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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Südafrika: Kampf der Farben
> Am Mittwoch wählt Südafrika einen neuen Präsidenten. Vermutlich wird es
> der alte sein: Cyril Ramaphosa. Doch dessen ANC ist angeschlagen.
Bild: Wie schneidet blau ab? Anhängerinnen der Demokratischen Alliance
Johannesburg taz | Die singende Menschenmenge in Dobsonville ist blau. Mehr
blau geht nicht. Tausende sind in die Fußball-Arena nach „Dobsie“ gekommen.
Sie tragen T-Shirts in der Parteifarbe, tanzen und jubeln ihrem Idol zu:
Mmusi Maimane hat hier ein Heimspiel – er ist in Soweto aufgewachsen.
Der charismatische schwarze Politiker fegt wie ein Wirbelwind durch seine
Rede. „Ich will Wandel in dieses Land bringen. Wir haben einen Plan,
Südafrika komplett zu reformieren.“ Maimane gestikuliert und inszeniert, er
sprüht förmlich vor Energie. „Ihr müsst mich gar nicht mögen. Auch müsst
ihr mir nicht eure Loyalität auf Lebenszeit geben. Vertraut uns für die
nächsten fünf Jahre. Wenn wir nichts bringen, feuert uns.“
Ganz einfach scheint die Rechnung, die Maimane im Namen seiner Partei, der
Demokratischen Allianz (DA), aufmacht. Alles möchte man ihm glauben.
Parteichef Maimane, 38 Jahre jung, gibt sich nicht als tanzender und
johlender Politiker, sondern eloquent-seriös. Und punktet durch eine
gehörige Portion Charme. Die größte Oppositionspartei hat einen glänzenden
Auftritt bei ihrer Abschlusskundgebung am vergangenen Wochenende.
Am Mittwoch wählt Südafrika einen neuen Präsidenten, durch die Wahl einer
Partei. Auch das Parlament wird neu besetzt. Der regierende
[1][Afrikanische Nationalkongress] (ANC) mit Cyril Ramaphosa an der Spitze
hofft, dass seine Wähler – allen Korruptionsskandalen der letzten Jahre zum
Trotz – die Partei der Befreiungsbewegung an die vertraute 60-Prozent-Marke
der Vorjahre bringen; Umfragen schwanken zwischen 51 und 61 Prozent für den
ANC. Die DA wird ihren Rang als größte Oppositionspartei verteidigen. Und
die radikale Partei der ökonomischen Freiheitskämpfer (EFF) spielt wohl das
Zünglein an der Waage.
Mmusi Maimane ist seit 2015 das neue Gesicht der einst weißen DA, die bei
rund 20 Prozent Zustimmung liegt. Damals übernahm er den Parteivorsitz von
Helen Zille. Die DA verkauft sich als Sammelbecken aller Hautfarben und
Wähler der Regenbogennation, die mit der desolaten Politik der Regierung
nichts mehr zu tun haben wollen. „Wir müssen uns von den Befreiern
befreien“, fordert Maimane. „Seid mutig, nichts kommt aus einer
Komfortzone, Südafrika ist kompliziert. Aber wir können es schaffen.“
Doch für viele Wähler ist die liberale Partei immer noch zu weiß. Für sie
ist Maimane nur der schwarze Frontmann, verheiratet mit einer weißen
Südafrikanerin. Immerhin: Die DA feierte einen großen Erfolg bei den
Kommunalwahlen 2016, als sie die Metropolen Johannesburg, Pretoria und
Nelson Mandela Bay übernahm.
