| # taz.de -- Karfreitags-Aufreger: Wer lacht, muss Buße tun | |
| > Am Karfreitag wird im Bremer Paradox der Film „Das Leben des Brian“ | |
| > gezeigt – als Protest gegen das Bremische Feiertagsgesetz. | |
| Bild: Das Kreuz im Blick: An Karfreitag gilt das Feiertagsgesetz. Oder doch nic… | |
| Bremen taz | Endlich wird „Das Leben des Brian“ mal wieder öffentlich | |
| gezeigt. Nicht im richtigen Kino, aber auf der größtmöglichen Leinwand des | |
| [1][Kommunikationszentrums Paradox] in der Bernhardstraße – am Karfreitag, | |
| um 19 Uhr. Dadurch wird die Vorführung des Komödienklassikers zum | |
| Politikum. Sie kann nämlich als Verstoß gegen das Bremische Feiertagsgesetz | |
| gewertet werden. | |
| Das so genannte Tanzverbot verbietet nämlich viel mehr, als zu tanzen: | |
| „Sämtliche öffentliche Veranstaltungen, sofern bei ihnen nicht der diesen | |
| Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist“ sind an [2][Karfreitag | |
| zwischen 6 und 21 Uhr untersagt]. Das Vorführen von Filmen kann dazu | |
| gehören. Zuwiderhandlung zieht Strafzahlung nach sich. Höhe: unbekannt. | |
| Denn laut Innensenator sind seit 2016 „derlei Verstöße am Karfreitag nicht | |
| bekannt“ geworden. Es gebe also „keine Angabe über Bußgelder, da es den | |
| Fall noch nicht gegeben hat“, so Karen Stroink, Sprecherin der Behörde. | |
| „Besondere Kontrollen werden in der Regel nicht durchgeführt“, heißt es. | |
| Und es „liegen zur Zeit für den kommenden Karfreitag keine Anträge auf | |
| Ausnahmen vor“. | |
| Tatsächlich haben die Veranstalter keine gestellt. Sie sind gespannt, wie | |
| das Ordnungsamt mit der Vorführung von „Das Leben des Brian“ umgehen wird: | |
| „Den Film kennen ja alle“, sagt Herbert Thomsen, Sprecher des Säkularen | |
| Forum Bremen, „der ist jetzt 40 Jahre alt, und gehört sicher zu denen, die | |
| man schon mal gesehen hat“. Sinn der öffentlichen Vorführung sei „der | |
| Protest gegen dieses unsinnige Verbot“. | |
| Es sei überhaupt nicht ersichtlich, warum sich jemand dadurch in seiner | |
| Andacht gestört fühlen kann, dass irgendwo in einem geschlossenen Raum sich | |
| Menschen einen vergnüglichen Film anschauen. „Es stört sich ja auch keiner | |
| daran, dass Leute in die Kirchen gehen“, sagt Thomsen. „Das kann ja jeder | |
| halten, wie ein Dachdecker.“ | |
| „The Life of Brian“ ist ein mit Mitteln des Sandalen-Films gestaltetes | |
| Biopic des fiktiven Brian: Er wird als uneheliches Kind von Mandy Cohen und | |
| dem römischen Zenturio Nixus Minimax in einem Stall bei Bethlehem geboren | |
| und infolge von dummen Zufällen und einer religiös-mystischen Grundstimmung | |
| der Bevölkerung für einen göttlichen Heilsbringer gehalten. Die römische | |
| Herrschaft bewertet ihn deshalb als Aufwiegler und richtet ihn mit | |
| zahllosen anderen am Kreuz hin. | |
| Als „aus theologischer Sicht interessant“ bezeichnet selbst eine Sprecherin | |
| der Bremischen Evangelischen Kirche den Film, weil er „zum Nachdenken und | |
| zur Diskussion über die Bedeutung des Lebens und Leidens Christi anregen“ | |
| könne. Manche Fachleute gehen da noch weiter: Selbst bei oberflächlicher | |
| Betrachtung sei offensichtlich, dass „Brian zugleich Jesus ist und | |
| eindeutig nicht Jesus ist“, stellt der durch seine Forschungen zu den | |
| Qmran-Rollen berühmte britische Neutestamentler Philip R. Davies klar. | |
| Dieser Kunstgriff habe „Wurzeln, die in die Grundlagen des Christentums | |
| selbst zurückreichen“. Folgerichtig regt er an, „The Life of Brian“ als | |
| „theologischen Text“ zu lesen. | |
| Trotzdem wird in Deutschland meist davon ausgegangen, dass eine | |
| Kinovorführung von „Das Leben des Brian“ an Karfreitag einen Verstoß gegen | |
