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# taz.de -- Ex-Zwangsarbeitslager in Berlin: Luxus-Wohnen in der Baracke
> Die Beschreibung zweier Wohnungen in einer ehemaligen
> NS-Zwangsarbeiter-Baracke führt zu Kritik. Das Architekturbüro
> entschuldigt sich.
Bild: Stil mit gemauerter Original-Barackenwand
Berlin taz | In einer ehemaligen Zwangsarbeiterbaracke in Berlin-Kaulsdorf
sind in den vergangenen zwei Jahren luxuriöse Wohnungen entstanden. Noch
bevor die Arbeiten durch das Architekturbüro Seemann Torro abgeschlossen
sind, hat vor allem ein Satz auf der [1][Webseite der Architekten] für
Aufregung gesorgt: „Das Konzept erhält den Charakter einer Baracke ohne auf
Komfort und Ästhetik für eine Familie zu verzichten“, stand dort
geschrieben.
Zu sehen sind zudem Bilder des 1944 errichteten einstöckigen Gebäudes, die
die ehemalige Barackenstruktur erkennen lassen. Im Inneren stehen noble
Möbel vor der unverputzten Originalwand. Seit einiger Zeit wohnen dort auf
380 qm bereits zwei Familien.
Am Samstag hatte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus
Berlin (RIAS) in einem Tweet auf die Beschreibung hingewiesen und diese als
„irritierend“ bezeichnet. Dass der inkriminierte Satz mittlerweile entfernt
ist, bezeichnet Rias-Mitarbeiter Alexander Rasumny auf Anfrage der taz als
„richtig“. Weiterhin sagte er: „Angemessen wäre aber auch, wenn transpar…
gemacht würde, dass der Text einen inakzeptablen Satz enthielt und deswegen
überarbeitet wurde.“
Architektin Annelie Seemann entschuldigte sich im Gespräch mit der taz für
den „unpassenden“ Satz: „Es tut uns leid, wenn sich dadurch jemand
beleidigt gefühlt hat.“
Das Zwangsarbeiterlager Kaulsdorf entstand auf einem zwangsenteigneten
Grundstück, das ursprünglich einen jüdischen Besitzer hatte. Ab 1940 wurde
es als Kriegsgefangenenlager für französische Soldaten, später für
Zwangsarbeiter aus dem Osten genutzt. Etwa 1.500 Personen, vor allem Russen
und Ukrainer, darunter viele Frauen und Kinder lebten dort unter
menschenunwürdigen Bedingungen. Die meisten Gebäude wurden bei
Luftangriffen am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört. Die Baracke mit der
Bezeichnung 92B ist die letzte noch bestehende und steht unter
Denkmalschutz.
## Wohnnutzung festgeschrieben
Das vor einigen Jahren an zwei Familien verkaufte Grundstück und Gebäude
wird von den Architekten seit 2017 restauriert und umgebaut. Das Konzept
sei „in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege erstellt“ worden, so Seemann.
Vor einigen Jahren war die Baracke überwuchert und nicht mehr als solche
erkennbar gewesen. Ziel war es, „die Geschichte zu bewahren, aber
gleichzeitig auch etwas Neues, Positives entstehen zu lassen.“ Erhalten
wurden die vorhanden Wände, Fenster- und Türenpaare, die Schornsteine sowie
die mittlere Wand, die Zellenstruktur wurde nicht wiederhergestellt.
Die Wohnnutzung sei im Bebauungsplan des Gebietes festgeschrieben, betonte
Seemann; auch nach 1945 seien die Baracken zum Wohnen genutzt worden.
Unbeantwortet ist die Frage, was der Reiz für die beiden Familien ist, in
der eigenen Wohnung an NS-Verbrechen und Barackennutzung erinnert zu
werden.
In einer [2][Ausstellung des Bezirks] wird aus einem Brief des ehemaligen
Häftlings J. K. Gnatik zitiert: „Wir wohnten in einer einstöckigen
hölzernen Lagerbaracke, die in zwei Räume aufgeteilt war. Die Betten waren
doppelstöckig und aus Holz.“ Ein anderer Häftling mit dem Nachnamen
Federowski schrieb: „Alle Arbeiter waren unterernährt, in zerrissener und
verschmutzter Kleidung. Es waren 1500 Menschen im Lager: Jungen und
Mädchen. Fast alle waren vor Hunger aufgedunsen, viele starben (alte
Menschen), viele rannten weg.“
Die Denkmalschützer des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf hätten das Gelände
der Zwangsarbeiterlagers gern unter Schutz gestellt. Beim letzten Verkauf
2011/12 habe sich der Bezirk aber nicht durchringen können, das Gelände zu
erwerben. Laut Dorothee Ifland, Leiterin des Bezirksmuseums, sind dann vier
Baracken abgerissen worden, bevor sie unter Denkmalschutz gestellt werden
konnten. Eine Freilicht-Ausstellung zum Lager und seinen Opfern existiert
seit 2013. Eine weitere Stele soll bis September direkt an der Wohn-Baracke
aufgestellt werden.
16 Apr 2019
## LINKS
[1] https://www.st-architektur.com/home/realisierungen/baracke-92b-de/?fbclid=I…
[2] http://www.kultur-marzahn-hellersdorf.de/Kaulsdorfer-90.148.0.html
## AUTOREN
Erik Peter
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