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# taz.de -- Rechtsstreit um Einreise-Erlaubnis: Aus der Botschaft nach Europa?
> Der Menschenrechtsgerichtshof verhandelt, ob eine syrische Familie mit
> Visum nach Europa darf. Das Urteil könnte wegweisend werden.
Bild: Aleppo im April 2019: Die Klägerfamilie harrt noch immer hier aus
Straßburg taz | Diese Entscheidung könnte das europäische Asylrecht
revolutionieren: Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
klagt eine syrische Familie auf humanitäre Visa. Damit könnte sie legal
nach Europa reisen und Asyl beantragen. Der Gerichtshof hat die Klage wegen
der grundsätzlichen Bedeutung gleich der Großen Kammer in Straßburg
zugewiesen.
Die Familie harrt noch immer in Aleppo aus, in einer Wohnung ohne Wasser
und Strom. „Wir träumen davon, dass unsere Tochter und unser Sohn in
Sicherheit aufwachsen können“, schrieb sie in einem Brief an das Gericht.
Die Tochter ist jetzt 11 Jahre alt, der Sohn drei Jahre jünger.
Im August 2016, als das belagerte Aleppo noch von der syrischen Armee
bombardiert wurde, reiste der Familienvater, ein Manager, in den Libanon.
In der belgischen Botschaft in Beirut beantragte er humanitäre Visa für
seine Familie. Sie hätten Freunde in Belgien, die ihnen helfen wollen. Eine
Flucht mit Schleusern wollten sie ihren Kindern nicht zumuten. Doch die
Botschaft lehnte ab. Asylanträge könnten nur auf belgischem Boden oder an
der Grenze gestellt werden.
Vor belgischen Gerichten hatten die Syrer zunächst Erfolg. Durch drei
Instanzen wurde ihnen ein Anspruch auf humanitäre Visa zugesprochen. Erst
als am Brüsseler Berufungsgericht die Zuständigkeiten geändert wurden,
wurde die ablehnende Haltung der Regierung bestätigt. Deshalb trugen die
Familie und ihre belgischen Anwälte den Fall nach Straßburg. Dort beriefen
sie sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Diese gewähre
Schutz gegen unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Menschen in Gefahr
müsse geholfen werden.
## Gültig oder nicht?
Doch ist die Konvention auch in der belgischen Botschaft im Libanon
anwendbar? Die belgische Verteterin Isabelle Niedlispacher wies dies scharf
zurück: „Die Botschaft steht auf libanesischem Staatsgebiet, im Libanon
gilt die EMRK nicht. Belgische Beamte haben im Fall der syrischen Familie
auch keine Hoheitsgewalt ausgeübt. Der Antragsteller konnte in die
Botschaft kommen und wieder gehen, wie er wollte.“ Die Anwälte der Familie
halten die Konvention dagegen in der Botschaft durchaus für anwendbar.
„Wenn belgische Beamte eine sichere Reise nach Europa verweigern, ist das
Hoheitsgewalt“, sagte Anwalt Olivier Stein.
Belgien wurde vor dem Menschenrechtsgerichtshof von elf Staaten
unterstützt. Auch Deutschland gehörte dazu, ergriff in der Verhandlung aber
nicht das Wort. Der britische Anwalt Geoffrey Cox sagte: „Die Ablehnung
eines Visumsantrags kann für die Anwendung der EMRK nicht ausreichen. Sonst
könnte jeder irgendwo in der Welt in eine britische Botschaft gehen und
Asyl beantragen. Das kann nicht sein.“ Seine französische Kollegin Florence
Merloz warnte vor „Millionen von Antragstellern“. Zudem werde das
EU-Asylrecht ausgehebelt, wenn jeder sich sein Asylland frei auswählen
könnte. Nach der Dublin-III-Verordnung der EU ist in der Regel das Land des
ersten Kontakts zuständig.
## Familie bestreitet Bedeutung
Die Anwälte der Familie betonten, es gehe hier nur um diesen Einzelfall,
nicht um Migrationspolitik. „Der Gerichtshof sollte sich nicht von der
Angst vor dem Chaos leiten lassen“, sagte Anwalt Jacques Englebert. Die
Annahme, es werde Millionen Asylanträge an europäischen Botschaften im
Ausland geben, sei „falsch“.
2017 hatte bereits der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über einen
ähnlichen Fall zu befinden. Er überließ die Entscheidung dann aber der
belgischen Justiz.
Das Straßburger Urteil wird erst in einigen Monaten verkündet. Der EGMR ist
eine Einrichtung des Europarats, dem 47 Staaten inklusive Russland und
Türkei angehören.
24 Apr 2019
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Flüchtlinge
Schwerpunkt Syrien
EGMR
Visum
Familiennachzug
Schwerpunkt Flucht
Europäischer Gerichtshof
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