| die Stille Feiertage-Gesetze der Länder darstellt. So hatte die Stadt | |
| Bochum gegen die Gruppe „Religionsfrei im Revier“ [3][Bußgeldbescheide] | |
| erlassen, mal über 1.000, mal über 300 Euro: Sie hatte, an Karfreitag, „Das | |
| Leben des Brian“ gezeigt. | |
| Statt zu zahlen, legte die Ini Rechtsmittel ein: Nachdem sich das örtliche | |
| Amtsgericht und danach das Oberlandesgericht Hamm mit dem Karfreitagsspaß | |
| auseinandergesetzt hatten, [4][beschloss das Bundesverfassungsgericht im | |
| Herbst 2017 allerdings], den Vorgang nicht zur Entscheidung anzunehmen – | |
| sehr [5][zum Ärger der Religionsbefreiten]. | |
| Die Verbote gelten nur fürs Kino: Im TV sind Ablachkomödien, Softporno und | |
| Splatter-Movies an Karfreitag genauso erlaubt wie immer. Die Einschätzung, | |
| welche öffentlichen Filmvorführungen dem Ernst der Feiertagslage nicht | |
| angemessen sind, bleibt dabei willkürlich: Zwar verweist der Innensenator | |
| auf eine von den PrüferInnen der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) „seit | |
| 1952“ aufgestellte „Liste mit inzwischen über 700 Filmtiteln“. Die ist | |
| allerdings unzuverlässig: „Es gibt auf dieser Liste jeden nur erdenklichen | |
| Fehler“, so FSK-Geschäftsführer Stefan Linz. | |
| Versehentlich draufgerutscht sind feiertagsfreie Filme wie „Heidi“ und | |
| „Mary Poppins“. Filme ohne Freigabe wurden versehentlich nicht erfasst. Und | |
| gar nicht registriert sind Streifen, für die nie eine beantragt wurde, | |
| „weil in der geplanten Kinolaufzeit keine Feiertage liegen“, wie Linz | |
| erklärt. | |
| Gut lässt sich das an der Softporno-Reihe „Schulmädchenreport“ beobachten. | |
| So steht von der nur deren 13. Folge auf der Liste. In Wirklichkeit sei | |
| aber auch für die Nummern 1 bis 3 eine Feiertagsfreigabe „vom Prüfausschuss | |
| abgelehnt“ worden, so Linz, weil „die 'dargestellten sexuellen Situationen�… | |
| als ,feiertagsstörend’ eingeschätzt wurden“. | |
| Keine Handhabe bietet die FSK-Liste indes gegen die Folgen 4 („Was Eltern | |
| oft verzweifeln läßt“) bis 12 („Junge Mädchen brauchen Liebe“): Für d… | |
| „wurde keine Feiertagsfreigabe beantragt“ und folgerichtig „keine | |
| diesbezügliche Entscheidung durch die FSK getroffen“. Hier muss nun die | |
| Behörde kraft ihrer filmwissenschaftlichen und theologischen Kompetenz | |
| einschreiten – oder es lassen: Der Senator sieht sich nämlich als | |
| „zuständige Stelle in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Filmvorführung | |
| erlaubt werden kann oder nicht“. Kriterien: Gibt’s nicht. | |
| Bei der FSK gibt’s welche, aber die sind fließend. Nur die Liste selbst | |
| steht fest. So schien den JurorInnen der 1970er-Jahre, noch mehr als die | |
| Hälfte der Filmproduktion das „religiöse und sittliche Empfinden“ zu | |
| verletzen. Im Jahr 2018 waren es nur noch 0,18 Prozent der Einreichungen. | |
| Dem Trend zu weniger Zensur folgend hatte man Monty Python’s „Ritter der | |
| Kokosnuß“ bei einer neuerlichen, kostenpflichtigen Überprüfung 1999 trotz | |
| Gotteserscheinungen, Grals- und Heiligenwitzchen, anders als beim | |
| Kinostart, auch für Karfreitag abgesegnet. Für „Leben des Brian“ wurde ke… | |
| entsprechender Antrag gestellt. | |
| 17 Apr 2019 | |
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| [1] https://www.paradox-bremen.de/ | |
| [2] https://www.transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen2014_tp.c.74… | |
| [3] https://www.derwesten.de/staedte/bochum/fuer-auffuehrung-der-jesus-satire-i… | |
| [4] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/1… | |
| [5] https://hpd.de/artikel/bundesverfassungsgericht-hat-sich-einer-entscheidung… | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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