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# taz.de -- Nach gescheiterter Bankenfusion: Plädoyer für eine Großbank
> Eine so vom Export abhängige Volkswirtschaft wie Deutschland braucht eine
> eigene Großbank. Vielleicht eine europäisch aufgestellte Commerzbank?
Bild: Über Frankfurt geht nicht nur der Mond unter: Brauchen wir einen neuen S…
Aus. Vorbei. Die [1][Fusionsgespräche zwischen Commerzbank und Deutscher
Bank] sind gescheitert. Und irgendwie scheinen alle Beteiligten erleichtert
zu sein – geradezu froh.
Die Gewerkschaften, die für den Fall der Zusammenlegung der beiden größten
deutschen Banken Zehntausende Arbeitsplätze gefährdet sahen. Die Vorstände
und Aufsichtsräte beider Banken, denen bei einer so großen Fusion dann doch
etwas mulmig wurde; sie sahen auch nicht wirklich viele Synergieeffekte.
Und Bankanalysten, die bereits befürchteten, die Deutsche Bank [2][mit
ihren horrenden Lasten] würde die etwas gesündere Commerzbank mit sich in
den Abgrund ziehen. Und dann gibt es noch die Investoren, die wiederum
Angst hatten, noch mehr Milliarden zuschießen zu müssen, um einen
Zusammenbruch beider Institute und damit einen Totalverlust ihrer Gelder zu
verhindern. Selbst Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der die
Fusionsgespräche überhaupt angeleiert hatte, scheint nicht unglücklich zu
sein über das Scheitern der Verhandlungen. Er musste für sein Vorstoß sehr
viel Kritik einstecken. Zu primitiv gedacht fanden viele seine Idee, aus
zwei Schwachen könne eine Starke entstehen.
Nur: Gelöst ist das Problem mit beiden Banken noch lange nicht. Beide
verdienen nicht genug, und sie werden sich auf dem ohnehin stark umkämpften
heimischen Markt mit den Volksbanken und Sparkassen weiterhin Konkurrenz
machen.
Der Commerzbank ist zudem nicht garantiert, ob ihr zuletzt erwirtschafteter
Puffer ausreicht, um ohne weitere staatliche Hilfe den nächsten
Zusammenbruch auf den Finanzmärkten zu überstehen. Die Bundesregierung, die
zu 15 Prozent an ihr beteiligt ist, will ihre Anteile möglichst rasch
loswerden und sucht dringend neue Investoren.
## Der Mittelstand leidet
Noch viel schlimmer steht es um die Deutsche Bank: Auf rund 15 Milliarden
Euro ist ihr Börsenwert zuletzt gefallen – weniger, als die US-Konkurrenz
J. P. Morgan in einem Jahr verdient. Dabei sah sich die Deutsche Bank vor
zehn Jahren noch in einer Liga mit den globalen Spitzenplayern. Nun will
sie nicht einmal mehr jemand übernehmen.
Was für die deutsche Wirtschaft aber noch viel schwerer wiegt: Ausgerechnet
die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, in der fast jeder vierte
Arbeitsplatz vom Export abhängt, steht ohne eine international aufgestellte
Großbank da. Darunter leiden nicht so sehr große Unternehmen – Siemens,
Daimler oder Volkswagen können für ihre Geschäfte im Ausland meist ihre
eigenen Finanzdienstleister beauftragen und haben oft im jeweiligen Land
ohnehin schon viel Kapital angehäuft, auf das sie bei neuen Investitionen
zurückgreifen können. Die Leidtragenden sind Unternehmen im deutschen
Mittelstand.
Sie stellen Atemluftkompressoren her, Schuhleisten, Speziallacke,
Warnsignale für die Schifffahrt oder Walzwerkanlagen – viele von ihnen
kommen aus der deutschen Provinz, sind Unternehmen, deren Namen kaum jemand
kennt. Dennoch sind sie in den letzten Jahren zu sogenannten Hidden
Champions aufgestiegen, die große Umsätze einfahren. Je nach Erhebung gibt
es inzwischen Tausende dieser Weltmarktführer aus Deutschland. Sie und
viele andere mittelständische deutsche Unternehmen machen ihren Hauptabsatz
längst im Ausland. In China etwa, dem außerhalb der EU inzwischen größten
und [3][wichtigsten Handelspartner Deutschlands], sind Maschinen und
Spezialteile aus Deutschland angesagter als solche aus jedem anderen Land.
