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# taz.de -- Hambacher Forst in Gefahr: RWE geht an die Wurzeln
> Immer näher graben die Bagger am Hambacher Forst. Aktivist*innen und
> Ministerien warnen: Das sei ein Versuch, den Rodungsstopp zu umgehen.
Bild: Wer hat diesen Baum im Hambacher Forst gefällt? Niemand will's gewesen s…
Hambacher Wald taz | „Die Grenze rückt vor“, sagt der Waldführer Michael
Zobel. Er steht im Sand am Hambacher Forst, zwischen Tagebaukante und
Waldrand. Einige hundert Menschen, die für den Waldspaziergang gekommen
sind, schauen Richtung Bagger. „Ich habe die Auskunft bekommen, RWE wolle
bis zu den Wurzeln der Bäume baggern“, ruft Zobel. „Genau das machen sie
jetzt. Aber belügen die Öffentlichkeit und sagen: ‚Wir prüfen den Erhalt
des Waldes.‘“
Die Zukunft des Hambacher Waldes ist nach wie vor ungewiss. Zwar hat die
von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission es als wünschenswert
bezeichnet, das umstrittene Waldstück am Hambacher Tagebau im rheinischen
Kohlerevier zu erhalten. Doch mitten in den Verhandlungen von
nordrhein-westfälischer Landesregierung und RWE über den Erhalt des Walds
gibt es mächtig Ärger: Dass der Energiekonzern den Tagebau weiter Richtung
Bäume ausweitet, besorgt viele Aktivisten – und soll auch Thema der zur
RWE-Hauptversammlung an diesem Freitag angekündigten Proteste sein.
Drei Bagger schaufeln nämlich derzeit auf der obersten Sohle näher und
näher an den Wald heran. „Vor einem halben Jahr hieß es von RWE, der Wald
sei wegen der Böschung nicht mehr zu retten“, sagt Zobel. „Damals betrug
der Abstand noch 500 Meter. Jetzt sind wir bei 120 Metern zwischen
Schaufelrad und Waldrand.“
Im Herbst hatte RWE mehrfach mitgeteilt, die Böschung des Tagebaus sei
bereits zu steil: Der Wald müsse definitiv gerodet werden.
Waldschützer*innen hatten dieser Darstellung widersprochen. Nun bestätigt
auch RWE-Sprecher Guido Steffen gegenüber der taz: Dass die Böschung zu
steil sei, um den Wald zu erhalten, das habe sich geändert. „Unsere Aussage
vom vergangenen Herbst über die Notwendigkeit der Rodung ist vor dem
damaligen Hintergrund zu sehen, und deshalb sind auch die damaligen
Abstände der Oberkante des Abbaus zum Wald irrelevant.“ Tatsächlich ist die
Böschung nicht die Sorge der Waldschützer*innen. Sondern: Kommen die Bagger
dem Wald zu nahe, könnte er verdorren. Das liegt am Wasserhaushalt vor Ort.
## „Oh, der Wald ist ausgetrocknet“
Der Tagebau Hambach ist nämlich hydrologisch tot: Seit den 70ern pumpt man
dort Grundwasser ab. Auch unter dem Wald ist der Spiegel gesunken. Zu tief,
selbst für Bäume. Der Hambacher Forst lebt vom Regen, saugt Wasser aus
Schichten in bis zu 15 Metern Tiefe, die Niederschläge speichern. Solange
es ausreichend regnet und die speichernden Schichten intakt sind, kann der
Wald also existieren. Doch je näher die Bagger, desto größer die Gefahr,
diese Stauschichten anzuschneiden, sagt Dirk Jansen vom Umweltverband BUND
NRW. Dann würde das gespeicherte Wasser Richtung Tagebau abfließen. „Finger
weg vom Hambi heißt auch, entsprechenden Abstand zu halten“, sagt Jansen.
Die Situation um den Wasserhaushalt bestätigt RWE-Sprecher Steffen. Da das
Grundwasser „großräumig und oft Hunderte Meter tief abgesenkt“ sei,
versorge sich der Wald aus Schichten, die Niederschlag speichern. Trotzdem
werde RWE die Bagger weiter auf den Wald zu bewegen. Eine Gefährdung
besteht dadurch laut Steffen nicht. Irgendwann werde man „im angemessenen
Abstand haltmachen“. Was ist angemessen? Das sei „keine nach Metern
festgelegte Größe“, sagt der Sprecher. Im Gerichtsverfahren mit dem BUND
hatte RWE zugesichert, mit den Baggern die oberste Sohle nur begradigen zu
wollen.
Das aktuelle Vorgehen sei ein Versuch von RWE, den Rodungsstopp zu umgehen
und gefährde den Wald massiv, sagt Zobel. Rechtlich gesehen darf RWE bis zu
den Bäumen baggern. Weder in einem Urteil noch in der
Hauptbetriebsplanzulassung des Tagebaus ist ein Mindestabstand beziffert.
Zobel sieht darin ein grobes Versäumnis der Behörden: „Am Ende kann RWE
sagen: Oh, der Wald ist ausgetrocknet, jetzt kann man leider nichts mehr
retten. Das geht gegen alles, was politisch geäußert wird.“
Aus Berlin kommen derweil klare Ansagen. Ein Sprecher des
Wirtschaftsministeriums sagt der taz: Man gehe „davon aus, dass RWE bis zum
Abschluss der Verhandlungen keine Handlungen vornehmen wird, die dem
Verhandlungsergebnis vorgreifen“. Das Umweltministerium teilt mit: „Der
Kompromiss der Kohlekommission sieht vor, den Hambacher Forst zu erhalten.
Dazu gehört auch, dass er nicht durch die heranrückenden Bagger gefährdet
werden darf.“
Aus dem NRW-Wirtschaftsressort heißt es, man erwarte von RWE „die Vorlage
einer angepassten Tagebauplanung, die die Empfehlungen der Kommission
bestmöglich umsetzt“, vor allem die „Empfehlungen zum Erhalt des Hambacher
Forstes“. Das Ministerium gehe davon aus, dass RWE „den Betrieb des
Tagebaus deutlich einschränken und gegebenenfalls die Abraumgewinnung auf
der obersten Sohle vor Erreichen des Hambacher Forstes einstellen“ werde.
RWE-Sprecher Steffen bekräftigte indes „unsere Bereitschaft, die
Machbarkeit des Erhalts (des Waldes) zu prüfen“.
3 May 2019
## AUTOREN
Anett Selle
## TAGS
RWE
Wald
Schwerpunkt Hambacher Forst
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Hambacher Forst
Schwerpunkt Hambacher Forst
Kohleausstieg
Schwerpunkt Fridays For Future
Köln
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