Am Mittwoch möchte sie auch auf Landesebene punkten. Sie fordert, das
aufgeblasene Kabinett von 70 Mitgliedern um die Hälfte zu verkleinern und
das Kindergeld zu verdoppeln. Die stagnierende Wirtschaft soll wachsen und
mindestens „ein Job für jeden Haushalt“ geschaffen werden. Mit seinem kurz
vor den Wahlen veröffentlichten Buch „Gangster-Staat“ machte Maimane die
korrupten Machenschaften in der Regierungselite sichtbar. An den Autobahnen
stehen riesige Werbetafeln mit der Behauptung: „DA kann Mandelas Traum
erfüllen.“
Maimane spreche genau die Probleme des Landes an, bilanziert die politische
Kommentatorin Susan Booysen, aber ohne detaillierte Schritte für die Ziele
zu nennen. Und Maimane hebt die Hauptschwäche des ANC hervor: Dessen Erfolg
hängt nur von einer Person ab, und die saß auch schon im Kabinett, als
Präsident Jacob Zuma mit seinen Verbündeten und der Geschäftsfamilie Gupta
den Staat geplündert hat. „Aber er hat dazu geschwiegen“, brüllt Maimane
ins Volk und spielt auf den [2][seit 2018 amtierenden] Präsidenten Cyril
Ramaphosa an.
Der alte und mit großer Wahrscheinlichkeit neue Präsident Ramaphosa trägt
Gelb, als er einen Tag später im Ellis-Park-Stadion in der Johannesburger
Innenstadt in typischer ANC-Manier ans Rednerpult tritt: keinen Anzug,
sondern T-Shirt und gelbe Kappe, die erhobene rechte Faust geballt:
„Amandla“ – die Macht dem Volke –, der traditionelle Ruf aus dem
Befreiungskampf, mit dem auch Maimane seine Anhänger anfeuerte. Dies ist
die Stunde der gelben Hemden. Die Regierungspartei will noch einmal alles
geben, um Wähler zu gewinnen.
Der Auftakt ist ein Paukenschlag: „Es tut uns leid, wir haben Fehler
gemacht“, bittet Ramaphosa demütig um eine zweite Chance. Er ist kein
glühender Redner, arbeitet sich Schritt für Schritt im Stakkato-Ton durch
sein Manuskript. „Der Weg, der vor uns liegt, ist lang.“ Aber es gebe keine
Alternative zum ANC. Andere reden, der ANC macht, lautet sein Motto.
Tausende Anhänger im Stadion sind begeistert und tröten in ihre Vuvuzelas.
„Wir werden uns nicht mehr hingeben, keine Besitznahme des Staates
zulassen. Die Ära der Straflosigkeit ist vorbei.“ Ramaphosa wird laut.
Millionen sollen in die Wirtschaft gepumpt werden. 27 Prozent sind
arbeitslos, 55 Prozent leben laut Studien in Armut. Mehr Jobs, mehr Häuser,
Bildung und Kliniken, mehr Anti-Aids-Medikamente gab es bereits unter Jacob
Zuma. Mehr Unterstützung für Ausbildung, mehr Fürsorge für die sozial
Schwachen, Kranken und Alten.
Ramaphosa will die Kraft des ANC demonstrieren. Aber die Partei ist stark
angeschlagen. Sie leidet unter internen Spaltungen. Einigkeit ist zwar das
Mantra der Partei bei der Wahl, doch die zehn Jahre unter der [3][korrupten
Zuma-Regierung] haben ihren Preis: Die Anhänger sind verärgert, das kostet
Stimmen. 2009 holte der ANC noch die Zweidrittelmehrheit, 2014 unter Zuma
waren es 62 Prozent.
„Ramaphosa hat nichts Neues verkündet“, sagt Analyst Onkgopotse JJ Thabane.
Eine Entschuldigung reiche nicht für das Vertrauen. Das Land brauche
Aktionen, nicht noch einmal die Botschaft der Hoffnung, dass alles besser
werde. „Dem ANC müssen die Flügel beschnitten werden, dann erwacht sein
Bewusstsein. Sie müssen verlieren, um nüchtern zu werden.“
Während der ANC mit seiner Anhängerschar im Ellis-Park-Stadion noch feiert,
setzt in Soweto die linke Opposition zum Finale ihres Wahlkampfs an: „Viva
EFF – Viva!“ Das Orlando-Stadium ist komplett in Rot getaucht, Tausende
tragen T-Shirts in der Parteifarbe und das Markenzeichen der Kämpfer für
wirtschaftliche Freiheit: ein rotes Barett.
