Sicherheitsberater John Bolton die eigentlich | |
| routinemäßige Verlegung eines Flugzeugträgers und einer Bomberstaffel der | |
| US-Luftwaffe in den Nahen Osten mit einer angeblich gewachsenen Bedrohung | |
| amerikanischer Interessen in der Region durch Iran begründet und offen mit | |
| militärischen Schlägen gegen Iran gedroht. Ein überraschender Besuch | |
| Pompeos in Irans Nachbarland Irak diente nach Aussagen des | |
| US-Außenministers dazu, die Regierung in Bagdad beim Schutz der im Irak | |
| stationierten 5.000 US-Soldaten „gegen Bedrohungen“ zu unterstützen. | |
| Erst vergangene Woche hatten die USA zwei Zusatzvereinbarungen des | |
| Atomdeals – nach der Iran über niedrig angereichertes Uran an Russland und | |
| schweres Wasser an Oman verkaufen durfte – gekündigt und Russland sowie | |
| Oman für den Fall einer weiteren Umsetzung dieser Zusatzvereinbarungen mit | |
| Sanktionen gedroht. Mit diesen Maßnahmen will die Trump-Regierung | |
| erreichen, dass Teheran die Reaktoranlage in Arak stilllegt und auch die | |
| Menge von niedrig angereichertem Uran immer unter der erlaubten | |
| 300-Kilo-Grenze hält. | |
| Vor Abschluss des Nuklearabkommens verfügte Iran über rund 10.000 | |
| Kilogramm höher – auf rund 20 Prozent – angereicherten Urans. Das hatte zu | |
| dem Verdacht geführt, Teheran plane die weitere Anreicherung dieses Urans | |
| auf das für Atomwaffen benötigte Niveau von 90 Prozent. | |
| ## Kein Verstoß festgestellt | |
| Die Trump-Regierung hatte ihren [1][Ausstieg aus dem Abkommen] vor einem | |
| Jahr zunächst damit begründet, das Abkommen sei völlig unzureichend und | |
| nicht geeignet, die Entwicklung von Atomwaffen im Iran zu verhindern. Im | |
| Übrigen verstoße Teheran gegen das Abkommen. Diesen Behauptungen | |
| widersprechen nicht nur die anderen fünf Vertragsstaaten bis heute | |
| entschieden. Auch die für die Überwachung des Abkommens zuständige | |
| Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) hat in ihren | |
| Überprüfungsberichten, die sie seit Inkrafttreten des Abkommens Anfang 2016 | |
| alle drei Monate vorlegt, Teheran immer die lückenlose Einhaltung des | |
| Abkommens bescheinigt. | |
| Im Gegenzug zur von der IAEO verifizierten Einhaltung des Abkommens durch | |
| Teheran sollten sämtliche Sanktionen, die seit 2006 von den USA, der EU | |
| und dann auch vom UNO-Sicherheitsrat gegen Iran verhängt wurden, aufgehoben | |
| werden. Doch die USA setzten nach ihrem Austritt aus dem Abkommen vor | |
| einem Jahr nicht nur ihre früheren Sanktionen wieder in Kraft, sondern | |
| verhängten zusätzliche, immer schärfere. Darunter direkte Sanktionen gegen | |
| den Finanzsektor, die Ölindustrie und andere Bereiche der iranischen | |
| Volkswirtschaft, außerdem auch sogenannte sekundäre Sanktionen gegen | |
| Unternehmen aus Drittländern, die Wirtschafts-und Handelsbeziehungen mit | |
| Iran unterhalten oder beabsichtigen. | |
| In der [2][vorläufig letzten Eskalation] dieser von Washington so | |
| bezeichneten „Strafmaßnahmen“ kündigte die US-Regierung Ende April | |
| Sanktionen gegen ausnahmslos alle Staaten an, die weiterhin iranisches Öl | |
| kaufen. Alle Ankündigungen und Pläne der EU-Staaten, die Sanktionen der USA | |
| zu umgehen und den vollständigen Ausschluss Irans aus den internationalen | |
| Finanzbeziehungen und dem Weltölmarkt zu verhindern, sind zumindest bislang | |
| ins Leere gelaufen. | |
| Aus Angst, ihr Geschäft auf dem US-Markt zu verlieren, haben sich fast | |
| sämtliche europäische Unternehmen und Banken aus dem Irangeschäft | |
| zurückgezogen, darunter viele Firmen des deutschen Mittelstandes. Wegen der | |
| eskalierenden Wirtschaftskrise im Iran gerät Präsident Rohani immer stärker | |
| unter Druck. Zum einen von jenen, die sich von dem Nuklearabkommen einen | |
| Aufschwung des Landes erhofft hatten. Und natürlich auch von all jenen | |
| Hardlinern, die immer schon gegen das Abkommen mit dem Westen waren. | |
| 8 May 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
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