Bei der Aufnahme von Krediten, aber auch jede andere Finanzdienstleistung,
etwa die Rückführung von Gewinnen nach Deutschland, sind viele dieser
Unternehmen auf ausländische Banken angewiesen. Wie zum Beispiel die in
Asien breit aufgestellte britische Großbank HSBC. Und im Fall von China
gibt es für die deutschen Unternehmen ein weiteres Problem: Sie müssen ihre
Kredite und Geldflüsse über eine der chinesischen Banken abwickeln, von
denen einige inzwischen zu den größten der Welt gehören. Auch in anderen
Ländern wiederum müssen deutsche Unternehmen oft die Leistungen
amerikanischer Banken in Anspruch nehmen, weil die Sparkasse oder
Raiffeisenbank aus dem schwäbischen Heimatkreis eben keine Filiale in
Bogotà oder in Kuala Lumpur betreibt. Damit verdienen zum einen die Banken
anderer Länder an deutschen Geldgeschäften kräftig mit. Außerdem haben sich
weite Teile der deutschen Exportindustrie damit von ausländischen
Finanzdienstleistern abhängig gemacht.
## Die Deutsche Bank ist am Ende
Das schien so lange kein Problem zu sein, wie deutsche Unternehmer fest
davon ausgingen, die Welt würde sich global noch stärker vernetzen und die
Märkte würden sich noch weiter öffnen. Alle würden friedlich miteinander
Handel betreiben, nationale Kategorien würden keine Rolle mehr spielen.
Doch genau so tickt die Welt in Zeiten von Trump, Brexit und Chinas
aggressiver Technologieoffensive „Made in China 2025“ nicht mehr. Die
US-Banken wurden in der jüngeren Vergangenheit von der Regierung politisch
instrumentalisiert. Diese hat den Banken mit Strafen gedroht, sollten sie
Firmen finanzieren, die weiter Geschäfte mit dem Iran betreiben.
In China sind der Einfluss der kommunistischen Führung und die damit
einhergehende Kontrolle der eigenen Banken sogar noch krasser. Je nach
politischer Stimmung und Marktlage werden bereits zugesagte Kredite
chinesischer Banken an ausländische Unternehmen eingefroren. Für eine vom
Export so abhängige Nation wie Deutschland ist eine international
aufgestellte Bank, der Unternehmen für ihre Geldgeschäfte im Ausland
vertrauen können, so wichtig wie der internationale Flughafen in Frankfurt
oder die Häfen in Hamburg und Duisburg.
Die Deutsche Bank wird diesen Ansprüchen ganz sicher nicht mehr gerecht. Zu
groß sind die Altlasten, zu sehr hat sie durch Missmanagement das Vertrauen
der Anleger und Kunden verspielt – zumal sich die Topmanager trotz ihrer
systemischen Krise zuletzt weiter fette Boni auszahlen ließen. Die Deutsche
Bank ist [4][finanziell und moralisch am Ende].
## Ein europäischer Banken-Champion?
Zumindest etwas besser sieht es mit der Commerzbank aus. Sie hat in den
letzten Jahren wieder stärker auf Mittelstandsgeschäfte gesetzt, verdient
nur aufgrund der derzeit geringen Margen eben nicht genug Geld. Und anders
als bei der Deutschen Bank gibt es für die Commerzbank Interessenten, die
nicht bloß an einer Zerschlagung interessiert sind, sondern noch an die
Marke Commerzbank glauben. Die niederländische Großbank ING und die
italienische Unicredit sind zwei von mehreren Instituten, die ihr Interesse
bekundet haben.
Das ist eine gute Nachricht. Denn allein wird es auch die Commerzbank nicht
schaffen, ein global vertrauenswürdiges Netz aufzubauen. Und eine andere
Bank aus Deutschland, die bei der Commerzbank einsteigen könnte, ist nicht
in Sicht. Aber der neu entstehende Bankenzusammenschluss wäre auch in
Europa nicht dagegen gefeit, politisch instrumentalisiert zu werden. Sollte
die Stimmung in Italien oder den Niederlanden so stark kippen, dass auch
diese beiden Länder aus der gemeinsamen Währungsunion austreten, stünde
Deutschland womöglich wieder ohne global aufgestellte Bank da.
Die Lesart könnte bei einer Fusion der Commerzbank entweder mit der Union
Credit oder der ING aber auch folgendermaßen lauten: Ein europäischer
Banken-Champion würde entstehen – unter deutscher Beteiligung. Der
Finanzplatz Deutschland wäre gerettet. Und EU-politisch gäbe es mal wieder
ein länderübergreifendes Vorhaben, das den europäischen Gedanken stärkt.
Einen Versuch wäre es wert.
27 Apr 2019
## LINKS
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[3] /Bald-Defizit-in-Pekings-Leistungsbilanz/!5576773
[4] /Kommentar-Deutsche-Bank/!5587873
## AUTOREN
Felix Lee
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