„Kämpfer, der ANC hat Angst vor euch!“ Julius Malema hebt an: „Wir sind …
Zukunft Südafrikas. In nur fünf Jahren haben wir das hier geschafft.“ Seine
Hand deutet von einer Stadion-Seite zur anderen: Die Plätze sind besetzt.
Die Stimmung prächtig. Plakate mit „Malema 4 President“ tanzen in der Luft.
Anhänger wollen: „Unser Land und Arbeit – jetzt.“
Malemas linkspopulistische EFF (Economic Freedom Fighters) ist die
drittgrößte und radikalste Partei Südafrikas. Sie ist als Protestbewegung
aus der Regierungspartei des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC)
hervorgegangen und zog 2014 mit sechs Prozent ins Parlament ein. In den
fünf Jahren ihrer Existenz hat sie beachtliche Unterstützung erhalten, laut
Prognosen könnte sie bis auf knapp 14 Prozent klettern.
Malema verspricht Häuser und Jobs, fordert den Besitz von Land für Schwarze
und die entschädigungslose Enteignung von Weißen, bessere Erziehung, eine
effiziente Polizei. „Zuma ist Tsotsi (Gangster) Nummer eins“, ruft er und
streckt seinen Zeigefinger in die Höhe. „Ramaphosa hat das Massaker von
Marikana mit zu verantworten – er gehört ins Gefängnis nach Sun City, nicht
ins Parlament.“ Malema dreht auf. Wie so häufig, gehen seine
Wahlkampf-Slogans mit Attacken gegen Weiße einher.
„Warum grenzt ihr Weißen uns aus“, ruft Juju, wie Malema von seinen
Anhängern genannt wird. „Wir sind nicht gegen Weiße, nur gegen weiße
Privilegien und Arroganz“, schreit er ins Publikum. Und lädt junge Weiße in
seine Partei ein: „Wir kämpfen, um mit Weißen gleichgestellt zu sein.“ An
die Jugend Südafrikas appelliert er: „Euer Abitur ist besser als Geld,
lasst es euch einen Platz an der Uni sichern. Wir wollen eine gebildete
Nation. Nicht Millionen Menschen, die Sozialhilfe erhalten.“
Der Chef der roten Kämpfer ist voller Leidenschaft. Er spricht für die
Besitzlosen, 59 Prozent seiner Wähler sind arbeitslos. Aber er selbst liebt
auch den guten Lebensstil: Er ist Mitglied in exklusiven Inanda
Country-Club, ausschließlich für die Reichen Südafrikas reserviert. Und er
macht auch mit dubiosen Finanzaktionen auf sich aufmerksam. Zum Beispiel
dem Skandal um die VBS Bank, die angeblich wegen illegaler Geldtransfers in
EFF-Kreisen pleiteging.
Die EFF-Anhänger kümmert es nicht. Das Stadion brodelt. Die Partei setzt
besonders auf junge Wähler. Aber Südafrikas Jugend ist desillusioniert.
Viele gehen nicht zur Wahl. „Die Jugend hängt keiner Partei wirklich an,
sie interessieren sich vor allem für die Politik an ihren Universitäten und
wählen erst, wenn sie Steuern zahlen“, sagt Gareth van Onselen, Mitarbeiter
des Instituts für Rassenbeziehungen (IRR). „Wenn sich die EFF auf diese
Gruppe verlässt, ist das ein Risiko. Die EFF liefert einen Wunschtraum von
einer Gesellschaft, in der für jeden alles zugänglich ist.“
Luftschlösser sind zumindest im Orlando-Stadion kein Traum. Vier Helikopter
tauchen am blauen Himmel auf und lassen die rote Fahne wehen: Wählt EFF.
Dann kommt der rote Konfetti-Regen und die Party beginnt.
7 May 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Martina Schwikowski
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